Review

"Das Parfüm handelt von einem Menschen ohne Geruch, der aus diesem Grund DAS Parfüm finden, bzw. kreieren will. Es wird zu seiner Lebensaufgabe, da er sonst nichts in seinem armseligen Leben hat, mit Ausnahme seines übermenschlichen Geruchssinns. Da er selbst aber keinen Geruch hat empfinet er sich als unsichtbar für die Menschen in seiner Umgebung. Er zerbricht daran. Er ist ein Nichts." Das ist der (grobformulierte) Kernpunkt des Buchs. Was soll ich zu einem Film sagen, der es mit absoluter Inbrunst und rigoroser Konsequenz schafft an diesem zentralen Punkt vorbeizudrehen ? Mit Ausnahme eines kurzen Flashbacks ( hin zu Grenouiles erstem Mord) und der Selbsfindungsszene in einer Höhle wird dieses Hauptthema nahezu völlig ausgeblendet. Folglich:
- kennt man das Buch, ist man bodenlos entäuscht. (meine Freundin)
- weiß man worum es geht, verflucht man sich selbst, weil man das Buch hätte lesen sollen. (ich)
- hat man im Prinzip keine Ahnung von allem, dürfte sich das nach dem Film nicht wirklich geändert haben! (ein Freund).

Eigentlich haben Tykwer und Eichinger beinahe das geschafft, was sie wollten. Sie haben einen großen, schwer belanglosen Hollywoodpansch erschaffen. Wenn man sich die Darstellerriege so anschaut glaubt man zwar eher an eine Sat-1-Euro TV-Produktion aber es ist trotzdem irgendwie groß. Allan Rickman und Dustin Hoffman dürfen komplett unglaubwürdig ihre Charaktere overacten (aber es sind ja immerhin alternde Hollywoodgrößen), Jessica Schwarz darf 5 Minuten als Nutte ihre Titten zeigen und danach (aus FSK 12 Gründen) im Off der Kamera sterben, Corinna Harfouch darf die Belanglosigkeit in Person spielen und, wenn ich mich nicht getäuscht habe, hat soger Fatih Akin einen kurzen Auftritt. Alles ganz nett, nur unterstreicht das meine nicht gerade hohe Meinung von Starschauspielern auf ein Neues. Man kennt die Leute als andere Charaktere aus anderen Filmen! Es wirkt alles unglaubwürdig, jegliche Atmosphäre wird erstickt ehe sie überhaupt auftritt und die von mir erhoffte Ernsthaftigkeit wird spätestens durch diese Darstellerhorde vernichtet. Eigentlich wartet man nur drauf, daß Daniel Brühl noch irgendwo rausspringt.

Aber abgesehen davon...hey, das ist echt hollywoodmäßig. Ziemlich bildgewaltig, grell bunt (lustiges rumholtzen mit Farbfiltern) und wüst bis schlecht computeranimiert. Klar, es erinnert an "Herr der Ringe", nicht zuletzt wegen des Soundtracks, aber was solls, Tom Tykwer und Bernd Eichinger dürften diesen Kritikpunkt, sollten sie mein Review irgenwann mal lesen (ich hab das so meine Zweifel), wahrscheinlich sogar als Lob auffassen. Was die Frauen angeht trifft man zwar nicht auf irgendwelche blonden U.S. Silikontittenmonster mit Plastiknase, aber die Macher konnten es sich auch nicht verkneifen neuzeitliche Standartschönheiten zu rekrutieren. Da diese, durchaus hübschen Damen, von der Edeldame (Grenouille's letztes Opfer) bis hin zur allerletzten Straßenmagd, überall zu finden sind und die "Make Up Artists" nur sehr bedingt in der Lage waren deren saubere Schönheit zu verstecken, sieht man hier wieder tonnenweise Atmosphäre wegschweben.

Die anderen Probleme des Films fallen in die Kategorie "entweder ganz oder gar nicht". Entweder ich finde mich gleich nicht mit der FSK 12 Freigabe ab, oder ich lasse irgendwelche halbherzigen Horror und Ekelszenen einfach weg! Entweder ich verfilme ein Buch in dem ich Humor unterbringen kann oder ich verfilme ein Buch, bei dem das eben nicht geht ( z.B. DAS PARFÜM!!!!). Egal ob es die debile Verschlagenheit Baldinis ist oder Grenouille, der versucht eine Katze zu destillieren; als halbwegs geneigter Zuschauer will (!) man darüber einfach nicht lachen. Das zum Ende die große Orgienszene ( mit munter mitmischendem Vertreter der Kirche ) an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist, ist da eigentlich auch schon egal, bzw. logisch.

Warum gebe ich also 5 Punkte?
Einerseits ist "Das Parfüm" natürlich nicht wirklich schlecht. Er ist schön anzusehen und über 147 Min. hinweg sehr unterhaltsam. Vielleicht wären 6 Punkte sogar O.k. gewesen, aber nachdem ich meine frustrierte Freundin gesehen habe (die ein großer Fan des Buches ist), scheint die Umsetzung doch äußerst mangelhaft gewesen zu sein und, egal was man landläufig so sagt, eine Buchumsetzung muß sich irgendwo am Buch selbst messen lassen.
Andererseits liegt es an einem kleinen Vorteil, der komischer Weise auch hollywoodtypisch ist. Der Film fängt richtig stark an. Solange die Geschichte aus dem Off erzählt wird, ist der Film superb. Er ist düster, ungreifbar und sehr distanziert. Nach einer halben Stunde setzen Dialoge ein und das oben Erwähnte nimmt seinen Lauf. Daß, wie in einer anderen Review erwähnt, der Spannungsbogen ausschließlich aus retardierendem Moment besteht, ist meiner Meinung nach sogar eher positiv zu werten, da dadurch der Film sich wenigstens einen Funken Eigenstänigkeit bewahrt und sich nicht in (pseudokreativen) orgiastischen Schockszenen ergibt.

Eine andere Sichtweise: Eigentlich ist der Film brilliant. Das was Drehbuch und Regisseur der genialen Geschichte von Patrick Süßkind nicht abgewinnen konnten, schafft das filmische Gesamtwerk: Er (der Film) IST Jean Baptiste Grenouille. Ein Nichts, das man übersieht....

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