Die Zeit des Wartens ist vorbei: Nachdem die Trailer zu „Das Parfum" schon großes Hollywoodkino made in Germany versprachen und man den Kinostart nicht nur als Cineast sehnlich herbeiwünschte, ist es nun soweit. Und das seltsame: Der Film konnte die großen Erwartungen über die gesamte Laufzeit von mehr als 2 Stunden halten, auch wenn sich hier und da minimale Schönheitsfehler auftun.
„Das Parfum" erzählt die Geschichte von Jean-Baptiste Grenouille (Ben Whishaw), welcher im Paris des 18. Jahrhunderts aufwächst. Schon von Kindesbeinen an war er anders als seine Altersgenossen: er verfügt über einen äußerst feinen Geruchssinn. Nachdem er seine entbehrungsreiche Kindheit im Waisenhaus und in einer Gerberei nahezu resistent und unbeschadet übersteht, landet er beim Parfumeur Baldini (Dustin Hoffman), welcher ihn in die Geheimnisse des Destillierens von Duftstoffen einweist. Doch Baldini kann Grenouille nicht beibringen, wie man einen Duft konservieren kann. Dies muss Grenouille deshalb lernen, weil er den Duft einer wunderschönen rothaarigen Frau (Karoline Herfurth, „Mädchen, Mädchen"), welche er versehentlich umbrachte, nicht behalten konnte, was ihn stark prägte. Fortan macht er sich auf, die Kunst der Enfleurage, der Duftkonservierung durch Fett, im fernen Grasse zu lernen und das perfekte Parfum zu schaffen, wobei er dabei über Leichen geht...
Regisseur Tom Tykwer („Lola rennt") und Produzent Bernd Eichinger gelingt es, Patrick Süskinds Bestseller mit einem stattlichen Budget von 40 Mio. Euro als ein opulentes Kaleidoskop des 18. Jahrhunderts für die Leinwand zu adaptieren. Das erstaunliche daran ist, dass die Verfilmung nahezu brillantes Kino geworden ist. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass Pedanten, welche das Buch gelesen haben, einige Passagen vermissen werden. Der Zuschauer erfährt beispielsweise recht wenig über die Kindheit von Grenouille; die Anekdote mit der Amme und den Pfarrer daraus fehlen ganz. Der Erzähler - gesprochen von Otto Sander - gibt nicht immer zu 100 Prozent die Ausführungen der literarischen Vorlage preis; auch das grotesk-brutale Finale ist aufgrund einer FSK-Freigabe ab 12 Jahren recht harmlos ausgefallen. Doch gelingt es dem Film, den teils lakonischen, teils verschrobenen Humor des Buches hin und wieder zu transportieren. So ist die Figur des Baldini - dargestellt von Dustin Hoffman - in Sachen Schrulligkeit und Ironie kaum zu überbieten. Auch der bisher weitgehend unbekannte Theaterschauspieler Ben Whishaw macht seine Sache brillant: Sein grandioses (Minen-)Spiel zwischen Unsicherheit, Melancholie und Diabolik übertrifft alles, was Kritiker ihm bis dato zugetraut hätten. Einzig Alan Rickman („Stirb langsam") als besorgter Vater geht etwas unter. Optisch steht „Das Parfum" seiner hochkarätigen Darstellerriege in Nichts nach: Kameramann Frank Griebe verpackt das historische Ambiente in wundervolle, farbenprächtige Bilder kontrastierend voll dreckiger und strahlender Schönheit sowie lange Einstellungen; die hypnotisch-schwebende Musikuntermalung mit leisen Chorälen vermittelt beinahe schon den Eindruck, als könnten wir diese Schönheit, diese Liebe zum Kino, welche uns Tom Tykwer mit „Das Parfum" bescherte, riechen.
Fazit: Nahezu kongeniale Leinwandadaption des Bestsellers von Patrick Süskind. Obwohl „Das Parfum" sich durchaus einige Freiheiten nimmt, können sowohl die hoch ästhetischen Bild- und Tonkompositionen als auch die Schauspieler uneingeschränkt überzeugen. Für mich noch knapp vor "Das Leben der Anderen" der beste deutsche Film des Kinojahres 2006!