"Dr. Schiwago" ist ein weiteres Epos von David Lean, der wohl mit jedem Film versuchte, sich selbst zu übertreffen.
So verfilmte er diesmal ein Bestseller-Buch von Boris Pasternak über Russland zur Zeit der Revolution, in dessen Rahmenhandlung die Lebens- und Liebesgeschichte des Arztes Dr. Schiwago und dessen großer Liebe Lara eingebettet ist.
Und Lean hat sich bei der Ausführung dieses Mammutunterfangens nicht lumpen lassen und versammelte nicht nur große Stars, sondern begeistert vor allen Dingen durch Massenszenen und spektakuläre Kulissen von Moskau und dem Ural.
Man sieht hier wirklich jeder Szene, jedem Set an, dass hier viel Liebe, Aufwand und vor allen Dingen Geld reingesteckt wurde, um alles so glaubwürdig wie möglich erscheinen zu lassen. Erfreulicherweise geht das weit über das Klischeedenken der Amerikaner von der Kultur Russlands hinaus (was bei einem Film aus der Zeit des kalten Krieges keineswegs selbstverständlich ist).
Auch die Schauspieler runden dieses positive Gesamtbild ab, auch wenn hier noch etwas das für die damalige Zeit typische und ans Theater erinnernde, leichte Overacting vorherrscht.
Die weltbekannte Musik ist natürlich ein wahrer "Ohrenschmaus" und sehr passend eingesetzt, auch wenn sie es mit der Kitschigkeit manchmal leicht übertreibt.
Was mich an dem Film wirklich beeindruckt hat ist, dass er den Zuschauer auch nach so vielen Jahren noch begeistern kann. Dieser Vorteil ist sicherlich Leans Regie zu zuweisen, denn seine damals revolutionäre Kameraführung wirkt auch heute noch aktuell und mitreißend und selbst die dialoglastigsten Szenen werden durch die ungewöhnliche Kameraarbeit und die vielen kleinen Details, denen der Regisseur immer wieder Beachtung schenkt, nicht langweilig.
Trotz dieser ganzen positiven Aspekte kann man den Film aber eine gewisse Langatmigkeit und gleichzeitige "Unkoordiniertheit" im letzten Viertel nicht absprechen, denn entweder haben hier die Drehbuchschreiber geschlafen oder die literarische Vorlage hat nicht mehr hergegeben oder der Regisseur musste sehr oft die Schere ansetzen. So wirken am Ende einige Szenen unendlich in die Länge gezogen (Schiwagos und Laras Aufenthalt in ihrem Versteck im vereisten Haus), während die Handlung aber auch riesige Sprünge macht und plötzlich von Dingen die Rede ist, von denen der Zuschauer nie etwas erfahren hat. Wie kam Schiwago wieder nach Moskau zurück? Sah er seine Familie je wieder? Was hat er (und Lara) die ganzen 8 Jahre gemacht? Viele solche wichtigen Dinge werden einfach unterschlagen oder als gegeben hingestellt, was es dem Zuschauer nicht unbedingt einfach macht, der Handlung zu folgen.
Trotzdem, Dr. Schiwago ist ein Meisterwerk, daran können auch die Defizite in dem holprigen Handlungsverlauf nicht ändern und bekommt von mir
9/10