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Es gibt Filme die man vom Namen nach fast ein Leben lang kennt, aber nie gesehen hat. Oftmals ist es ein Ruf der ihm begleitend vorauseilt, oder auch ein Bild das man sich davon unterbewußt in den Kopf gesetzt hat. In diesem Fall war es ein zweifelhafter. Schmonzette und triefige Liebesschnulze hat man oft von Wegbegleitern verächtlich gehört. Bei solchen Urteilen hinterfragt man nach der Sichtung, ob diese Personen den Film wirklich gesehen haben. Ich glaube eher nicht.

David Lean hat 1965 ein absolutes Meisterwerk geschaffen, was mir leider erst heute bewußt wurde. Durch das eingangs erwähnte Negativbild, habe ich den Film immer unbeachtet gelassen und wollte ihn nicht sehen. Störend in meiner ablehnenden Haltung war eigentlich immer nur der Name des Regisseurs, da er immerhin auch "Die Brücke am Kwai" und "Lawrence von Arabien" geschaffen hat. Also musste irgendwann zwangsläufig doch noch eine Sichtung erfolgen und ich bin froh endlich diesen Schritt gewagt zu haben.

Der Film konzentriert sich auf die Wirren der russischen Revolution und wie sie aus den Augen von verschiedenen Beteiligten erlebt wird. Natürlich ist auch die erwartete Liebesgeschichte zu sehen, aber eben nicht alleine und vor allem niemals schmierig. Eher subtil und im Kontext absolut notwendig. Die Liebenden geben dem Zuschauer Hoffnung in einer eiskalten und brutalen Zeit. Die Revolution war kein Zuckerschlecken und man merkt auch deutlich den Irrsinn der dahintersteht. Täter werden zu Opfern und die Opfer werden hinterher zu den Tätern, die sie vorher verabscheut haben. Die gleichen Taten nur mit einer anderen Ideologie im Hinterkopf.
Alles andere als eine "Heile-Welt-Seifenoper", für die ich den Film fälschlicherweise immer gehalten habe.

Die Regie von David Lean ist einfach fantastisch. Die Größe der Panoramabilder ist sensationell und auch die Settings sowie die Bildsprache phänomenal. Die Entjungferung einer 17 jährigen, als Blutspuren der niedergeschlagenen Revolution im strahlend weißen Schnee darzustellen, hat schon was geniales. Genauso wie die Symbolik von Blumen oder anderen Details. Eine Kunst die auch Hitchcock gerne verwendete.
Oder auch die sensationellen Kamerafahrten außerhalb des Fensters, während er die Szenerie innen dem Zuschauer überläßt. Er liefert zwar die Bilder, aber die Dialoge soll man sich an manchen Stellen besser denken.  Apropos Dialoge! Das die brillant sind ist klar, aber ein Gespräch zwischen Alec Guiness und Omar Sharif ist dermaßen fulminant gefilmt, das ich sprachlos im Sessel verharrte. Man sieht zwar den Dialog, aber hört nur die Aussagen von Sharif, während Guiness seine eigenen Worte mit einer Stimme aus dem Off übertönt. Er erzählt, was er dort gesagt hat, analysiert es und gibt direkt Auskunft wie er darüber dachte, während er sprach. Phänomenale Idee! Wie auch der rabenschwarze Bildschirm nach der Intermission und dem Licht am Ende des Tunnels!

Das einzige Problem am Film ist seine Laufzeit! Nicht was man jetzt denkt, er ist zu kurz! Erstens konnte ich mich an den wahnsinnigen Bildern nicht sattsehen und zweitens hätte ich so viel mehr über verschiedene Personen gewußt.
Unbedingt muss man auch die weltbekannte Musik von Maurice Jarre erwähnen. Die ist ebenfalls perfekt in die jeweilige Szene verarbeitet und spielt mit den Emotionen des Zuschauers. Am wunderbarsten zu hören, während Schiwago Gedichte schreibt, "Lara`s Theme" beginnt und er seinen Entwurf zerknüllt und wegwirft. Die Musik ebbt sofort ab, wird eher dramatisch und als er weiterschreibt beginnt das Thema von vorne. Großartig! Wahre Filmkunst!

Auch die Darsteller sind eine wahre Pracht und bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt. Sogar Klaus Kinski gibt sich die Ehre. Omar Sharif glänzt zurückhaltend und unaufdringlich, aber mit einer unglaublichen Wucht an Ausstrahlung. Alec Guiness verfügt selbstverständlich ebenfalls über eine erhabene Leinwandpräsenz, das es einem die Schuhe auszieht. Besonders als er zum ersten Mal seinem Halbbruder begegnet. Julie Christie ist nicht einfach nur wunderschön, Die Aussagekraft ihrer Augen passt perfekt zur jeweiligen Situation.

Zwei Dinge sind aber noch unbedingt zu erwähnen. Erstmal den Mut des Regisseurs ein russisches Thema mitten im Höhepunkt des kalten Krieges zu wählen. Der amerikanische Hass auf Russland dürfte in dieser Zeit nicht gerade klein gewesen sein und dennoch urteilt der Film in keinster Weise und schert alles über einen Kamm. Genauso gibt er seinen Protagonisten freien Lauf und läßt sie Dinge tun, mit denen man nicht immer einverstanden ist, ohne sie zu verurteilen. Sie dürfen lebendig wirken, ohne das der Film bestimmt wie man über sie zu denken hat.  Der Zuschauer wird in keinster Weise bevormundet. Top!

Für mich ein absolutes Meisterwerk, auf das ich wegen der eigenen falschen Vorstellungskraft viel zu lange verzichtet habe.

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