Am Lagerfeuer erzählt ein alter Seebär einigen Kindern eine kleine Geschichte, die sich an der Küste des gemütlichen Fischerdorfes ereignet hat: Vor genau hundert Jahren versank ein Schiff im dicken Nebel, bei der die gesamte Besatzung ums Leben kam. Er erzählt, sie werde eines Tages wiederkommen und grausame Rache nehmen. Und wie sollte es anders sein? Zur Geisterstunde steuert eine dichte Nebelbank schnurstracks auf die Küste zu...
Dieser Horrorfilm von John Carpenter hat mittlerweile einen gewissen Kultstatus inne, gilt er doch als Musterbeispiel dafür, wie man eine Geschichte wirklich gut erzählt. In der Tat versteht der Regisseur sein Handwerk und setzt auf eine schaurig-schöne Atmosphäre, die von dem bedrohlichen Soundtrack noch verstärkt wird, und einen klassischen Spannungsaufbau. So kommt angenehm wenig Kunstblut zum Einsatz, auch Schockeffekte sind nur sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzt worden, und die meist nur schemenhaft auftauchenden Geister der vor hundert Jahren ums Leben gekommenen Schiffspassagiere mit ihren leuchtenden Augen sorgen für den ein oder anderen Gänsehautmoment. „The Fog“ trägt eindeutig die Handschrift Carpenters.
Genau darin liegt jetzt allerdings für mich das Problem, diesem Film eine positive Kritik zukommen zu lassen: John Carpenter variiert seine Horrordrehbücher meines Erachtens zu wenig. Vor „The Fog“ habe ich bereits „Halloween“, „Assault“ und „Fürsten der Dunkelheit“ gesehen, und alle diese Filme haben im Prinzip das gleiche Handlungsschema: Zunächst wird eine Atmosphäre geschaffen, die den Zuschauer verunsichern und verängstigen soll, das Grauen (Michael Myers, die namenlose Straßengang, der Teufel oder - wie hier - die tote Besatzung) wird angekündigt, schreitet aber lange Zeit nicht zur Tat. Erst in den letzten Minuten bricht Panik aus, und alles kulminiert schließlich in einem atemberaubenden Finale, in dem sich die Identifikationsfiguren in einem Gebäude, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint (Haus, Kirche, Polizeirevier), gegen das Böse wehren müssen und es dann auch im letzten Moment abwenden können. In drei der vier genannten Filme wartet sogar noch eine mehr oder weniger aufregende Schlusspointe auf den Zuschauer.
Ich begrüße wirklich ein Handlungsgerüst der Sorte „Das Grauen kommt auf leisen Sohlen“, das Carpenter in seinen Regiewerken ausschließlich praktiziert, aber leider sind seine Geschichten, je mehr Filme man von ihm kennt, durch sich ständig wiederholende Motive vorhersehbar und büßen ein nicht zu vernachlässigendes Maß an Wirkung ein. Wäre „The Fog“ mein erster Carpenter-Film gewesen (und nicht „Halloween“), würde ich ihm wahrscheinlich eine höhere Bewertung geben als sechs Punkte, denn wieder einmal verstand Carpenter es, aus einer simplen Grundidee viel Positives herauszuholen. Doch, wie gesagt, die vielen Déja-vu-Erlebnisse verhindern dies, der Unterhaltungswert bewegt sich unweigerlich im grauen Mittelmaß.
Abgesehen von der Vorhersehbarkeit der Story bemängle ich aber auch den doch ziemlich flauen Showdown, was auch daran liegen mag, dass der Film den Zuschauer bei der Suche nach einer Identifikationsfigur schmählich im Stich läßt. Es gibt eigentlich keinen echten Hauptdarsteller, denn immer wieder werden einzelne Charaktere, die als Identifikationsfigur in Frage kämen, für Minuten aus den Augen gelassen, weshalb auch Charakterzeichnung (die in Horrorfilmen ja aber ohnehin nebensächlich ist) unter den Tisch fällt. Weder Jamie Lee Curtis („Halloween“) oder Janet Leigh („Psycho“) noch Tom Atkins oder Hal Holbrook, am ehesten noch Adrienne Barbeau als im Leuchtturm eingesperrte Radiosprecherin, sind dafür prädestiniert. Das Finale in der Kirche letztendlich kommt für mich viel zu kurz und außerdem viel zu unspektakulär daher. Da hätte ich doch mehr erwartet, und die Schlusssekunden, die dann wohl überraschend sein sollen, wirken auf mich nur noch krampfhaft-lächerlich.
Durch die Bank überzeugend sind die schauspielerischen Leistungen, wobei Adrienne Barbeau meines Erachtens die beste zeigt. Nett fand ich, daß mit Jamie Lee Curtis und Janet Leigh Tochter und Mutter erstmals gemeinsam vor der Kamera standen. (Dies sollte sich Jahre später in „Halloween H-20“ noch einmal wiederholen.)
John Carpenters (erneut) selbst komponierter Soundtrack passt ausgezeichnet - aber wann ist das bei Carpenter mal anders gewesen? - und untermalt die grausigen Geschehnisse perfekt, wenn auch der Ohrwurmfaktor mit größerem Abstand unter den Scores von „Halloween“ und „Assault“ liegt.
Fazit: Summa summarum hinterlässt „The Fog“ bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits beweist Carpenter einmal mehr sein inszenatorisches Talent. So wie bei diesem Film baut man einen hübschen kleinen atmosphärischen Grusler perfekt auf. Andererseits hat mich der kleine Klassiker ein wenig enttäuscht, was daran liegt, dass ich bereits zu viele andere Carpenter-Werke gesehen habe, die von Handlung und Aufbau her sehr ähnlich gewesen sind. Unabhängig davon empfinde ich das Finale als ziemlich mau und kaum innovativ.
GESAMT: 6/10 (Unterhaltungswert: 6 - Handlung: 4 - Schauspielerische Leistungen: 7 - Kameraführung/Atmosphäre: 9 - Musik: 8)