„A minor horror classic"
John Carpenter
John Carpenter, der zu Recht als einer der größten Horror-Kult-Regisseure gehandelt wird, kommentiert eines seiner Frühwerke. Und er lügt nicht. Der Mann, der meist die Filmmusik zu seinen bluttriefenden Bildern selbst komponierte und nicht selten obendrein das Drehbuch beisteuerte. Sein „Fog - Nebel des Grauens" aus dem Jahre 1980 ist in der Tat ein Klassiker. Und bei genauem Hinsehen war er das schon im Jahr seiner Entstehung. Denn althergebrachter und weniger innovativ kann ein ansonsten solider Film eigentlich nicht sein.
Wie in seinem heute berühmtesten, damals gering budgetierten Meilenstein „Halloween" (1978), verpflichtete Carpenter ein weiteres Mal Jamie Lee Curtis - die Tochter Janet Leighs (die hier ebenfalls eine Rolle übernahm) und Toni Curtis‘ - für sein Schaffen. Als Anhalterin Elizabeth wird sie vom wesentlich älteren Nick (Tom Atkins) auf dem Weg an die kalifornische Küste mitgenommen. Doch dort braut sich gerade etwas zusammen, das die Bewohner des kleinen Küstenörtchens Antonio Bay, irgendwo nördlich von San Francisco, weder ahnen noch fassen können. Todbringender Nebel wabert über der Bucht der Stadt. Und er bewegt sich landeinwärts. Die Suppe, die da visuell freilich noch etwas vorsintflutlich aufzieht, birgt nämlich bös gesinnte Geister. Und die wollen sich für den an ihnen auf die Stunde genau einhundert Jahre zuvor verübten Mord - Schaltjahre und Sommerzeit einmal beiseite schiebend - an den unschuldigen Nachfahren der damals schuldigen Einwohnerschaft rächen. Werden Elizabeth und Nick, nachdem sie erkannt haben, was da vor sich geht, die Menschen retten können vor den langsam durch den Dunst schreitenden Geistern oder fordert die Erbschuld ihren Preis?
"Da ist was im Nebel" kennt man als Originalzitat aus Stephen Kings im Deutschen gleichlautendem Roman, dessen Autor womöglich gleich mehrere Ideen hier abkupferte, wenn auch die Story selbst eine vollkommen andere ist. Keine CGI-Dämonen wie bei Frank Darabonts King-Verfilmung von 2007, sondern in Laken gewickelte Komparsen mit glutroten Augen bewegen sich 1980 bei Carpenter noch - recht behäbig - durchs Bild. Macht aber nichts, denn einen Gruselfilm bewährter Bauart muss man nicht unbedingt mit Spielbergscher Tricktechnik garnieren, um ihn ins Rennen zu schicken. Erst recht nicht, wenn das Budget keine großen Sprünge zulässt. Seinen Unterhaltungswert gewinnt „The Fog - Nebel des Grauens" übrigens auch nicht aus den Überleistungen irgendwelcher Darsteller. Er funktioniert beim interessierten Genrefreund, eben weil er so minimalistisch, durchschaubar und damit eben ehrlich daherkommt. Hier wird nicht getrickst oder übertüncht. Hier wird standesgemäß und fast ein wenig nostalgisch eine Geistergeschichte erzählt, vielleicht so, wie man das seit Kindheitstagen kennt und liebt. Das ist nicht nur legitim. Nicht wenige würden sagen, es ist bodenständig und sympathisch.
Rückgrat von Carpenters billig produzierter Geistergeschichte sind heute vor allem die dem Genre verhafteten Darsteller. Von Jamie Lee Curtis über Tom Atkins, der in William Lustigs „Maniac Cop" (1988) oder auch in Carpenters „Die Klapperschlange" (1981) mitwirkte, bis Janet Leigh. Die damals bereits ältere Dame ist 1980 noch gut wiederzuerkennen, wenn auch unverschuldeter Weise nicht mehr wirklich ein Blickfang. Sie war das 50er Jahre Model, das unter der Ägide Alfred Hitchcocks in einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte 1960 von einem geisteskranken Anthony Perkins in der Dusche von Bates Motel, für damalige Verhältnisse ungewohnt blutig, erstochen wurde. Ferner gab sich die damalige Ehefrau Carpenters, Adrienne Barbeau, die Ehre, die vom „Ding aus dem Sumpf" unter dem Kommando Wes Cravens 1982 entführt wurde und ebenfalls eine Rolle in der Klapperschlange zugeschanzt bekam. Auch in den darauf folgenden Jahren schaute die Kalifornierin nicht selten beim Horrorfilm - unter anderem auch bei George A. Romero - vorbei. Weitere irgendwie bekannte Gesichter, wie etwa das von Hal Holbrook („Callahan", 1973) tragen dann das Ihre dazu bei, dass John Carpenters „The Fog" wie ein Stelldichein der Genre-Prominenz der 70er anmutet. Wenn auch mitunter nur zweiter Garnitur.
An und für sich wäre „The Fog - Nebel des Grauens" insgesamt damit ein schöner Gruselstreifen, den man weiterempfehlen könnte, wenn der Name des Regisseurs fiele. Doch haben die leprösen Geister im Nebel ein übergroßes Problem. Nämlich das Meisterwerk Carpenters aus dem Jahre 1982: „Das Ding aus einer anderen Welt". Das im ewigen Eis leichtfertig aufgetaute Killeralien ist nach subjektiven wie objektiven Maßstäben so ziemlich einer der besten Horrorfilme überhaupt. Ein fehlerlos inszeniertes Genrejuwel, das von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Bebildert mit zu jener Zeit bahnbrechenden - handgemachten - Effekten und drastischen Schauwerten. Mit anderen Worten, überall da, wo „The Fog" altbacken und angestaubt wirkt, lässt „The Thing" mit seinem damals modernen Look und seiner aufrüttelnden Intensität jede Konkurrenz mühelos auf der Strecke. Das Remake eines ebenfalls sehenswerten 50er Jahre Schwarzweißfilms führt die auf Rache sinnenden Wiedergänger vor und verweist sie unmissverständlich auf ihre Plätze. Das mag nicht schön oder fair sein, aber so ist das manchmal, wenn man das Oeuvre eines Regisseurs seziert.
John Carpenters „The Fog - Nebel des Grauens" ist ein liebevoll inszenierter Gruselfilm, eine klassische Ghoststory und damit unbedingt traditionsverhaftet. Er ist allerdings bisweilen kitschig und, angesichts der weiteren Filme des Mannes auf dem Regiestuhl, überraschend ideenlos. Man möchte fast von einer Gemütlichkeit sprechen, die da durch die Bilder schleicht. Das muss nicht überzeugen, aber es darf. „Der Nebel des Grauens" ist in der Tat ein „kleiner Horrorklassiker", allerdings mit leichter Betonung des Adjektivs „klein".