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Ein Millionär wird gefesselt, nackt und abgeschlachtet gefunden, und der ermittelnde Staatsanwalt Corelli wittert eine Chance, seinen ungeliebten Chef endlich überrunden und selber Chef werden zu können. Schnell wird herausgefunden, dass der Tote Sexfotos des kalifornischen Gouverneurs im Safe hatte. Über diese Spur wird dann ein Haus für gewisse Stunden entdeckt, und dort taucht dann tatsächlich ein Video einer Edelhure auf, die ganz schwer als Mörderin in Frage kommt. Das eine Problem: Diese Edelhure ist Trina, die Frau von Corellis bestem Freund Matt (der nebenbei auch noch ein erstklassiger Rechtsanwalt ist), und Trina ist die Jugendliebe Corellis, der diese Liebe auch nie wirklich aufgegeben hat. Das andere Problem: Auf Corelli werden zunehmend brutalere Mordanschläge verübt. Von Trina?

Joe Eszterhas war mal eine Zeitlang eine ziemlich große Nummer in Hollywood, sowohl als Drehbuchautor, wie auch als Produzent. BASIC INSTINCT, SHOWGIRLS …Die Richtung ist klar. Der Mann wusste halt, was sich Anfang der 90er-Jahre gut verkaufen ließ, nämlich Filme mit sexueller Grundstimmung, die zwar nichts wirklich Relevantes zeigten, aber eine starke erotische Ausrichtung hatten. JADE, sein letzter größerer Film, geht ebenfalls in diese Richtung. Zwar wird nur ein Body Double von Linda Fiorentino gelegentlich nackt und in aufreizenden Posen gezeigt, aber das ständige Gerede über Sex, die gezeigte Untreue, die dargestellten Spielzeuge und angerissenen Praktiken … Das ganze zugrunde liegende Thema erzeugt eine permanent vor Lust nur so flirrende Stimmung, vor deren Hintergrund sich dann die Mörderhatz abspielt.
Wobei die Frage, wer denn nun eigentlich den Millionär gemetzgert hat, relativ bald in den Hintergrund gerät. Viel beherrschender, und wenn man ehrlich ist auch spannender, ist der Umstand, ob Trina denn nun eine Luxushure ist, oder ob nicht? Ob ihr Mann Bescheid weiß? Und, im prüden Amerika natürlich besonders interessant, auf was für Praktiken sie sich einlässt.

Trina wird als Femme Fatale inszeniert, und Linda Fiorentino gibt (fast) alles, um diese Show zu untermauern. Sie ist cool, sie ist obercool. Sie stakst auf High Heels durch das Bild und lässt Corelli eiskalt auflaufen. Und selbst wenn ihr Mann ihr Vorwürfe ob ihrer offensichtlichen Ausschweifungen macht, behält sie mit ein paar klugen Sätzen noch die Oberhand. Zeigt im richtigen Augenblick etwas Sentiment, und alle Männer fressen ihr wieder aus der Hand. Ja, Trina ist eine Femme Fatale wie aus dem Lehrbuch. Eine, die ihre Ausstrahlung und ihren Körper dazu einsetzt, möglichst viele Vorteile zu haben.

Die Charakterisierung dieser Frau und die Schauspielkunst Fiorentinos ist es, die JADE aus dem Brei des Mord-in-bester-Gesellschaft-garniert-mit-sexuellem-Gerede-Einerlei heraushebt. Dies, und die Tatsache, dass der Sumpf, in dem Corelli hier stochert, tatsächlich erheblich verderbter ist als in so manch anderem Mainstreamstreifen dieser Zeit. So ziemlich jeder hat hier Dreck am Stecken, und jeder will seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Dinge wie Moral und Ehrlichkeit sind Begriffe für angehende Oberstaatsanwälte und Pfadfinder, alle anderen versuchen ihren Vorteil wo nur möglich wahrzunehmen, und zwar um absolut jeden Preis. Diese Verderbtheit reicht bis ganz nach oben, und hinterlässt einen sehr bitteren Nachgeschmack. Friedkin zeigt uns eine Welt, die so hemmungslos verkommen und schmutzig ist, dass dem zuschauenden Wähler nur noch schlecht werden kann. Kein Wunder, dass der Film an der Kinokasse damals gnadenlos floppte: Im Zeitalter des galoppierenden Kapitalismus, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wollte niemand solche Botschaften sehen. Er hätte sich ja angesprochen fühlen können …
Mir persönlich hat auch der Schluss, der oft als überhastet und klischeehaft beschrieben wird, einen derben Tritt vors Schienbein versetzt, verweigert JADE sich in der allgemein erhältlichen Kinofassung doch tatsächlich einem Happy-End nach geltenden Regeln, und lässt stattdessen alle Hauptfiguren so richtig nett ins Messer laufen. Selbst das sonnendurchflutete San Francisco ist also nur eine tiefschwarze und korrupte Welt, die von Sex, Gewalt und Geld regiert wird. In welcher Reihenfolge auch immer …

In Summe führt dies zu einem ordentlich gemachten und spannendem Noir-Thriller, der zwar viele formale Schwächen  hat, und sich vor allem im ersten Teil in seiner Klischeehaftigkeit geradezu lustvoll wälzt, dafür aber mit tollen Schauspielern, erstklassiger (und überhaupt nicht Hollywood-typischer!) Musik und einer stringenten Spannung und Atmosphäre punkten kann. Und wenn ich so darüber nachdenke glaube ich, dass ich mir die US-BD besorgen werde, welche als einzige Veröffentlichung weltweit das richtige 16:9-Format zeigt, und damit die erstklassigen Bilder von Andrzej Bartkowiak erst richtig zur Geltung bringt. Denn so schlecht, wie er oft gemacht wird, ist JADE beileibe nicht. Nur ein klein wenig dunkler als  im Mainstream üblich ...

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