Wenn Walter Hill einen Western inszeniert, und sei es auch nur fürs Fernsehen, schaut man doch mal genauer hin. Schließlich gehört der Mann zur ersten Riege der Action-Regisseure und hat mit Long Riders oder Geronimo das Genre auf jeden Fall nachhaltig mit geprägt.
Broken Trail, als TV-Zweiteiler produziert und ausgestrahlt, zählt zu jener Sorte Spätwestern, die ohne Pathos und Gloria, ohne Mundharmonika und Spieluhr, ohne stilisierte Duelle, Flashbacks und Pupillennahaufnahmen einfach eine Geschichte aus der Zeit des "Wilden Westens" erzählt. Robert Duvall spielt den altgewordenen Cowboy, der seinem Neffen Thomas Haden Church (der Sandmann aus Spiderman3) die Nachricht vom Tod der Mutter überbringt und bei der Gelegenheit versucht, die abgeschnittenen Familienbande neu zu knüpfen. Das gelingt überraschenderweise leichter als gedacht, und so beschließen die beiden wettergegerbten Männer mit der kleinen Hinterlassenschaft der Mutter/Schwester eine Herde Mustangs zu erwerben und durchs weite Land zu treiben - und so eine Stange Geld zu verdienen.
Der Zufall will es, dass sich den 2 Männern mit ihren 500 Pferden nach und nach ein Fiedel spielender Cowboy, ein Säufer mit 5 chinesischen Mädchen, eine altgewordene Hure und ein chinesischer Badehaus-Bediensteter anschließen. Klingt verworren, ist es aber eigentlich gar nicht. Die 5 kleinen, ängslichen Mädchen ahnen nämlich gar nicht, dass der Säufer sie an ein Bordell verkaufen will. Das finden unsere zwei Helden zwar nicht so toll, aber was geht sie das an. Naja, vorerst jedenfalls. Letztendlich wollen sie die Mädchen vor ihrem Schicksal retten, dabei kommt es natürlich zu ein paar Rangeleien, die dazu führen, dass die alte Hure (Greta Scacchi) und der chinesische Bademeister plötzlich mit auf der Flucht sind und sich dem Treck anschließen. Natürlich findet das die örtliche Puffmutter gar nicht toll, schließlich hat sie für die Mädchen bezahlt und nun rennt auch noch die alte Hure davon, also schickt sie ein paar Revolvermänner hinterher...
Man merkt dem Film keine Sekunde an, dass er fürs Fernsehen produziert wurde. Bei 3 Stunden Gesamtlaufzeit wird die für einen Western ungewöhnliche Story spannend und abwechslungsreich erzählt, wundervolle Landschaften und der tatsächliche Arbeitsalltag eines Cowboys werden realistisch gezeigt. Die Charaktere sind durchweg glaubhaft und authentisch angelegt und von den Darstellern überzeugend präsentiert. Robert Duvall in einer Variation seiner Rolle in Open Range spielt gewohnt souverän auch ungewöhnliche Facetten eines Westeners, der im Umgang mit Pferden, Gangstern, Indianern und Frauen wohl seine Erfahrungen hat, mit 5 chinesischen Mädchen nun aber doch Neuland betritt. Thomas Haden Church als wortkarger Grummel mit dem Herz am rechten Fleck beeindruckt durch eine unglaubliche Präsenz. Auch alle anderen Darsteller überzeugen in ihren Rollen, deren Entwicklung und Verwicklungen untereinander. Natürlich überleben nicht alle diesen Treck, schließlich ist es ein Western, es lauern überall Gefahren, Krankheit, Unfall, Tod. Dennoch verrate ich wohl nicht zuviel, wenn ich sage, dass es schließlich ein gutes Ende nimmt...
Sehr beeindruckt war ich von der Darstellung der Chinesen dieser Ära. Man denkt eigentlich immer an die Bahnarbeitersklaven oder die Waschladen-Chinesen aus Chinatown. Doch hier werden sie viel facettenreicher und menschlicher dargestellt als mancherfilms die Indianer. Allein wie der alte Chinese seine Geschichte am Lagerfeuer erzählt - und dass die Cowboys ihn überhaupt als Gleichberechtigten dort aufnehmen - gibt dem Film einen angenehmen Tenor, dass nicht alle Weißen rassistisch, nicht alle Chinesen unterwürfig sind. Ein spannender, befriedigender und realistischer Western mit tollen Aufnahmen, hervorragenden Darstellern und ungewöhnlicher Story, der einem auch noch das Geheimnis der "therapeutischen Papiertücher" erklärt. Sehr gelungen.
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