Review
von Leimbacher-Mario
Die Geister, die ich verschlief
Diesen bulgarisch-britisch-spanischen (!) Alptraum nicht als dezenten Geheimtipp zu betiteln, könnte ich mir nicht verzeihen. „The Abandoned“ ist eine Geisterbahn deluxe - über Zeit, Schicksal und Schmerz. Ein nuancierter Schauer jagt hier den nächsten, wenn man sich denn auf das etwas wirr wirkende Werk einlässt. Denn das Ding hat definitiv seine Kanten und Wirrungen, ist nicht jedem zugänglich... es geht um eine Amerikanerin, die ein altes, verlassenes Haus in Russland erbt und dort vielleicht etwas über ihre Vergangenheit herausfinden könnte... würden die mysteriösen Erscheinungen, Doppelgänger und Geister sie nicht in den Wahnsinn treiben!
„The Abandoned“ greift das Doppelgänger-Topic auf und schnell wird man feststellen, dass sich von Jordan Peele mit seinem kommenden „Us“ über Villeneuves „Enemy“ bis hin zu „Lake Mungo“ einige große Namen von dieser spanischen Spannungsschraube haben inspirieren lassen. Vielleicht könnte man ihn sogar mit zu den Begründern der noch immer anhaltenden spanischen Gruselwelle zählen. Der Geisterschocker hat eine tief verunsichernde und instinktive Atmosphäre voller Angst und Faulheit, ohne dabei zu billig oder explizit zu werden. Blumhouse in edel könnte man gemein sagen. Das Spiel mit den Zeitebenen, den toten Doppelgängern und dem unentrinnbaren Schicksal geht weitestgehend auf. Anastasia Hille hat einen großen Beitrag daran und spielt weit über dem Niveau, das die meisten erwarten würden. Zudem ist die Soundkulisse beängstigend und mindestens eine Szene wird man nicht allzu schnell vergessen. Zu lange nachdenken sollte man über die Verwurstelung allerdings nicht, dann verliert er Wirkung und dunkle Magie. Und trotz einiger Kniffe und WTF?!-Momente, geht er etwas enttäuschend genau so aus, wie man es sich von Anfang an gedacht hat.
Fazit: der Tod kommt auf leisen Sohlen und sieht dir sehr ähnlich. Pule nicht zu tief in deiner Vergangenheit, sonst könnte sie dir übel aufstoßen... „The Abandoned“ ist atmosphärisch ein Meisterwerk, hier trifft spanische Spannung auf russische Kälte. Gewürzt mit etwas Mindfuck. Feiner Gänsehautkitzler!