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Vor über 40 Jahren wurde Marie Jones als kleines Baby in ihrer Heimat Russland von einer britischen Familie adoptiert. Mittlerweile lebt sie in den USA, hat selbst eine Tochter im Teenager-Alter. Als Marie von einem russischen Anwalt mitgeteilt bekommt, dass sie das Haus ihrer verstorbenen leiblichen Mutter geerbt hat, kehrt sie an den Ort ihrer Geburt zurück. Das heruntergekommene Anwesen liegt abgelegen mitten im Sumpf, nur mit Hilfe des schroffen einheimischen Führers Anatoliy findet sie überhaupt den Weg dorthin. Doch dann ist Anatoliy plötzlich verschwunden. Marie durchstöbert allein das alte Gemäuer und trifft schon in der ersten Nacht auf ein unheimliches Wesen - ein endloser Alptraum beginnt...


Der spanische Regisseur Nacho Cerda war bisher eigentlich eher für seine teils beeindruckenden Kurzfilme wie zum Beispiel "Aftermath" bekannt, doch was hier unter seiner regie entstanden ist, kann man wohl ohne Übertreibung als hervorragend bezeichnen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Horrorfilme hauptsächlich durch ihren Härtegrad beeindrucken sollen, ist es eine mehr als willkommene Abwechslung, wenn man einmal einen erfrischenden Gruselfilm zu sehen bekommt, der diese Bezeichnung auch wirklich verdient. Und genau das bekommt man mit "The Abandoned" zu sehen, einen sehr intensiven Grusel-Schocker, der eine Geschichte erzählt, die einem zu Beginn eventuell etwas verwirrend vorkommt, aber mit zunehmender Laufzeit immer mehr Klarheit einbringt, so das am Ende des Films keinerlei Fragen zurückbleiben. Doch es ist längst nicht nur die gut durchdachte Story, die hier einen bleibenden Eindruck beim Zuschauer hinterlässt, es ist das Gesamtpaket, das für einen extrem intensiven und schaurigen Filmgenuss sorgt.

Cerda hat es hier nahezu perfekt verstanden, mit den einfachsten Mitteln den maximalen Horror entstehen zu lassen, was allein schon mit der perfekten Auswahl der Schauplätze beginnt. Denn fast das gesamte Geschehen spielt sich in dem baufälligen Elternhaus von Marie ab, das nur durch die Optik dafür sorgt, das sich beim Betrachter eine Gänsehaut einstellt, die sich über den gesamten Körper verteilt. Die sich hier entfaltende Atmosphäre ist so gruselig und intensiv, das sie einen ganz unweigerlich in ihren Bann zieht. Es entsteht der Eindruck, das man sich selbst in diesem unheimlich wirkenden Gemäuer befindet und so fast zwangsläufig selbst zu einem Teil der Geschichte wird. Fast ist es so, als wenn man mit dem Geschehen verschmelzen würde und jede einzelne Einstellung am eigenen Körper miterlebt. Es ist ganz einfach nicht möglich, sich der Faszination, die von diesem Film ausgeht zu entziehen, vielmehr saugt man die hervorragende Atmosphäre und jedes noch so kleine Detail wie ein Schwamm in sich auf und fiebert der Lösung der mysteriösen Geschichte entgegen.

Zwar kann man nach gut der Hälfte des Films erahnen, auf was das Ganze hinausläuft, doch wer jetzt denkt, das die Spannung darunter leiden würde, der sieht sich schnell eines Besseren belehrt. In anderen Filmen dieser Art wäre jetzt höchstwarscheinlich die Luft raus und der Spannungsbogen würde gnadenlos in sich zusammenfallen, aber hier geschieht eher das Gegenteil, denn Cerda ist es gelungen, die Spannungsschraube trotzdem noch weiter festzuziehen. So erlahmt die Aufmerksamkeit des Zuschauers in keinster Weise, die Faszination bleibt bestehen und man verliert zu keiner Zeit das Gefühl, ein Teil des Geschehens zu sein. Hinzu kommt die Tatsache, das immer wieder eingefügte Schockmomente, die wohldosiert über den gesamten Film verteilt sind, immer wieder für zusätzliche Spannungsmomente sorgen und einem phasenweise die Haare zu Berge stehen lassen.

Ein weiteres großes Plus sind die hervorragenden Darsteller, die durch ihr authentisches und ausdrucksstarkes Schauspiel dafür Sorge tragen, das man hier mit einem wirklich excellenten Filmerlebnis konfrontiert wird, das man als Liebhaber von qualitativ hochwertigen Gruselfilmen nicht so schnell vergisst, insbesondere Anastasia Hille in der Rolle der Marie tut sich hier ganz besonders hervor. Es gibt keinerlei Theatralik, alles hinterlässt einen mehr als nur überzeugenden und glaubwürdigen Eindruck. Selten habe ich in den letzten Jahren einen Gruselfilm gesehen, der es so hervorragend versteht, einen in seinen bann zu ziehen und dabei ein so hohes Maß an Intensität entwickelt, das man ihn körperlich miterlebt. Das merkt man vor allem nach dem Ende, wenn einem so richtig bewust wird, wie geschlaucht und mitgenommen man sich eigentlich fühlt, denn während der Ansicht dieses faszinierenden Szenarios wird einem das gar nicht einmal richtig bewust, da man zu sehr in das Geschehen involviert ist.


Fazit:


"The Abandoned - Die Verlassenen" ist ein Paradebeispiel dafür, das man selbst mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln einen Gruselfilm produzieren kann, der von der ersten bis zur letzten Minute absolut fasziniert und schaurig-unheimliche Unterhaltung bietet. Fans dieser Filme dürften begeistert sein und voll auf ihre Kosten kommen.


9/10

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