Geht’s um Geister in der Nacht, muß man schon seit einigen Jahren auf der iberischen Halbinsel anrufen, die haben meistens immer noch eine gute Idee, die noch nicht aus der Konfektionskiste gegrabbelt wurde.
„The Abandoned“ muß man allerdings erstmal anhand der Produktionsdaten in Spanien einordnen, denn der Film wirkt wie eine russische Produktion, da er nicht zuletzt dort auch spielt (auch wenn Bulgarien herhalten mußte).
Aber wie dem auch sei: Nacho Cerda, der durch seine findigen Kurzfilme bekannt wurde, sondert hier ein Filmchen ab, das man nicht so schnell irgendwo ablegen kann und das liegt vorzugsweise an der beachtlich düsteren Atmosphäre, die hier aus jeder Pore tropft.
Im Zentrum geht’s um ein ehemaliges russisches Adoptivkind, das nach 40 Jahren auf der Suche nach Familienwurzeln und lieb Mütterlein den heimischen Gutshof erst erbt und dann besuchen geht, auch wenn der sich am Anus der Welt befindet (und Rußland hat verdammt große Backen). In der Einöde muß man sich von einem wortkargen Anatolj abholen lassen und landet schließlich als Nichtschwimmerin auf einer Bruchfarm mitten auf einer Insel im großen Strom – das kann nur übel enden.
Cerda wirft den Zuschauer mitsamt seiner Hauptfigur ins kalte Wasser, düster dröhnt von Szene 1 an der Lastwagen im Hintergrund, es rumpelt und kracht, die Musik dräut vor sich hin, in den Wolken grummelts und die Steppenrussen sind so vertrauenswürdig, visuell gesehen, daß man lieber gleich nach Ibiza umkehren möchte. Prompt gibt’s natürlich böse Träume und spätestens ab dem Nichtschwimmergeständnis ahnt man die Reise ohne Wiederkehr, gibt sich Marie Jones (auaua) doch auch ziemlich wortkarg, spröde, lebensenttäuscht und grantig.
Und kaum steigt man aus dem Lastwagen beginnt die Reise in die Finsternis, da irrt man mit Marie durch ein riesiges, finsteres, zerfallenes Haus voll von 40jährigem Zerfall und keine zwei Minuten später steht man vor der ersten Leiche, die frapant wie Marie selbst aussieht. Da macht auch bald die Einkehr des angeblichen Zwillingsbruders Nicolai (Karel Roden als wahrhaft solide Bank!) kaum wirklich Laune, denn die Geistererscheinungen häufen sich und dann ist plötzlich die Rede davon, daß es schon lange keine Brücke auf die Insel mehr gibt und weg kommt man auch schon lange nicht mehr.
„Abandoned“ lebt und atmet die unwirkliche Atmosphäre der totalen Ausweglosigkeit und hängt sich nur formell ein Kleidchen um, die Umstände des Aufenthalts zu verschleiern. Im Gegenteil: tatsächlich wird man schon nach gut 30 Minuten ausdrücklich auf das Finale hingewiesen, das dann auch tatsächlich so kommt – und es ist die größte Schwäche des Films, das er nur ein paar Haken schlägt, um die Laufzeit voll zu bekommen, anstatt eine echte Wendung zu bieten.
Bis dahin ists aber wirklich gruselig, was geboten wird, wenn es die meiste Zeit nicht immer so finster wie im Bärenarsch wäre, doch ein paar schöne Schockbilder gibt dennoch (sogar etwas Gemantsche), doch das Unausweichliche nimmt das größte Gewicht hier ein. So treffen sich die „Mächte des Wahnsinns“ im „Landhaus der toten Seelen“, aber immer so, daß niemand von profanem Klau sprechen kann.
Allerdings schwanken die Figuren unausgewogen zwischen totaler Hysterie und Resignation und besonders Anastasia Hille in der Titelrolle ist ziemlich unsympathisch und geht recht schnell auf den Keks.
Trotzdem eine schöne Fingerübung ins Sachen filmischer Finsternis, bedrückend und gruselig über den Großteil der Distanz, doch leider in den zu früh erkennbaren konzentrischen Dramaturgiekreisen eiernd. (7/10)