Review

Manchmal ergibt sich die Quintessenz eines „Mindfuck“ – Streifens erst im Nachhinein, wenn man damit beschäftigt ist, alle Fakten auf Sinn und Logik abzuklopfen.
Hätte sich der spanische Regisseur Cerda nicht so mit Erfolg um eine dichte Atmosphäre bemüht, würde gar nicht auffallen, wie unrund einige Aspekte am Ende erscheinen.
Und das bezieht sich nicht nur auf die Frage, warum jemand Wildschweine im Stall hält.

Von daher kann man sich als Gruselfreund in dem von ihm erschaffenem Ambiente rundum wohl fühlen: Ein heruntergekommenes Landhaus auf einer waldigen Insel im russischen Nirgendwo. Hierher verschlägt es Marie Jones, die vor rund 40 Jahren in dieser Einöde geboren, doch adoptiert wurde und nun in Amerika lebt. Um etwas über das Schicksal ihrer leiblichen Eltern herauszufinden betritt sie ihr Elternhaus und muss rasch feststellen, dass sie nicht allein ist.

Durchaus ein kleines Stimmungsfest für Freunde altmodischen Gruselns. Endlich mal keine langhaarigen Geisterkinder und auch die huschenden Schatten halten sich in Grenzen.
Mit gemäßigtem Erzähltempo lässt Cerda vor allem die Kulisse wirken, die ländlichen Bauernhäuser in der russischen Einöde, eine alte Holzbrücke und die Weiten der dichten Wälder, die in der Tat etwas rundum Verlassenes widerspiegeln.
Bereits während der Ankunft Maries greift ihre isolierte Situation auf den Betrachter über, wozu die wenig gastfreundlichen, nur russisch sprechenden Einheimischen enorm beitragen.

Etwas sperrig und zugleich distanziert wird dann erzählt, wer der ominöse Nicolai ist, der sich als Maries Zwillingsbruder ausgibt, wie die beiden ihre Widergänger treffen, die sie auf ein bestimmtes Schicksal hinweisen wollen und was es denn nun mit den bereits verstorbenen Eltern auf sich hat.
Dabei fällt es im Verlauf nicht leicht, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden und auch diverse Zeitsprünge erschweren mitunter einen verständlichen Kontext.
Gegen Ende ergibt sich daraus ein recht surreales Gemisch aus Versatzstücken diverser Genrevertreter wie „The Others“, „Shining“, aber auch „Haus der Verdammnis“.

Zwar fällt die Pointe in sich schlüssig aus, doch einige Aspekte bleiben im Nebulösen.
Warum die „dunkle Macht“ erst nach rund 40 Jahren zuschlägt, ist dabei ebenso wenig schlüssig, wie worauf diese überhaupt basiert und warum die Widerkehrer bei den lebenden Personen dieselben Verletzungen auslösen, obgleich das nicht mit ihrer eigentlichen Aufgabe konform geht. Auch ein nackter „Engel“ (warum überhaupt nackt?) erfüllt dabei eine recht dubiose Mission.
Im Zusammenhang von „Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen“ und „Der Kreislauf wird geschlossen werden“ fallen einige unlogische Details auf, auch wenn man dem Script insgesamt ein gut durchdachtes Konzept zugestehen muss.

Und im Gesamtbild überwiegt dann doch die düster isolierte Stimmung, die durch eine hervorragend versierte Kameraarbeit, ordentlich getimte Schnitte und ausgesprochen zurückhaltender, aber ebenso effektiver Sounduntermalung gekonnt eingefangen wird.
Ob da nun ein unterirdischer mit Wasser gefüllter Tunnel im Licht einer Taschenlampe erstrahlt oder einfach nur ein Kleinlaster durch die Einöde rattert, - handwerklich ist bei alledem ein Talent für markante Szenen erkennbar.

Somit setzt „Abandoned“ gekonnt auf Atmosphäre, bringt immerhin noch zwei Gewaltszenen (Entfernen einer Gewehrkugel und Fressen der Wildschweine) unter, doch verspielt einige Sympathien innerhalb der etwas zu überladenen Twist-Handlung.
Zumindest aber eine willkommene Abwechslung für Genrefans, die nicht länger auf die x-te Kopie von „Grudge“ und Co zurückgreifen mögen und sich gerne in selten gewordene Old-School-Horrorstimmung begeben.
7 von 10

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