Wie auch bei The Myth war bei der Neuankündigung des nächsten Jackie Chan Filmes das Geschreie erst einmal gross. Was anfangs als begrüsste Zusammenführung des 80er Traumtriumvirats Jackie Chan, Sammo Hung und Yuen Biao durch die Medien geisterte, wandelte sich schnell in Schelte um, als Genaueres über den damalig noch Project BB Betitelten und damit der Plot bekannt wurde: Streitpunkt und Kriegsgrund gleichermassen ist die Rückführung in die von Vielen am liebsten vergessene Ära der Baby Boomer und eingeschlossen der entsprechenden Filme: Der französische Drei Männer und ein Baby [ 1985 ] gab den Startschuss und wurde mit dem gleichnamigen amerikanischen 87er Remake - einen Riesenhit nebst anschliessender Fortsetzung Drei Männer und eine kleine Lady [ 1990 ] - erfolgreich im Staffellauf übergeben. Dazwischen liegen pure Gegenwartskomödien wie Baby Boom [ 1987 ] und Kuck mal, wer da spricht [ 1989 ] und seine anschliessenden Variationen oder auch Kindergarten Cop [ 1990 ].
Was man damals mit grossem finanziellen Segen vollbrachte, kann natürlich heutzutage auch gelingen; dachte man sich. Nichts ist für die Allgemeinheit süsser und bringt die Herzen und Augen [und Brieftaschen] mehr zum glühen als ein kleines menschliches, unschuldiges Wesen. Das Konzept wäre nur noch sicherer, wenn man noch schnucklig - entzückende Tiere mit in der Handlung hätte.
Die Frage vieler Wissbegieriger und gleichzeitig der Konsumgegner lautet also nicht "Wieviel Action hat der Film ?", sondern "Wieviel Baby ist im Film ?".
Die Antwort ist leider "Viel Baby". Und "durchgängig Baby"; der Winzling als personifizierter Heckpfenning für stagnierende Karrieren. Ab Minute 4 der mit 2h 10min doch eher langen Laufzeit ist das Wunder der Geburt das erste Mal im Bild und nimmt seinen zentralen Platz inmitten der pfaunhaften Aufmerksamkeit ein.
Die Bösen tragen schwarz. Aber die Guten nicht weiss, sondern pink. Und man kämpft letztlich für eine konservative Bekräftigung eines glücklichen Weltverhältnisses.
Natürlich ist das nichts für die beinharte Gefolgschaft, die ihrem mittlerweile doch deutlich gealterten Idol in den letzten Jahren schon viel verziehen haben. Von einer Reunion der drei "Brüder" ist auch nur wenig mehr über; Sammo Hung ist gleich gar nicht im Projekt verwickelt und Yuen Biao hat eine bessere Nebenrolle, die natürlich trotzdem mit offenen Armen in Empfang genommen wird.
Ersetzt wurde das freigewordene Trio auf dem Posten des Aktiveren Parts mit Louis Koo, der sich die letzten Jahre zwar noch nicht ganz zum leading Man gemausert hat; aber mit neuer, fescher Frisur und weit lockerer Art aus der B - Schiene herauskam und sich in Verbindung mit anderen florierenden Darstellern langsam, aber stetig als relativ sichere Bank für semi stardom empfiehlt. Ausserdem hat er seit dem unsäglichen Mighty Baby Erfahrung mit dem szenisch sichtbar künstlichen Setting.
Besetzung # 3 sollte wahrscheinlich ein Clou werden, aber ging vollständig daneben: Die Zeiten von Michael Hui, der in den 70ern für eine steigende Reihe Box Office Rekorden sorgte, aber in den langen letzten Jahre komplett absent war, sind mittlerweile vorbei. Hui hat hier nichts zu tun und ist in seiner Unsympathie das Störelement der Dreiheit. Seine Figur kann nicht in differenzierter Selbstdarstellung verfallen und damit auch nicht zum mitfühlenden Verständnis des Zuschauers aufschliessen.
Deswegen trennt ihn auch das Skript schnell von den beiden Charmebolzen:
Als professionelle Einbrecher und Diebe haben sie haben für die fürstliche Entlohnung von 7 Millionen Dollar das Neugeborene der Tycoontochter Mani [ Cherrie Ying ] gestohlen. Ein Triadenboss [ Chen Baoguo ] will an dem sechs Monate alten Kleinen einen DNA Test durchführen, um festzustellen, ob sein verstorbener Sohn der leibliche Vater ist oder nicht. Bei der Überbringung gerät man in eine Fahrzeugkontrolle und bei dem Trubel auch in einen Unfall; während Landlord [ Hui ] verletzt liegenbleibt und für zwei Wochen ins Gefängnis kommt, müssen Thongs [ Chan ] und Octopus [ Koo ] Kinderfräulein für den Säugling spielen.
Daraus ergibt sich nun der Witz. Man[n] ist überfordert mit dem GuckindieWelt und macht erst alles falsch, um es dann umso lieber zu gewinnen. Baby an männlicher Brust. Baby in Waschmaschine. Baby im Kühlschrank. Baby am Staubsauger. Baby im Bus vergessen.
Altbewährt, zieht auch nicht mehr. Auch nicht, je beharrlicher man es wiederholt.
Sowieso ist das Werk kein Brüller vor dem Herrn. Hier regiert der milde Witz. Das sanfte Lächeln. Nicht so sehr aufgrund der Albernheiten, die wahrscheinlich schon zwanzig Jahre zuvor das Prädigkeit "nett, aber altmodisch" bekommen hätten. Sondern weil die Chemie zwischen Chan und Koo soweit stimmt, weil die Cameos zahlreich und eigentlich willkommen sind [ u.a. Terence Yin, Andrew Lin, Nicholas Tse, Daniel Wu ] und weil Regisseur Benny Chan das Metier zwar sicherlich nicht schmeckt, er aber seinen Job trotzdem anständig zu machen versucht. Die gegebenen Mittel und das Ziel immer im Blickfeld behaltend; dennoch beileibe kein Meisterwerk, und auch nicht so wirklich ein Werk des Meisters. Nur das was davon übrigblieb.
Chan hatte es als Filmemacher in jüngster Zeit ebenso schwer mit seinen Arbeiten wie sein Namensvetter; seinen anstrebend düsteren Heroic Duo und Divergence war nicht die Begeisterung beschienen, die sie verdient hätten. Folglich gehen beide hier auf Nummer Sicher, spulen alle bewährten Formeln auf einmal ab und füttern damit eine grosse Unterhaltungsmaschine mit gewichtigem Szenenbild. Wenn diese läuft, dann läuft sie auch richtig; zwar nur in Details und kleineren, aber dafür umso stimmigeren Szenen. Klassisch sind dabei vor allem zwei verhängnisvolle Aufeinandertreffen: Nach der Entführung und der Flucht direkt in die Polizeisperre. Und ein ebenso unfreiwilliges Zusammenspiel zwischen zwei Kredithaien, den Triadenschergen, einem schlagkräftigen Cop [ Yuen Biao ] und den Entführern in ihrer eigenen Wohnung. Als sich kurz darauf noch eine verrückt grossflächige Autoaction auf vollbesetzter Strasse anschliesst, ist für einen flüchtigen Moment alles in Ordnung im beiderseitig Chanschen Filmland.
Darüberhinaus fällt das Urteil aber weniger erschwinglich aus. Neben dem Blendwerk des Infantilismus wirkt man noch dazu bieder, fadenscheinig, gewohnheitsmässig und verdriessst mit einer zutiefst harmonischen, alles in Einklang bringenden Botschaft, die sich einen frömmelnden, süsslich klebrigen Einheitsbrei erkocht.
Hier ist die Gesellschaft schon wieder so weit emanzipiert, dass man sich einzig über die Stammhalter definiert. Es geht nur darum und nur in Verbindung damit ist man wer und vor allem Jemand Besseres als ohne.
Alle Beziehungen drehen sich zumindest im extended cut um dies eine Subjekt der wertenden Zuordnung und moralischen Sensibilität. Sei es Thongs mit seinem alten Herren, Octopus mit seiner schwangeren Frau Yan [ Charlene Choi ] oder Landlord mit seiner Madam, die vor Ewigkeiten mal ein Kind verloren hat und seitdem mit einer Puppe auf dem Arm durch die Gegend wuselt. Family Business.
Dementsprechend kurz vorm Showdown auch verstärkt die Anpeilung hin zu einem Drama, um die Emotionen aller Beteiligter nebst der des Zuschauers natürlich noch einmal so zu erwärmen, dass man die letzter Meter in die Kühl- und Grabkammer des Bad Guys auch noch folgt. Auch wenn man da schon nicht mehr weiss, ob man demnächst an Überzuckerung erstickt, man sich wegen der Kindereien schlecht fühlt oder doch die Kopfschmerzen aufgrund der bunten Hektik gewinnen.
Zwar wird hier final doch noch einiges an Martial Arts hervorgeholt, aber allesamt aus der Spielzeugkiste gegriffen. Schlimm, dem Kind im Manne in dieser torquierenden Deutlichkeit beiwohnen zu müssen.
Ausserdem wirkt man in seiner Anbiederung verlogen.Natürlich sind die drei Gauner eigentlich rein im Herzen; sie haben auch alle triftigen Grund, sich überhaupt des Objektes der Begierde bemächtigt zu haben. Am Ende werden sie standesrechtlich erschossen; aber nur zum Schein und als demonstrierende Abschreckung für andere Kriminelle, ja nicht weiter vom Wege abzukommen und den Pfad der Tugend wiederzufinden. Wer nicht spurt, bekommt weiter die volle Windel ins Gesicht.
Todsicher ist nur eines: Sollte man sich bei der nächsten Programmankündigung wieder schon Monate im voraus das Maul zerreissen, dass doch gar nichts Gescheites dabei herumkommen kann, letztlich ist man dann doch dabei. Sei es nur, um die eigene Form der Wahrheit für sich selber herauszufinden.
Sei es, weil Einem ganz einfach die Zeile "Jackie Chan Film" eben immer noch derartig in Bann zieht und fasziniert, dass man gar nicht anders kann, als sich auf die Sichtung neugierig zu freuen. Aller Unkenrufe zum Trotz. Auch wenn man hierbei leider Gottes Recht hatte und dieses kasperartige Trauerspiel letzten Endes wirklich ganz einfach nicht sehen wollte.