Um dem Film nicht unnötig unrecht zu tun, habe ich mir die Mühe gemacht, ihn in einzelne Kriterien aufzuschlüsseln. Das Ergebnis möchte ich der Kritik voranstellen - damit jeder, der sich unbedingt die Mühe machen will, eine neue Rechnung nach seinen eigenen Prioritäten aufstellen kann:
Drehbuch/Dialoge 0/10 (3-fach gewichtet)
Inhalt/Grundidee 5/10
Schauspielleistung 4/10
Bild 7/10
Musik/Ton 4/10 (2-fach gewichtet)
Kohärenz/Logik 6/10
Vor-/Abspann 10/10
Synchronisation 2/10
Originalität 2/10
Maske 9/10 (1-fach gewichtet)
Gesamt 4/10
Mir ist klar, dass manche Zuschauer bei einem Film dieses Genres die Qualität der Dialoge für zweitrangig halten, aber ich bin der Meinung, dass auch der letzte Heldenschinken nicht zu einer zweistündigen Fremdschäm-Orgie ausarten darf. Genau dies ist "300" aber angesichts des unfassbar dämlichen Drehbuchs. So viel Bier kann ich gar nicht saufen, um mir bei diversen Passagen nicht die Hände vors Gesicht zu schlagen! Allein die Beiträge des Erzählers sind irgendwo auf dem Niveau von Cowboyspielen pubertierender Jugendlicher angesiedelt und alles in allem kaum zu ertragen. Man erhält den Eindruck, als seinen die Textzeilen irgendwo zwischen der Hantelbank und der Beinpresse entstanden.
Dabei hätte man aus diesem Stoff durchaus etwas machen können. Auf den Aspekt der Comic-Verfilmung möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen; dieser muss in den letzten Jahren scheinbar zur Legitimierung eines jeden cineastischen Fehlgriffs als "Kunstform" herhalten. (Ausnahme: Sin City) Aber die Grundidee, dass wenige Entschlossene den Zauderern ein Beispiel für freiheitliches Handeln geben, könnte auch ideologisch einwandfrei inszeniert werden. Womit wir bei der am meisten umstrittenen Frage wären, der nach der Blut-und-Ehre-Ideologie. Ich kann jeden Kommentar nachvollziehen, der das Wertesystem der "Spartiaden" ablehnt; auch der vielfach bemühte Vergleich mit Propagandafilmen à la Riefenstahl ist sicher nicht ungerechtfertigt. Allerdings halte ich den Film insofern für relativ unproblematisch, als sein "Identifikationsangebot" zu gering ist. Im Gegensatz zu wirklich jugendgefährdenden Filmen (an erster Stelle "Der Blutige Pfad Gottes", 96 Hours") wird einem die Ideologie nicht hinterhältig untergeschoben, sondern sie bleibt für nahezu jeden Zuschauer als fremdartig erkennbar; eine Übertragung auf den Alltag ist wohl eher ausgeschlossen. Ich persönlich empfinde die vielsagend herausgekrächzten Kommentare des Erzählers zu Ephialtes und den Ephoren nur als hochgradig lächerlich. Anscheinend hat der Drehbuchautor ein irgendwie geartetes Inzucht-Trauma...
Die Handlung ist in einem Satz ausreichend zusammengefasst: 300 Mann - nach alternativer Zählweise 1800 Bauchmuskeln - ziehen in den sicheren Untergang, häufen einen Berg Leichen auf und werden durch einen Verrat schließlich doch zu Märtyrern. Diese "Handlung" bezeichen manche Kritiker als "bildgewaltiges Epos", und bildgewaltig ist "300" wirklich, aber warum um alles in der Welt ein Epos?! Weil es einen Erzähler gibt? Ich habe Reportagen auf arte gesehen, die im Prinzip identisch konzipiert waren: Eine hypnotische Hintergrundmusik, viele Zeitlupen, und dazu eine verschwörerisch-eindringliche Erzählerstimme. Das ist nicht episch, sondern einfallslos!
Der Spannungsbogen kann diesen Mangel nicht kompensieren, denn es gibt keinen Spannungsbogen. Es wird gemetztelt, bis nichts mehr zu Metzeln da ist, und Abspann! Ephialtes' Absicht ist dabei so durchsichtig wie Kristallglas. Darüber hinaus zählt er zu einer Reihe von Elementen, die unoriginell aus "Herr der Ringe" abgekupfert sind, nur sehr viel schlechter: Ephialtes ist unverkennbar Gollum nachempfunden, Theron ist ein schlechter Abklatsch des Intriganten Grima. Die Riesennashörner und Elefanten hätte man sich getrost sparen können, auch wenn sie im Erzählerkommentar als "groteskes Schauspiel, ausgespien aus dem finstersten Winkel von Xerxes Reich!" *würg* angepriesen werden. Die Computeranimationen sind zwar generell gelungen, bieten andererseits aber auch nichts nie Dagewesenes. Nach heutigen Maßstäben solide gemacht, mehr nicht. An die Atmosphäre von "Herr der Ringe" reichen die Schauplätze nicht ansatzweise heran.
Die Schauspielleistungen könnte man eventuell besser bewerten, aber da es für die Darsteller nicht viel zu leisten gibt, sehe ich keinen Grund dafür. Grimmig dreinschauen kann jeder, zumal wenn man dabei mühsam den eingeölten Sixpack angespannt halten muss.
Kommen wir zu den positiven Aspekten. Da wäre an erster Stelle die Maske zu nennen. Manche stören sich zwar an der "Drag Queen" Xerxes, aber gerade diese Figur finde ich optisch gelungen. Die femininen Züge könnte man als Ausdruck seiner dezidiert erwähnten Hybris (i.e. Hochmut/Eitelkeit) werten, im Verbund mit seiner Stimme kommt seine Erscheinung wirkungsvoll zur Geltung. Auch an der Ausstattung der übrigen Figuren gibt es nichts auszusetzen.
Der Abspann ist nicht nur die Erlösung von der Qual, sondern zugleich das Beste am Film. Brillant gemacht! Und die einzige Stelle, wo das Comic-Erbe des Films wirklich eine Bedeutung erhält. An einzelnen Stellen wird das zwar auch während des Films erkennbar, speziell an den Pfeilen, die den Himmel verdunkeln, aber die Bilder transportieren für meine Begriffe keine Aussage.
Fazit: Eine peinliche Männerphantasie, am besten ohne die Freundin zu genießen.