Review

Frank Miller's 300 spaltet die Welt der Filmfreunde. Die einen sehen in ihm einen tollen Actionfilm, der neue Maßstäbe setzt und blendent unterhält. Die anderen verteufeln ihn als Machwerk mit homophoben, faschistischen und politischen Botschaften.

Die Welt ist jedoch nicht Schwarz oder Weiß einzuteilen und so trifft auch auf diesen Film weder das eine noch das andere zu. Um den Film zu bewerten, kommt man nicht umhin sich mit Millers Werk, der Graphic Novelle 300 zu befassen. Miller wollte eine Geschichte aus dem subjektiven Blickwinkel des Helden erzählen. Er wählte dazu die historisch überlieferte Geschichte des Spartaner Königs Leonidas, der sich mit einem kleinen Herr der Übermacht des exentrischen Perserkönigs Xerxes bei den Thermopylen, einem Pass zwischen Meer und dem Kallidromos-Gebirge in Griechenland, stellt. Die Schlacht wurde letztendlich durch eine taktische Fehleinschätzung Leonidas von den Spartanern verloren.

Miller erzählt die Geschichte in seiner Graphic Novelle tatsächlich mit dem Selbstverständnis dieses spartanischen Geistes. Einem Volk, daß sich selbst anderen Völkern überlegen fühlte, einer Gesellschaft an der der Schwache nicht teilhaben konnte. In epischen Bildern zeichnet er den Weg Leonidas und seines Heeres, ohne Selbstzweifel, bis zum letzten Mann von sich überzeugt. Sieg oder Tod. Natürlich ist dies schon Fantasy, denn Miller hält sich mehr an die griechische Heldensage, als an die historischen Fakten der tatsächlichen Ereignisse. Die Geschichte endet mit dem Tod Leonidas.

Im Zuge des Erfolges von Rodruigez Sin City, der Millers Werk schlagartig dem Mainstream zugänglich machte, entschloß sich Zack Snyder Millers imposanten Bilderband auf die Kinoleinwand zu bringen. Miller läßt jedoch seit der Verstümmelung seines Robocop keine seiner Geschichten mehr verfilmen, ohne daß er maßgeblich Einfluß auf den Film selber hat. So zeichnet sich Miller selbst bei diesem Film, wie schon bei Sin City, für große Teile der Grafiken verantwortlich.

Das visuelle Ergebnis ist beeindruckend. Es ist nicht übertrieben zu behaupten Snyder und Miller sei hier eine 1:1 Kopie der Graphic Novelle gelungen. Selbst die Dialoge scheinen direkt übernommen worden zu sein. Ein einziges Schlachtengemälde, durch allerlei Weichzeichner und Farbfilter erschaffen Snyder und seine Tricktechniker die surreale Welt Millers Vorlage. In den Kampfszenen, die mal in Zeitraffer, mal in Zeitlupe dargestellt und mit Rockmusik unterlegt werden, entwickelt sich ein regelrechter Rausch. Anders als in den blutleeren Schlachten um Mittelerde, Narnia und Co, spritzt Blut, werden Körperteile abgetrennt, finden die Kämpfe auf einem Teppich von Leichen statt. Düstere Bilder. Jedoch jederzeit als das zu erkennen, was sie sind. Fiktion. Anders als etwa Scorseses Schlacht zu Anfang von Gangs of New York, die doch mit ihrem Realismus eine ganz andere Wirkung auf den Zuschauer hatte.

Leider kann der Film letzten Endes nicht richtig überzeugen. Denn seine Stärke, die eben von mir beschriebenen Kämpfe, sind auch sein größtes Manko. Er hat nämlich nicht vielmehr zu bieten, weil schon die Vorlage lediglich von dieser Schlacht erzählt. Das wußte auch Snyder und so versuchte man noch einen Nebenplot einzubauen. Doch erreicht Snyder durch eben diesen Komplott in Sparta nur, daß die Story, die vielleicht für einen guten 80 Minüter gereicht hätte, gehörig verwässert wird. Er untergräbt damit Millers eigentlich gewollte Subjektivität der Geschichte, in dem er durch den Nebenstrang den Ort des Geschehens immer wieder verläßt und die Story von einer anderen Seite beleuchtet. Das schadet dem Film und macht ihn vor allem für die Kritiker angreifbar. Snyder muß sich nicht wundern, wenn seinem Werk faschistoides Gedankengut vorgeworfen wird, erzählt er doch plötzlich die Geschichte eines Volkes, anstatt eines Helden. Auch wenn dies nicht seine Absicht war. Mit einem Mal lesen die Kritiker alles Mögliche zwischen den Zeilen des Filmes. Die Perser sind natürlich Iraner, die Darstellung Xerxes ist homophob. Die Optik bei Leni Riefenstahl geklaut.

Doch Snyder macht noch einen entscheidenen Fehler, der den Film in ein gänzlich anderes Fahrwasser steuert, als Millers Geschichte. Die Graphic Novelle endet mit dem Tod Leonidas auf dem Schlachtfeld. Das Scheitern Leonidas wird dadurch als Schlußpunkt der Geschichte gesetzt. Miller stellt den Hochmut, die Versessenheit Leonidas in Frage. Die Geschichte erfährt einen kritischen Ansatz, was hat der Tod so vieler Menschen letztendlich gebracht? Xerxes hat ihm doch angeboten, sein Leben und das seiner Soldaten zu verschonen. Warum ist er nicht darauf eingegangen, die Schlacht war doch schon verloren, bevor sie überhaupt begann. Dies kann man schon als Statement gegen den Krieg verstehen, gegen Hochmut und allem was dem Film letztendlich von der Kritik angelastet wird.

Anders der Film, auch hier wird der Tod Leonidas opulent in Szene gesetzt, doch ist dies nicht das Ende, in der darauf folgenden Szene sehen wir das griechische Heer los maschieren. Der kritische Ansatz ist plötzlich weg. Puff. Wir haben durch diese kleine Abänderung eine gänzlich andere Geschichte. Leonidas ist nicht gescheitert, sein Tod hat die Griechen dazu gebracht sich gegen die Perser zu verteidigen. Eine zumindest in Europa befremdende Aussage.

Details