Review

"jeder einzelne von ihnen - bereit, zu sterben."

Kein anderer Film polarisiert im Moment dermaßen die Massen, wie 300. Ein Geniestreich oder Fehltritt. Hop oder Top. Es ist inzwischen zum Symbol der Männlichkeit geworden, diesen Film für gut zu halten und zum Symbol für gehobene Gesellschaft, ihn schrecklich zu finden. Nichts von alledem hat wirklich etwas mit diesem Film zu tun.

Das hier soll eine Kritik zu 300 sein und eine Gegendarstellung zu den zahlreichen - wie ich finde, unhaltbaren - Vorwürfen, die dem Film gemacht werden. Es sei mir vom Leser bitte verziehen, wenn ich die schon tausendfach in Magazinen und Internetforen beschriebene Handlung nicht zunächst noch einmal mit eigenen Worten wiedergebe.

Es ist Einiges, was auf diesen Streifen an Kritik niederprasselt. Die lautesten Rufe sind wohl folgende: Gewaltverherrlichung, nazistische Propaganda, US-Propaganda, Schwulen-Kino, einseitige und banale Geschichte ohne Tiefe und Sinn. Der Vorwurf nach der Homo-Sexualität lässt sich relativ leicht entkrägten. Bis auf die Tatsache, dass die Spartiaten (nicht besonders überraschend) durchtrainierte Körper haben und die Oberkörper frei lassen, gibt es keinen einzigen echten Anhaltspunkt, der auch nur irgendwie auf Homo-Sexualität hindeuten würde. Aber was ist an den anderen Vorwürfen dran:

1) Gewaltverherrlichung:

Einige abgetrennte Köpfe und andere Extremitäten sind zu begutachten - wohl mindestens eine halbe Stunde kampfhandlung, in der das Blut hektorliterweise fließt. Mit unreflektiertem, von Vorurteilen geblendetem Blick lässt sich der Film somit relativ leicht, als eine "stumpfe Gewaltorgie" abstempeln. Wer etwas genauer hinschaut, muss aber erkennen, dass diese Aussage nicht zu halten ist. Der ganze Film - angefangen von der Kulisse, über Hintergrundgeschichte und Moral 8siehe unten), Akteure, Dialoge und Kampfbewegungen und -verletzungen selbst - ist von reiner Symbolik geprägt. Die Kampfchoreographie ist angelehnt an Matrix und erinnert eher an Tanz, als an echte Kämpfe. Die Verletzungen sind meistens von signalischer Wirkung und stark überzeichnet. Das spritzende Blut ist zwar äußerst reichlich vorhanden, aber genau das macht dem Zuschauer klar, dass es unecht ist und rein symbolischen Charakter trägt. Spätestens wenn die spritzenden Tropfen kurz nach dem Aufprall auf dem Boden wieder verschwinden, sollte jeder verstehen - dass es hier nicht um schockierende Gewaltdarstellungen geht , wie zum Beispiel in durchaus weniger kritisierten Filmen, wie "Walking of the Dead" oder "Der Soldat James Ryan" geht. Im Gegenteil - die Kampfdarstellungen sind im Vergleich zu anderen Kriegsfilmen unserer Zeit sind die Kampfszenen dank des symbolhaften Charakters und der Überzeichnung bemerkenswert human gelungen.

2. Nazistische Propaganda:

Der spartanische Körperkult wird im Film relativ deutlich dem Zuschauer vor Augen geführt. Behinderte Kinder werden getötet. Kinder und Jugendliche zu äußerster Disziplin und "in einer Welt der Gewalt" erzogen. Dazu kommt die Vorstellung einer maritalischen Mehrklassengesellschaft, der die Sparitiaten anhängen und einige herbe Sprüche, die - aus dem Zusammenhang gerissen und mit viel Einbildungskraft - in das Nazi-Zeitalter versetzt werden können. Beispielhaft seien hier genannt:

"Wir tun, wozu wir ausgebildet wurden, wozu wir gezeugt wurden, wozu wir geboren wurden!"
"Keine Gefangenen, keine Gnade!"
"Schenkt ihnen nichts, aber nehmt ihnen alles."
"Ich fülle mein Herz mit Hass." - "Gut."
"Für Sparta, für die Freiheit, bis in den Tod!"

Allein am letzten Zitat lässt sich schon ablesen, dass diese Sprüche und die dahinter stehenden Vorstellungen keine Verbindung zu der Nazi-Propaganda des 20. Jahrhunderts haben. Man mag - das sei jedem selbst überlassen - die Hingabe an Heimatland und Prinzipien für überzogen halten, es gibt aber eine reihe von entscheidenden Punkten, die Kritiker wissentlich oder unwissentlich ignorieren, wenn sie dem Film diesen Vorwurf machen:

a) Die Spartiaten führten - zumindest was die Termophylen angeht - eine Verteidigungsschlacht. Die Nazis hatten einen Eroberungskrieg angezettelt. Leonidas wollte diesen Krieg nicht, sollte musste ihn aufgrund des Einfalls Xerxes' führen (oder sich unterwerfen). 

b) Mag sein, dass Hitler und Goebbels versucht haben, sich die Schlacht der 300 propagandatechnisch zunutze zu machen (Stalingrad), die 300 sind daran aber nciht schuld. Sie dafür zu verurteilen und ihnen ddas Nazi-Gedankengut zuzuschreiben, dass sie niemals hatten, wäre ein falscher Rückschluss.

c) Für mich erschreckend oft, werden die für die Protagonisten und für den Sinn des Films zentralen Werte, wie Tapferkeit, Ruhm, Ehre, Standhaftigkeit und Heimatliebe als Nazi-gedankengut abgestempelt. Wer wirklich jede Form von Selbstverteidigung und Patriotismus (und was die Spartiaten in "300" machen ist Selbstverteidigung aus Patriotismus) als Nazi-gedankengut ansieht, hat offensichtlich die Nazi-Philosophie nicht wirklich verstanden.

3. US-Propaganda/Sinn des Films:

Um den Vorwurf machen zu können, der Film sei ein Seitenhieb gegen den Iran und US-propaganda, muss man wirklich jegliches Verständnis für Altertumsgeschichte, oder für Epen verloren haben. Mit gleichem Erfolg könnte man Braveheart als einen Seitenhieb gegen England oder Gladiator als einen Seitenhieb gegen Italien verstehen - ganz zu schweigen von all den "zweite Weltkriegsfilmen", die als Seitenhiebe gegen Deutschland aufgefasst werden müssen. Selbst wenn man den Film als eine historische Wiedergabe der Schlacht von Termophylen verstehen will, bleibt es nun einmal Tatsache, dass die Perser damals gegen die Griechen einen Eroberungskrieg geführt haben.
Nun muss man sich aber auch klarmachen, dass es sich hierbei um einen Epos handelt, in dem alles - sowohl Protagonisten, als auch Handlungen symbolisch zu verstehen sind. Um sich Mal eines Zitats aus dem Film zu bedienen - es geht in 300 nicht darum, dass irgendein Volk, z.B. die Griechen, besser oder stärker ist, als ein anderes, z.B. die Perser. Es geht darum, dass:

"freie Männer sich einem Tyrannen widersetzten. Dass wenige sich vielen in den Weg stellten" und darum, dass "auch ein Gottkönig bluten kann."

Und genau hier liegt der Hund begraben, wenn man sich die Frage stellt, wieso dieser Film dermaßen oft ungerechte Schelte bekommt. Man versteht nicht, dass es sich um einen Epos handelt, der seinen Sinn gernetypisch demonstrativ und schwarz-weiß äußert - so gehört es sich für einen Epos, eine Fabel, eine Volksgeschichte. Die Charaktere sind stereotypisch, weil sie die Personifizierung bestimmter Werte darstellen. So gehört es sich für dieses Genre. Die Dialoge und Szenen sind überzeichnet, weil 300 eher ein Theaterstück ist, als ein Action-Film, und so gehört es sich für dieses Genre.

Fazit:

Die Kritiker sagen, dieser Film hat keine Geschichte zu erzählen. Ich sage, dieser Film erzählt uns etwas über Werte. Über Mut, Freiheit, Loyalität, Ehre und Heimatgefühl. Und er erzählt uns von Menschen mit der Bereitschaft, für diese Werte Leid und sogar Tod in Kauf zu nehmen. Beides - sowohl diese Werte, als auch die Bereitschaft, für diese Werte zu leiden und zu kämpfen, ist unserer Gesellschaft verloren gegangen. Anscheinend ist es so sehr verloren gegangen, dass wir es nicht nur nicht mehr besitzen, sondern es auch nicht mal mehr erkennen, wenn es uns vor die Nase gesetzt wird und es als "sinnloses Gemetzel" verklären und abstempeln. 
So arm ist unsere Gesellschaft an Tapferkeit und Glauben geworden.

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