Dort wo Robert Rodriguez mit „Sin City“ aufgehört hat, macht Zack Snyder („Dawn of the Dead“) mit „300“ nun weiter. Diese neue Generation von Graphic Novel-Adaptionen hat es bekanntlich leicht sein Publikum zu finden, solange ein versierter Regisseur dazu in der Lage ist, mit dem schuldigen Respekt der Vorlage Leben einzuhauchen. Snyder gehört zu dieser Kategorie Filmemacher und beweist damit, dass seine moderne Neuinterpretation „Dawn of the Dead“ keine Zufall war. Tatsächlich scheint er zu den wenigen Vertretern der Werbe- und Musikvideo-Branche, die auch über das nötige Talent verfügen, um in Hollywood wirklich gute Filme abzuliefern.
Denn Frank Millers „300“ offenbart sich als beeindruckendes Schlachtengemälde, dem man seinen ursprünglichen Charakter immer noch ansieht. Genau wie „Sin City“ wurde hier eine Graphic Novel mit bewegten Bildern zum Leben erweckt, die trotz ihrer Transformation auf die Leinwand nichts von ihrer Faszination einbüßt.
„300“ erzählt 480 v. Chr. die Geschichte von König Leonidas (Gerard Butler, „Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life“, „Timeline“), der sich dem mächtigen Persischen Reich unter der Führung seines Herrschers Xerxes (Rodrigo Santoro, „Behind the Sun“, „Charlie's Angels: Full Throttle“) nicht unterwerfen will. Mit dem persischen Abgesandten, der Leonidas Unterwerfung einfordert, macht er deswegen kurzen Prozess. Politik und Religion, beide korrupt, arbeiten allerdings gegen ihn, so dass er ohne ihre Unterstützung Sparta nicht in den Krieg ziehen lassen kann. Stattdessen scharrt er 300 seiner besten Männer, seine sogenannte Leibwache, um sich und marschiert Richtung Küste, um an einem felsigen Engpass, den Thermophylen, gegen das riesige Heer Persiens anzutreten...
„300“ gehört in die Kategorie von Filmen für die man als Zuschauer ein Faible besitzen sollte. Man muss sich ohne Vorbehalte mitreißen lassen, bis man am liebsten selbst das Schwert ergreifen und mit den 300 Spartanern Seite an Seite gegen die unaufhörlichen Angriffswellen kämpfen möchte. Leonidas Kommandos, die Voice-Over und die Dialoge sind streng martialisch angelegt und bringen die Mentalität der Spartaner in simplen Sätzen auf den Punkt. Geboren und erzogen sind sie einzig und allein für den Krieg. Die elitären Tötungsmaschinen sind taktisch geschult, kennen sich mit jeder Waffengattung aus und zeigen keine Furcht. Ehre, Tod, Stolz und Stärke sind die immer wiederkehrenden Schlagwörter dieses selbstbewussten Kriegervolks, das selbst im mörderischen Schlachtgetümmel seinen Sarkasmus nicht verliert.
Inhaltlich klaffen schon früh bemerkenswerte Lücken, wenn Leonidas auf der einen Seite seine Leute auf ein neues Zeitalters des Friedens und der Freiheit einschwört, in Sparta selbst aber bereits die Jugend erbarmungslos selektiert und verstoßen wird, wenn sie in den jungen Jahren den harten Prüfungen eines spartanischen Kriegers nicht gewachsen sind. Reflektiert man genauer, erkennt man die bedenklich widersprüchlichen Lebensphilosophie der Spartaner. Aber dann sägt man hier am falschen Ast, denn eigentlich will man als Zuschauer etwas ganz anderes - seine Erwartungen erfüllt wissen.
Und „300“ hält, was sein beeindruckend komponierter Trailer so vollmundig schon vor Monaten versprach. Eigentlich liefert der Streifen sogar noch etwas mehr. Blutige und brutale Kämpfe in Hülle und Fülle mit einzelnen Pausen, in denen sich die Protagonisten in Pathos und grimmigem Humor suhlen dürfen. Davon braucht Snyder aber auch jede Menge, denn sonderlich viel Handlung wurde ihm von Frank Miller nicht vorgeben, weswegen er dessen Vorlage selbstständig um einen Nebenschauplatz erweiterte – die einzige große Schwachstelle des Films. Das Treiben auf dem Schlachtfeld wird so immer ein wenig seiner Dynamik beraubt, wenn Snyder nach Sparta zurückblickt, wo Leonidas Frau Gorgo (Lena Headey, „Possession“, „Imagine Me & You“) verzweifelt versucht ihrem Ehemann Verstärkung zukommen zu lassen. Der Film hätte ohne diesen Handlungsstrang genauso funktioniert, wäre im Endeffekt kürzer gewesen, hätte „300“ als Ganzes aber wuchtiger erscheinen lassen.
Trotzdem sind die unaufhörlichen Versuche der Perser durch die Phalanx der Spartaner zu brechen von einer enormen Intensität geprägt. Stilsicher und mit einer rauen Ästhetik kreiert Snyder eine blutige Schlacht nach der nächsten und lässt die Perser alles in die Waagschale werfen, was sie an speziellen Einheiten aufbieten können, aber die Spartaner finden gegen jeden Gegner die richtige Taktik.
Es mag der ungewöhnliche, erdige Look sein, aber vielleicht auch an Zack Snyders überaus gelungene Inszenierung, viel mehr sorgt aber wohl der charismatische Schotte Gerard Butler dank seiner leidenschaftlichen Inbrunst, mit der er seinen Leonidas Leben einhaucht, dass man als Zuschauer, wenn auch nicht lauthals, die nummerisch unterlegene Elite anfeuert und ihnen den Sieg wünscht. Wenn diese durchtrainierten Kampfmaschinen sich so diszipliniert, präzise und tödlich durch Heerscharen von Gegnern schlachten und hinterher gleichgültig die stöhnenden Verwundeten töten, überkommt einem in Anbetracht dieser nüchtern vorgetragenen Perfektion mehr als nur einmal Gänsehaut.
Zu fetzigen Musiktracks bewegen die Spartaner sich, wenn sie die Phalanx auflösen, durch die Reihen der Gegner. Zack Snyder setzt dann auf totale Stilisierung. In Slowmotion spritzt Blut, werden Gliedmaßen amputiert, Köpfe abgeschlagen, Klingen ins Fleisch getrieben und Speere durch Körper gebohrt. Die flüssige Choreographie beeindruckt überdies sehr und natürlich dürfen dabei keine Szenen fehlen, die das Publikum entsprechend anheizen.
Snyder zelebriert seine Actionszenen bis in die letzte Bewegung mit sehr viel Genuss. Seit „The Lord of the Rings: The Return of the King“ durfte man so ein formvollendetes Schlachtgetümmel nicht mehr auf der großen Leinwand bestaunen: Entstellte Monster, riesige Nashörner, Untote, Barbaren oder Alchemisten, Xerxes Heer spuckt einige Ungetüme aus, aber die Spartaner halten für jeden Gegner die richtige Taktik parat. Von Pfeilhageln, die die Sonne verdunkeln, über Berge von Leichen bis hin zu unbändigen Bestien beeindrucken dabei allerhand Shots, die die wilde Entschlossenheit beider Seiten in Taten widerspiegeln. Denn aufgeben will keiner von beiden freiwillig und wird es auch nicht.
Das angenehme Erzähltempo sorgt derweil, dafür, dass „300“ sein Publikum mit seinem blutigen Gemetzel nicht übersättigt oder gar erschlägt. Wie schon erwähnt, hat der Film an sich nicht viel Handlung wiederzugeben. Snyder löst dieses Problem einfach, indem er keine zu langen Pausen entstehen und seine kernigen Typen ständig zu Wort kommen lässt. Außerdem kennt er seine Vorbilder, wie unter anderem „Gladiator“. Die Inszenierung wuchs nämlich nicht komplett auf seinem Mist, aber er hat sich alles Wichtige bei den Besten abgeschaut und bringt in den passenden Momente Erotik oder symbolträchtige Momente ein. Die bereits früh gewonnenen Sympathien des Publikums verspielt er ohnehin nie.
Fazit:
„300“ ist eine beeindruckende, brutale Schlachtplatte mit einer eigentlich simplen Prämisse, die von Pathos, martialischen Dialogen, den tapferen Männer um Leonidas und natürlich der blutigen Schlacht zwischen den 300 Spartanern und der Persischen Armee lebt. Zack Snyder würdigt dieses archaische, antike Gemetzel natürlich entsprechend mit einer edlen Optik, die einem sorgfältig ausgearbeitetem Ölgemälde gleicht und stilisiert vor allem auf dem Schlachtfeld hemmungslos.
Seine tadellose Inszenierung und der grimmige Humor sind zwei gewinnbringende Elemente, die diesem kurzweiligen Krieger-Epos zu einer einzigartigen Kinoerfahrung machen.
Obwohl der Film inhaltlich nur wenig bietet und vor allem der Subplot mit Königin Gorgo „300“ ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt, erhält er meine vorbehaltlose Empfehlung. Dass die Actionszenen sich final nicht mehr steigern, ist der Vorlage zu schulden, aber einen runden Abschluss schafft Snyder. „300“ bietet letztlich genau das, was der schmissige Trailer versprach: Martialismus, Sarkasmus und Pathos gehen perfekt stilisiert einher und garantieren nahezu zwei Stunden kurzweiliges Krieger-Kino für Graphic Novel- und Action-Fans, die sich seit dem ersten Teaser auf diesen Hit gefreut haben. Das ist letztlich zwar nur stylische Gewaltverherrlichung par excellence, aber auf seine Art und Weise einfach schwer unterhaltsam und extrem mitreißend.