Ein Blick auf Martin Scorseses „The Departed“ und man muß diesen Film für einen Selbstläufer halten: ein hervorragendes und spannendes Drehbuch, adaptiert von einem angesehen asiatischen Kassenhit; eine Besetzung, für die jede Produktion morden würde und ein Regisseur, der sich inzwischen alles erlauben kann.
Daß „Unter Feinden“ dann aber doch nicht so ganz makellos ausgefallen ist, macht das Werk zwar nicht schlecht, aber doch die gewisse Prise zwiespältig, die so vielen amerikanisierten Adaptionen zu eigen ist.
Generell kann man aber lobend erwähnen, dass der Kernablauf der Geschichte der Gleiche geblieben ist, ein Katz- und Mausspiel in Sachen Undercovereinsatz, ein Polizeispitzel in einem Verbrechersyndikat und ein Mafiaspitzel in den Reihen der Polizei, die sich gegenseitig jagen und sich ihrer eigenen Identitäten unsicher werden…
War das Hongkong-Vorbild ein Muster an intensiver Komprimiertheit, hat Scorsese mit seiner Weltklassebesetzung natürlich den Auftrag, ein wenig mehr menschliche Tiefe in seiner Version unterzubringen. Wenn schon Darsteller wie Leonardo di Caprio (Polizei) und Matt Damon (Gangster) die Spitzel geben, dann erweitert man gern das Spektrum um einige Nuancen und wesentlich mehr Angst, ohne den Film jetzt gänzlich den Stars zuschieben zu müssen.
Da hilft es natürlich wenn mal als Gegengewicht so erfahrene Darsteller wie Martin Sheen als Polizeichef und Jack Nicholson als Gangsterboss hat, die selbst so eine Art Privatfehde fahren, was aber in der US-Version ein wenig untergeht.
Aber genau hier liegt auch die Gefahr, denn wer immer sich auf Nicholson einlässt, muß in Kauf nehmen, dass der charismatische Weltstar mit seinen schrägen Ideen und seinem Hang zu Overacting ihm den ganzen Film klaut.
Zu Beginn scheint „Jack“ auch noch unter Kontrolle, führt er doch noch sehr gebremst durch den Einführungsmonolog als Offkommentator, später jedoch wird er von der Kette gelassen.
Das ist dann auch die Hauptschwäche des ganzen Amerikanisierungsprozesses, denn die Verbrechermoral, die dem Film voransteht, verspricht eine Geschichte in der Tradition von Scorseses „Good Fellas“, die „Departed“ dann aber nicht einlöst.
Vielmehr entfernt man sich von diesem angeblichen Ziel und fokussiert auf dem Leben und den Nöten der gegeneinander arbeitenden Spitzel, während Nicholson im Hintergrund mehr und mehr zu einem psychopathischen Kasperle mutiert (ungefähr so, wie man sich Batmans Joker ursprünglich eher vorgestellt hätte), dessen gewalttätiger Wahnsinn immer unkontrollierbarer wird. Das macht ihn zur szenenstehlenden Randerscheinung, was insofern schade ist, weil gerade di Caprio in „The Departed“ eine nuancierte und vermutlich seine unter Scorsese beste Schauspielerleistung abliefert. Damon dagegen bleibt überraschend blass und unsympathisch, eben der Böse bei den Guten und kommt einfach nicht mit der moralischen Schizophrenie beim Publikum an, die nötig wäre, um den Zuschauern ihn genauso wichtig und teuer zu machen, wie den sowieso scheinbar Guten.
Für das Publikum ist „The Departed“ somit Schwerstarbeit, ständig wechselt der Film zwischen greller Überblendung (zusätzlich zu Nicholson untergräbt Scorsese den tragisch-beklemmenden Ton noch mit der „neuen“ Rolle von Sheens Kollegen, dargestellt von Mark Wahlberg, der seine knappen Texte mit einer endlosen Flut von Schimpfwörtern und Beleidigungen anreichert und somit eher zum Lachen reizt) und bedrückter Intensität des Crime-Dramas.
Wenn der Film schließlich ins Finale mündet, steht die Einleitung plötzlich relativ haltlos vor dem restlichen Produkt – der Gangsterboss verschwindet geradezu aufreizend unoriginell aus dem Film (vorlagengetreu) und alles mündet in einer sich überschlagenden Kaskade von überraschenden Decouvrierungen.
Dem Aha-Faktor, auch sympathische Charaktere mit einem Schuß aus der Story zu entfernen, steht aber keine Läuterung wie im Hongkongvorbild nach, sondern ein konsequenter Abstieg zur Hölle, in dessen Verlauf so ziemlich alle Handlungsträger ins Gras beißen müssen.
Das ist aber kein Qualitätsverlust, hier wirkt die Neuerung relativ kongenial in die Figurenanlage eingefügt und entlässt das Publikum mit einem neuen Rätsel, weil man sich am Ende über Motivationen und Seiten gar nicht mehr im Klaren ist.
„The Departed“ ist sicher nicht Scorseses bester Film, dafür wirkt das Skript zu zerfahren und die Regie zu uneinheitlich, um ein Gesamtkunstwerk aufzubauen, aber es bleibt ein hervorragend gespielter und extrem harter Film, der sein Publikum effektiv in die Abwärtsspirale mitnimmt und nicht mehr loslässt.
Insofern kann man ihn als sehr gelungen bezeichnen und sicherlich erinnerungswürdig, ein Meisterstück ist er aber nicht. (8/10)