„Der Tag wird kommen, an dem ich gerächt sein werde!“
Im Jahre 1993, zwischen seiner TV-Dokumentation „Real Ghost - Die Geister sind unter uns“ und seiner leider reichlich misslungenen King-Adaption „The Mangler“ also, beteiligte sich Tobe Hooper, immerhin Miterfinder des Backwood-Terror-Kinos („The Texas Chainsaw Massacre“), nicht nur am Episodenhorrorfilm „Body Bags“, sondern wurde auch seine Direct-to-Video-Produktion „Tobe Hooper's Living Nightmare“ veröffentlicht. Rom Globus‘ und Daniel Matmors Drehbuch greift lose die „Eugenie“-Thematik Marquis de Sades auf und vermengt Horrorelemente mit etwas Erotik.
„Hast du je De Sade gelesen?“
Archäologen-Tochter Genie Matteson (Zoe Trilling, „Dr. Giggles“) besucht ihren Vater (William Finley, „Phantom im Paradies“) im ägyptischen Alexandria, wo er Ausgrabungen leitet. Dort wird die undurchsichtige, aber attraktive Sabina (Alona Kimhi, „Chico, der Skipper“) auf sie aufmerksam und macht sie mit De Sades Werken vertraut. Was Genie nicht ahnt: Sabina versucht, ihr nach und nach eine Art Gehirnwäsche zu verpassen, um sie in einem vom Ururenkel des Marquis (Robert Englund, „Nightmare – Mörderische Träume“) konspirativ betriebenen sadistisch-dekadenten Zirkel zu missbrauchen…
„In der Wüste hast du wirkliche Freiheit!“
Der Prolog ist zunächst einmal vielversprechend: Dieser spielt zu Lebzeiten De Sades und zeigt, wie ein bis zur Unkenntlichkeit geschminkter Robert Englund in den Kerker eines wahren Horrorknasts geworfen wird. Trotz Schminke ist er so hässlich, dass sich ein Mithäftling lieber die Augen ausreißt, als ihn anzusehen. Dann erst begeben wir uns ins Alexandria des Jahres 1993, die Montage wird jedoch im weiteren Verlauf häufiger zwischen Gegenwartsszenen um Genie und der düsteren Vergangenheit in De Sades Kerker changieren. Die unbedarfte Genie ist eine hübsche Teenagerin, die sich recht offenherzig durch die muslimische Stadt bewegt und Sabina kennenlernt, als diese sie vor einer Vergewaltigung rettet. Schnell freundet man sich an; die Warnungen ihres Vaters, Sabina sei schlechter Umgang, schlägt Genie in den Wind.
Bis hierhin ist „Tobe Hooper's Living Nightmare“ eigentlich noch recht ordentlich. Dass Sabina ein falsches Spiel spielt, ist schnell klar, aber die Mischung aus nordafrikanischer Exotik und De-Sade-Mystik macht neugierig. In einer Opiumhöhle gibt es Oben-ohne-Tänze zu betrachten, was als Indikator für den von nun an steigenden Erotikfaktor betrachtet werden kann – doch als ein Muselmann (Juliano Mer-Khamis, „Die Schwächen der starken Frauen“) wie ein Traumprinz auf einem Pferd angeritten kommt und sich von Genie aufreißen lässt, hat dies zwar eine Softsex-Szene zur Folge, findet man sich aber auch plötzlich knietief im mehr schlecht als recht zusammenkonstruierten Klischeesumpf wieder. Die Schnitte zu Monologen De Sades im Verlies sollen wohl nach und nach die Hintergrundgeschichte preisgeben, wirken aber zunehmend wie Fremdkörper. Eine fiebrig surreale, sexuell aufgeladene Komponente scheint Hooper mit visualisierten Vorstellungen Genies beim Studium des Werks De Sades einbringen zu wollen. Zwischen die abgefahrene Bilder mischt sich ihr Sexualpartner nackt auf seinem Pferd, die Grenzen zwischen Ambition und unfreiwilliger Komik beginnen zu verschwimmen.
Als Englund in seiner zweiten Rolle als De-Sade-Nachfahre Paul Chevalier ins Spiel kommt geschieht dies im Rahmen einer ausufernd dekadenten Feier, die aus der Zeit gefallen und in ihrer Bizarrie vermutlich verstören soll, jedoch vielmehr wie ein spaßiges Kostümfest wirkt. Nichtsdestotrotz plagen Genie im Anschluss (visualisierte) Alpträume, während ihr fast vergessener Vater tatsächlich einmal bei seinen Ausgrabungen gezeigt wird. Hübsch hingegen ist eine erotische lesbische Vision ausgefallen, die ein bisschen an Ken Russell erinnert und bei der sich die Maskenabteilung einmal mehr kräftig austoben durfte. Das letzte Drittel wiederum lässt „Tobe Hooper's Living Nightmare“ länger wirken, als der Film eigentlich ist, denn seinem okkulten Folterritual und einigen Morden zum Trotz kommt er nicht recht aus dem Quark, nervt stattdessen mit Chevaliers überzeichnetem, aufgesetztem Gequatsche, das den Schurken zwar alles haarklein erklären lässt, damit aber mehr an einen Cartoon denn einen ernstzunehmenden Horror-Thriller erinnert. Ein enttäuschendes Finale, dem ein Epilog mit einer weiteren Rückblende ins Verlies angehängt wurde.
Der Versuch dieser De-Sade-ploitation, sich auf „Eugenie“ zu beziehen und mit Okkulthorror zu vermengen, ist leider ziemlich in die Hose gegangen, wenngleich Hooper es durchaus verstand, den einen oder anderen erotischen Moment passabel zu inszenieren und Englund sich mit sichtlicher Spielfreude offenbar für nichts zu schade war. Auch die Ausstattung kann sich sehen lassen, zumal man mit Zoe Trilling eine zeigefreudige B-Horror-Aktrice fand, die durchaus ein Hingucker ist und den besten Eindruck macht, wenn sie sich in klassische Scream-Queen-Gefilde begibt. Nur leider handelt es sich bei Hoopers Film um keinen Slasher, sodass Trilling unterfordert und diverse Sequenzen zu wenig auf sie zugeschnitten wirken. Wie ein Herzensprojekt Hoopers erscheint „Living Nightmare“ jedenfalls nicht, wenngleich er sich mit angepasster Erwartungshaltung besser gucken lässt als manch Minuskritik suggeriert. Zweifelsohne vereint dieser Film aber viele typische ‘90er-Direct-to-Video-Horror-Schwächen, die sicher nicht nur dem Budget geschuldet sind.