Review

Albert Fish war einer der schlimmsten Menschen, die die Welt je gesehen hat, so viel steht fest; kein Freiraum für Subjektivität! Der hagere alte Mann, der äußerlich voll und ganz dem Klischee des freundlichen Opas entsprach, dem man zu jeder Zeit liebend gerne sein Kind anvertraut hätte, wütete Jahrzehnte lang in diversen Städten Amerikas, und lebte dort in fast ungehinderter Weise seine perversen Triebe aus. Nicht nur hatte er ausgeprägte pädosexuelle Vorlieben, nein, er besaß auch eine starke Affinität zu Mord, Sadismus, Masochismus und Kannibalismus, und die Auslebungen dieser Triebe waren so grauenhaft und ekelerregend, dass man es mit Worten kaum beschreiben kann...

Was klingt wie die Handlung eines typischen Shockfilms, ist grausame Realität. Albert Fish ist keine stilisierte Figur in einem 0815 Splatter-Exploiter, ihn hat es wirklich gegeben! Und dieser Film erzählt die eigentlich unerzählbare Geschichte dieses pervertierten alten Mörders, ohne viel Kitsch und Schnörkeleien.

Im Grunde genommen handelt es sich bei diesem interessanten Werk um eine Mischung aus einer guten Dokumentation, vergleichbar mit zB von Spiegel TV, Autopsie, oder, wenn es um Serienmörder geht, A&E Biography, und einigen nachgestellten Szenen, die das zerschundene Innenleben des "Helden" der Geschichte miteinbeziehen sollen. Böse Zungen mögen behaupten, dass der Film reißerisch daherkommt, denn man findet die gängigen handwerklichen Aspekte einer solchen Doku zu 100% hier vor: der langsam sprechende Erzähler, die düstere klassische Musik im Hintergrund und die Einblendung vieler Bilder und Dokumente! Es wurde anscheinend sehr viel Arbeit in die gute Recherche investiert, und so wird man mit genügend Infos rund um den Mörder vertraut gemacht, die man in dieser Form bisher noch nicht gesehen hat, zumindest in diesem Format. Die Ausschweifungen des alternden Wüstlings werden bis ins kleinste Detail beschrieben, und die Opfer, die Entführung und die Hinrichtung werden in langen Passagen erörtert.

Die Geschichte ist schrecklich. Fish hat teilweise 10 jährige Kinder umgebracht, sich an ihnen sexuell vergangen und dann tagelang von ihrem Fleisch gegessen, und am Abend masturbiert, während er an den Verzehr dachte. Er schrieb den Eltern seiner Opfer Briefe, in denen er diese Taten haarklein beschrieb, denn er hatte einen hohen Mitteilungsdrang und genoss es, wenn sich andere Menschen vor ihm ekelten. Diese Szenen werden natürlich NICHT nachgestellt, aber schon allein der Gedanke daran, sowie die Tatsache, dass es sich hier um echten Stoff handelt, stecken solche Schnellschüsse wie "Grotesque" locker in die Tasche, wenn es um Härte geht.

Die nachgestellten Szenen sind nicht vordergründig in das Storytelling eingebunden, bieten aber eine sehr interessante und gelungene Facette des Werks, vor allem da die meisten Szenen im Zusammenhangmit seinem religiösen Fanatismus stehen. So sieht man ihn, wie er sich selbst vor einem Jesusbild auspeitscht. Diese Szenen sind oft sehr befremdlich und erinnern an einige eher schwer zugängliche Werke wie Subconscious Cruelty oder Ice from the Sun. Dokumentarischen Wert besitzen sie keinen, aber dieser Aspekt wird ja durch den Erzähler, die interviewten "Spezialisten" und das Einblenden von Fotos reichlich abgedeckt. Insofern ein voller Erfolg!

Einige "Begleiter" sind der grandiose Joe Coleman (wer ihn nicht kennt: unbedingt nachholen!) und Spezialisten aus dem kriminalistischen Bereich. Desweiteren werden im Off mehrere Originalzitate aus seinem Verhör nachgesprochen, hierbei wird ihm, sowie seinem Verhörer eine eigene Stimme zugewiesen. Im Zusammenspiel mit den Infos und dem Bildmaterial wird es einem da teilweise wirklich flau im Magen.

Der Dokuspielfilm kommt handwerklich sauber daher, ist in seinem Anliegen schnörkellos und brauch sich vor hochkarätigen Dokus nicht zu verstecken. Die ganze Aufmachung mit den nachgestellten Szenen machen das Ganze einzigartig, und alles fügt sich zu einem sehr stimmigen Vibe zusammen, der einfach funktioniert, und auch sachliche und reelle Art erschüttert. Für Fans von Absurdem und Serienmördern ein gefundenes Fressen, auch wenn die Geschichte des Albert Fish etwas ist, vor dem viele Leute (zu Recht ? ) lieber ihre Augen verschlossen halten wollen werden. Sicherlich kein Film für jedermann, so solide er handwerklich auch sein mag!

Details