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Prof. Humbert Humbert (James Mason) zieht in das beschauliche Heim der Hazes. Dort wird er nicht nur von der Gastgeberin (Shelley Winters) angehimmelt, sondern verguckt sich auch in deren Tochter Lolita (Sue Lyon). Einzig wegen jener Schönheit lässt sich der literarisch bewanderte Humbert auf eine Heirat mit der Mutter ein, nur um nach deren Selbstmord mit Lolita durchzubrennen. Doch leider treten Komplikationen im putativen Liebesglück auf: Clare Quilty (Peter Sellers), ein Mann mit einem ungeheuerem Charisma, ist ebenfalls an Lolita interessiert!

Als "Lolita" 1962 erschien, war es selbstverständlich der Tabubruch, der den Film so bekannt werden ließ. Dabei sieht man im Film keine einzige Sexszene oder sonstiges. Die Zeiten haben sich eben geändert. Damals waren es schon Themen wie Inzest oder ein zu großer Altersunterschied zwischen Beziehungspartnern, die die Massen empörten. Heute ist die Gesellschaft demgegenüber ausreichend abgehärtet, was normalerweise das Interesse an "Lolita" schmälern könnte. Vielleicht ist das Interesse auch schon zurückgegangen, was den Film aber konserviert, ist dessen Schöpfer: Regisseur Stanley Kubrick steht einfach für herausragende Filme.

Leider gehört "Lolita" für mich aber nicht zu den bezeichnenden Filmen dieses genialen Mannes. Er hat zwar keine markanten Fehler bei der Regie gemacht, was vor allem an den Leistungen der Darsteller zu erkennen ist, doch wurde das Thema zu stark ausgewalzt. Schon das Buch hatte mit seiner unkonventionellen Struktur, die eher einer Biographie denn einem Roman ähnelte, eine wenig kontinuierliche Spannungskurve. Ab der zweiten Hälfte artet der Film doch ziemlich in eine Odyssee aus, in der man als Zuschauer in eine harte Beziehung gepresst wird, denn reibungslos verläuft es nicht im Entferntesten zwischen Humbert und Lolita. Dieses Gezeter ist zwar durchaus spannend, alleine stehend aber auch trocken und arm an Alternanz.

Die erste Hälfte hingegen ist um Einiges interessanter aufgebaut, da hier eine prickelnde Dreiecksbeziehung dominiert. Hier sind auch ein paar kultige Szenen zu sehen, die in die Filmgeschichte eingegangen sind, wie zum Beispiel das Starren von Humbert auf ein Bild Lolitas, während er auf ihrer Mutter liegt. Insgesamt ist es eigentlich Kritik auf hohem Niveau, da ja praktisch alles stimmt am Film: Er ist harmonisch, visuell ansprechend und mit einer neckischen Musik untermalt. Darüber hinaus ist er nicht nur reich ein gesellschaftlicher Brisanz, sondern auch mit unterhaltsamen Humor gespickt. Wirklich schmunzeln musste ich aber nur bei Peter Sellers Auftritten.

Stanley Kubrick wirft mit "Lolita" eher seinen Schatten voraus, denn seine Meisterwerke filmt er erst später. Auch wenn inhaltlich mehr geboten wird als beispielsweise bei "2001", hätten dem Film 30 bis 50 Minuten weniger gut getan. Trotzdem ein mehr als sehenswertes Ereignis!

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