Büchners Dramenfragment “Woyzeck” gilt als eines der bekanntesten Stücke deutscher Literaturgeschichte, in dem es um einen Soldaten geht, der sich in seiner Armut einer ausbeuterischen Gesellschaft und gravierendsten Existenznöten ausgesetzt sieht, was ihn letzten Endes zum Mord an seiner Frau Marie treibt.
Herzogs Verfilmung verhält sich bis auf wenige Ausnahmen werkgetreu und versucht das Flair des Dramas zu vermitteln, indem sie auf jegliche Schauwerte bzw. zu großen Aufwand verzichtet. So kommt jede Szene äußerst schlicht daher, die Schauplätze sind so spärlich ausgestattet, dass sie das Bühnenbild einer Theateraufführung darstellen könnten. Für heutige Verhältnisse ist das äußerst ungewohnt, ebenso wie die verschwindend geringe Anzahl an Schnitten, was zur Folge hat, dass sich die Kamera manchmal minutenlang nicht von der Stelle rührt. Werner Herzog wollte ein “Drama des kleinen” Mannes werkgetreu verfilmen und hat zugunsten der Authentizität wohl bewusst auf jeglichen Schnickschnack verzichtet, was leider nicht unbedingt für Spannung sorgt. Vor allem die Mordsequenz leidet unter der einzigen optischen Stilisierung im gesamten Film, einer Zeitlupeneinstellung, welche die Tötung so zerdehnt, dass der eigentliche Höhepunkt zu einer fast unfreiwillig komischen Angelegenheit verkommt, woran aber auch die unpassende Musik einen gehörigen Anteil hat. Aus dem Bemühen Herzogs um eine authentische Verfilmung resultiert leider manchmal genau das Gegenteil: In nahezu allen Außenaufnahmen sind beispielsweise nur die Protagonisten zu sehen und keine anderen Leute, was arg gekünstelt wirkt.
Kinski spielt die tragische Figur des unterdrückten und von der Gesellschaft ausgebeuteten Woyzeck natürlich mit einer beispiellosen Hingabe und macht alleine durch seinen Gesichtsausdruck manche Länge wett. Wenn man die Buchvorlage kennt, könnte man sich keinen anderen in dieser Rolle besser vorstellen als Kinski.
Apropos Vorkenntnisse: Wer Büchners Drama nicht kennt, wird bei dieser Verfilmung völlig orientierungslos sein und kann den ohnehin sperrigen Film noch weniger schätzen. Entsprechende Lektüre vorausgesetzt, bekommt man mit “Woyzeck” einen interessanten Film geboten, sofern man minimalistischen Inszenierungsmethoden nicht abgeneigt ist. Für alle, die weder das noch Kinski besonders mögen, ist das allerdings ein Riesenlangweiler.