THE ROAD VIRUS HEADS NORTH
Als die Simpsons mal die inflationäre Produktivität Stephen Kings aufs Korn nahmen, ließen sie ihn in das Büro seines Verlegers traben und eine Horrorgeschichte über eine besessene Schreibtischlampe vorschlagen. Der Gedanke dahinter ist selbsterklärend - King sitzt in seinem Arbeitszimmer, denkt über eine neue Story nach und weil er alles schon gemacht hat, nimmt er eben das Nächstliegende: die Lampe direkt vor ihm.
Ob “The Road Virus Heads North” nach einem ähnlichen Muster entstanden ist, bleibt fraglich; Fakt ist aber, dass ein Bild aus Kings Besitz ihn zur Geschichte inspiriert hat. Auch in Romanform wurde das Motiv des lebendigen Bildnisses bereits verwendet (“Rose Madder”), aber die Short Story liegt noch einen Tick näher an der Biographie seines Erschaffers, denn einmal mehr wird sie aus der Perspektive eines erfolgreichen Romanautoren aus Maine erzählt.
Die mit Tom Berenger besetzte Filmadaption fährt zweigleisig: zum Einen lässt sie die Hauptfigur einen persönlichen Schicksalsschlag durchleben, als beim Arzt etwas gefunden wird - bei einem Mann, dessen Eltern beide um die 40 Jahre alt waren, als sie erkrankten und starben, klingeln da alle Alarmglocken. Zum Anderen wird die Sammelleidenschaft des Autoren durchleuchtet. Die biografische Überschneidung zu King liegt darin, dass das inspirierende Bild vom Umfeld ebenfalls als “grässlich” empfunden wurde, so wie es sich nun auch in der vorliegenden Geschichte ergibt.
Nun handelt es sich bei dem Bild um das Werk eines jungen Mannes, der zuerst sämtliche seiner Bilder außer dieses eine verbrannt und sich dann erhängt hat. Das Motiv zeigt einen hässlich grinsenden Mann mit spitzen Zähnen, der in blaues Licht getränkt in einem Auto lebensmüde voranfährt, ohne sich darum zu scheren, was auf der Fahrbahn ist. Der Hintergrund ist düster und beunruhigend, wird aber noch beunruhigender, als sein neuer Besitzer merkt, dass sich offenbar ständig der Ort ändert, der im Hintergrund abgebildet ist...
Tatsächlich strahlt das hektisch in Szene gesetzte und mit unangenehmen Winkeln versetzte Bild eine gewisse Bedrohlichkeit aus, die ihren Reiz daraus bezieht, dass die Veränderungen zunächst nur marginal sind und allenfalls unterbewusst wahrgenommen werden. Tom Berenger ist dem Zuschauer bei der Imagination behilflich, indem er sich seinen Kollegen William H. Macy und William Hurt anschließt und eine starke Leistung zur Schau stellt, was sich langsam aber sicher zu einer Grundqualität der achtteiligen Anthologie herauskristallisiert.
Der Parallelismus ist simpel, aber durchaus effektiv - natürlich zeigt das Bild schrittweise die Zukunft seines Besitzers an. Ein geschickter Schachzug ist es, dass die sehr wahrscheinlich tödliche Diagnose des Arztes noch nicht feststeht, sondern lediglich in der Vermutung des Betroffenen verankert ist. Spannungstötende Endgültigkeiten werden damit umgangen und der durch psychedelischen Free Jazz treffend untermalte Kampf des Schriftstellers gegen seine tiefsten Ängste bewahrt seine Spannung - obgleich man weiß, dass der Geisterfahrer auf dem Bild für die Akzeptanz der Sterblichkeit der Hauptfigur steht.
Ein interessanter Schlenker führt die soweit eher konventionelle Storyline jedoch kurzzeitig in frische Gewässer: bei der ersten Konfrontation des Autoren mit dem manifestierten Geist des verstorbenen Malers wird der Parallelismus kurzzeitig aufgebrochen und eine weitere Option in Betracht gezogen darüber, was es mit dem Bild auf sich hat - der definitiv stärkste Moment der Episode. Dabei ist dieser kleine Twist im Endergebnis doch wieder nur typisch King, da er die Existenz einer parallelen Welt in Erwägung zieht und nicht nur alles auf die Psychoanalyse schiebt.
Die Tatsache, dass der Mann aus dem Bild schon viel zu früh in Fleisch und Blut erscheint und man gar seinen Mord an einer Frau inszeniert hat, verleiht dem Skript leider am Rande einen etwas platten Anstrich. Die Geschichte ist trotz des Geistesblitzes in der Mitte größtenteils nicht sonderlich innovativ und täte gut daran, erzählerische Unzulänglichkeiten durch eine eindrucksvolle Bildsprache zu kaschieren, was zwar oft gelingt, aber eben nur dann, wenn die Schwächen der Story nicht noch betont werden.
Insgesamt eine erstaunlich solide Umsetzung einer fast schon klassischen Thematik, die mindestens bis zu Oscar Wilde und seinem “Bildnis des Dorian Gray” (1890) zurückgeht, seitdem aber noch nicht viel von seiner Faszination verloren hat. Der reine Gruselfaktor hätte unter dem Strich gerne noch etwas ausgeprägter sein dürfen, hätten sich doch reichlich Möglichkeiten dafür ergeben, doch in der Basis bleibt dessen ungeachtet ein knapp überdurchschnittliches Resultat.
6/10