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„Glass House: the Good Mother“ ist eigentlich eine eigenständige Produktion, welche von den Verantwortlichen bei „Sony Pictures“ irgendwann im Laufe des (Pre-) Veröffentlichungsprozesses namentlich dem 2001er (Kino-) Thriller von Daniel Sackheim angehängt wurde, um auf diese Weise als ein indirektes „Direct to Video“-Sequel vermarktet werden zu können – vergleichbar mit dem Vorgehen von „Columbia“ im Falle ihres Titels „8mm 2: the Velvet Side of Hell“. Unbestreitbar ist die Gegebenheit, dass sich die Storylines beider Filme ziemlich ähneln – nur wäre es vorliegend trotzdem von Vorteil gewesen, auf diesen Marketing-Schachzug zu verzichten, denn er fordert Gegenüberstellungen geradezu heraus und behaftet diesen weniger aufwändig produzierten „2.Teil“ bereits im Vorfeld mit einem negativen Stigma. Umso überraschender die Erkenntnis bei bzw nach dem Sichten, dass dem Regiedebüt des ehemaligen Schauspielers Steve Antin tatsächlich etwas gelingt, woran fast alle der gängigen „DTV“-Nachfolger scheitern: Es kommt im direkten Vergleich beinahe restlos an die annehmbare Qualität des (Pseudo-) Vorgängers heran und ragt daher als ein positives Beispiel aus der Masse heraus! Darüber hinaus können übrigens auch all jene einen Blick riskieren, die schon das „Original“ mochten, da es sich hierbei (trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeiten) keineswegs um eine 1:1-Kopie handelt…

Es scheint, als habe das Leben es nicht sehr segensreich mit dem Ehepaar Eve und Raymond Goode (Angie Harmon/Joel Gretsch) gemeint, denn es konfrontierte sie mit dem schlimmsten Schicksal, das Eltern nur widerfahren kann – eines Abends ertrank ihr über alles geliebter Sohn in einem nahe gelegenen Teich, nachdem er sich heimlich aus dem Haus geschlichen hatte. Da Eve selbst als Adoptivkind aufgewachsen ist, hält sie es nach einem Jahr der Trauer für richtig, einem anderen Kind auf genau diese Weise die Chance zu geben, bei ihnen ein besseres Leben zu führen, was ihr zugleich ein Fortsetzen der fürsorglichen Mutterrolle ermöglichen würde. Im Heim treffen sie auf Abby (Jordan Hinson) und ihren jüngeren Bruder Ethan (Bobby Coleman), welche gerade ihre Eltern bei einem tragischen Unfall verloren haben. Ein Freund der Familie, der Polizist Ben Koch (Jason London), steht ihnen in dieser schwierigen Zeit bei. Obwohl die Kinder am liebsten bei ihm wohnen würden, muss er sie da schweren Herzens angesichts seiner aktuellen Lebenssituation (Single, Einzimmerwohnung, sehr fordernder Job etc) enttäuschen – er ist der Meinung, dass sie woanders eine bessere Zukunft haben werden, bleibt aber in Kontakt und kümmert sich um sie, da er sich gut vorstellen kann, was sie gerade durchmachen müssen.

Die Goodes sind dazu bereit, Ethan bei sich aufzunehmen, doch spätestens nach einem Gespräch mit Abby erkennt Eve, dass es kaum richtig wäre, das Geschwisterpaar zu trennen – und da sie und ihr Mann ohnehin den nötigen finanziellen Rückhalt besitzen sowie ihre Villa über genügend Schlafzimmer bzw Platz im Allgemeinen verfügt, wird auch die aufgeweckte Jugendliche ein Teil ihrer neu formierten Familie. Abgesehen von einigen auf den ersten Blick merkwürdig erscheinenden Regeln und kleinen Details, wie ein Verbot, das Zimmer des verstorbenen Sohns zu betreten, eine vermeintlich geheime Schlafstätte im Keller oder die Anweisung, sich möglichst immer innerhalb des Gebäudes aufzuhalten, überwiegt die Freude über das idyllische Zuhause, in welchem die Goodes es ihnen so heimisch wie nur denkbar zu machen versuchen. Schon bald scheint sich jedoch eine Art Konkurrenz um Ethan´s Zuneigung unter den Frauen zu entwickeln, die natürlich primär von Eve ausgeht – das, in Kombination mit Abby´s Neugier, ihrem wachsenden Misstrauen sowie allgemein leicht rebellischen Verhalten, führt schließlich dazu, dass sich Eve rasch als eine sehr dominante, einengende Person offenbart.

Nach einem routinemäßigen Kontrollbesuch der zuständigen Sozialarbeiterin (Tasha Smith), bei dem Abby nicht gerade subtil (erfolglos) auf diese ungewöhnlichen Punkte hinzuweisen versucht hat, wird Ethan plötzlich krank. Eve, welche früher mal als Schwester in einer Klinik gearbeitet hat, diagnostiziert eine Lebensmittelvergiftung und übernimmt dementsprechend die nötige Pflege bei sich daheim. Abby glaubt ihr nur anfangs, doch da eine Genesung zunehmend länger auf sich warten lässt, recherchiert sie selbst im Internet und entwickelt die so Vermutung, dass Eve unter dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet. Dies würde nahe legen, dass das Essen bewusst vergiftet wurde bzw noch immer wird, weshalb sie in Folge dessen aufhört, dieses zu sich zu nehmen und stattdessen verzweifelt nach einer Chance sucht, gemeinsam mit ihrem inzwischen extrem geschwächten Bruder unbemerkt die abgeriegelte Villa zu verlassen, welche zu ihrem Gefängnis geworden ist – dabei stößt Abby allerdings auf ein Geheimnis, das eine schreckliche Wahrheit zutage fördert, welche sie einer noch akuteren Gefahr aussetzt sowie die Lage vollends zur Eskalation treibt…

Obwohl sich die jeweiligen Storys bestimmte Elemente teilen, unterscheidet sich „the Good Mother“ in anderen Bereichen deutlich von „the Glass House“, was bereits bei dem Schauplatz der Ereignisse beginnt: Statt einer kühlen, modernen Architektur, weist das auf der Spitze eines kleinen Berges gelegene sowie von Palmen umgebene Gebäude hier einen klassischen südkalifornischen Stil auf, welcher unverkennbar mexikanische Einflüsse beinhaltet. Das gesamte Szenario erscheint somit ungleich wärmer, was die strahlende Sonne am blauen Himmel zusätzlich unterstützt. Zwischen den verwaisten Kindern und den Goodes bestand im Vorfeld keinerlei Verbindung – folglich geht es den Adoptiveltern nicht um eine finanzielle Bereicherung dank eines ggf. vorhandenen Erbes, sondern ausschließlich darum, sie zwecks Familienbildung zu sich zu nehmen. Insgesamt stehen dieses Mal eher die Erwachsenen im Mittelpunkt – beginnend mit dem Titel sowie der Tatsache, dass man vor dem ersten Zusammentreffen der zwei „Parteien“ die Vorgeschichte des Ehepaars aufgezeigt bekommt, jene von Abby und Ethan hingegen nur aus einer kurzen Konversation hervorgeht.

Für eine Geschichte wie diese ist es zwingend notwendig, Schauspieler zu besetzen, welche die betreffenden Emotionen und Handlungsweisen glaubwürdig zum Ausdruck bringen – und genau das wurde hier erreicht, indem man, auch angesichts des zur Verfügung stehenden Budgets, gezielt auf erfahrende TV-Serien-Darsteller zurückgriff. Newcomerin Jordan Hinson (TV´s“Eureka“/Go Figure“), die in manchen Einstellungen einer jungen Reese Witherspoon verblüffend ähnelt, liefert eine starke Vorstellung ab und gewinnt selbständig die Sympathien der Zuschauer, ohne dass ihr diese erst in Anbetracht von Eve´s Verhalten zukommen. Als ihr Bruder Ethan ist der neun Jahre alte Bobby Coleman (TV´s“Surface“/“Friends with Money“) zu sehen, der ebenfalls überzeugt und darüber hinaus gar nie nervt, was bei Kids bzw Charakteren in seinem Alter weißgott nicht selbstverständlich ist. Jason London (TV´s“Wildfire“/“Carrie 2“) besitzt einen etwas undankbaren, weil wenig fordernden Part, fällt aber keineswegs negativ auf und erfüllt seinen Zweck innerhalb der sich entfaltenden Abläufe ohne Beanstandung. Kommen wir nun zu den Goodes, welche, gemeinsam mit Abby/Jordan, den Film im Endeffekt vor einem Verschwinden im Nebel der Belanglosigkeit bewahren: Der charismatische Joel Gretsch (TV´s“the 4400“/“Minority Report“) gefiel mir richtig gut als Ehemann, der seine Frau so sehr liebt, dass er sich bewusst in ihrem Schatten hält sowie ihre Verhaltensweisen duldet, da er irgendwann erkannt hat, was für Folgen ein Ändern dieser Ordnung für beide bedeuten würde. Im Gegensatz zu Joel´s Figur in Spielberg´s „Taken“, kann man Raymond für seine Entscheidungen nicht wirklich verabscheuen – während der gesamten Zeit ist man zudem kaum sicher, auf welcher Seite er steht (wenn es hart auf hart kommt) bzw zu was er fähig ist. Angie Harmon (TV´“Law & Order“/“Seraphim Falls“) ist es allerdings, die mit ihrer Performance am meisten zu beeindrucken vermag, u.a. weil man sie bislang noch nie irgendwo derart kühl und bedrohlich agieren sehen konnte. Sie wirkt authentisch in ihrer Darbietung, beherrscht die stetige emotionale Wandlung von einer ehrlichen Liebe hin zur Obsession perfekt und verleiht Eve die nötige Tiefe und Glaubwürdigkeit, die sie über weite Strecken nicht eindimensional erscheinen lässt – erst gegen Ende gleitet der Part (Drehbuch-bedingt) in bekannte stereotype Gefilde ab. Wenn sie Abby in eine Ecke drängt und zu ihr mit ruhiger Stimme „I´m twice the Bitch you think you are“ meint, nährt das die bedrohliche Grundstimmung und ist keine leere Phrase – dem Betrachter ist das ebenfalls vollkommen klar.

Der Verlauf folgt letztendlich dem recht simpel gestrickten, bekannten Schema, was zwangsläufig eine gewisse Vorhersehbarkeit mit sich bringt – nur übernimmt er in diesem Zusammenhang zugleich alle Merkmale des klassischen Spannungs-Aufbaus bzw -Bogens, weshalb trotzdem hinreichend Suspense generiert wird, um keine Langeweile entstehen zu lassen, sofern man mit ruhigeren dramatischen Thrillern etwas anzufangen weiß, die ihre Kraft nicht vornehmlich aus reißerischen Schauwerten, sondern wesentlich aus den Taten sowie charakterlichen Eigenschaften und Veränderungen der betreffenden Persönlichkeiten ziehen. Als besonders gelungen erachte ich die Einbindung des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms, einer äußerst interessanten psychologischen Störung, bei der man sich zum Teil eng an die Fakten gehalten hat (darunter leidende Menschen besitzen oftmals ein fundiertes medizinisches Wissen, ca.90 Prozent der Täter sind Mütter etc), an einigen Stellen jedoch leicht davon abgewichen ist, allerdings innerhalb eines toleranten Rahmens. Man hat es demnach nicht bloß mit einem „durchgeknallten“, vielmehr mit einem kranken, Therapie-bedürftigen Individuum zutun – der Eindruck eines Psychopathen entsteht zum Glück erst im letzten Akt, welcher innovationslos strikt auf den aus vergleichbaren Werken gewohnten Pfaden wandelt, wie z.B. „the Hand that rocks the Cradle“.

Regie-Neuling Antin hat bei seinem Debüt auf diesem Gebiet die Zügel fest im Griff. Von der ersten Szene an wird unterschwellig ein Gefühl erzeugt, dass irgendetwas unter jenem Dach nicht ganz stimmt – nur weiß man nicht, was genau das ist, da es gleichwohl eine falsche Fährte sein könnte. Als Raymond seiner gerade den Abwasch tätigenden Frau mitteilt, dass ihr Sohn aus seinem Zimmer verschwunden und eventuell nach draußen gegangen ist, trocknet sie sich erst die Hände ab und hilft ihm dann bei der Suche – diese Sekunden kommen einem einen ganz kurzen Augenblick zu lang vor, man rechnet ihnen aber im Nachhinein kaum Wert zu, im Angesicht ihrer aufrichtigen, erschütterten Reaktion, nachdem Stunden später das ertrunkene Kind von Rettungskräften tot geborgen wird. Es sind etliche solcher subtilen Einstellungen und Details, die unaufdringlich Spannung erzeugen, was der feinfühlige Score von Steven Gutheinz wunderbar unterstreicht. Die ruhige Kameraführung liefert die passenden, schön arrangierten Images dazu, welche die Locations wie ein Traum erscheinen lassen, der für die Beteiligten stetig düsterer und albtraumhafter gerät, bis gegen Ende der Inszenierungsstil, im Einklang mit der emotionalen Stimmung, ebenso an Hektik sowie Tempo gewinnt. Zusätzlich unterstützt vom angepassten Editing, markiert das einen konstanten, mustergültigen Anstieg, der im vergleichsweise überzogenen Showdown seinen Höhepunkt findet, selbst wenn die Intensität aufgrund der absehbaren Hergänge insgesamt nie ein Optimum erreicht – punktuell hingegen lassen sich diverse effektive Momente finden, wie etwa eine beklemmende Abwasch-Szene oder ein Schleichen Abby´s durch den dunklen Flur, bei welchem, nach dem Passieren einer Säule, plötzlich Eve hinter ihr auftaucht und ihr unbemerkt einige Schritte lang folgt. Was mir weniger gut gefallen hat, war ein nie aufgeklärter nächtlicher Besucher auf dem Grundstück, der im ersten Drittel an einem Fenster vorbeihuscht und Abby in Sorge versetzt, ein mit dem Lüften des „Geheimnisses“ einhergehender Logikpatzer (Stichwort: Verantwortung/Kontrolle der Behörden) sowie die „üblichen Zufälle“ (Ben ist nunmal ein Cop, ein fallen gelassenes Werkzeug nimmt später eine wichtige Rolle ein etc). Erwartungsgemäß hat man auf brutalere Sequenzen verzichtet – obwohl zwei Situationen überraschend direkt aufgezeigt werden: Das Nähen einer Schnittwunde ohne Betäubung und das Auftragen eines ätzenden Scheuermittels auf Ethan´s Rücken mitsamt der Folgen für die Haut. Das so erzeugte unangenehme Gefühl passt sich der eindringlichen Atmosphäre innerhalb des Hauses tadellos an.

Fazit: Alles in allem ist „Glass House: the Good Mother“ ein kurzweiliger, stark gespielter, wenn auch arg konventioneller Thriller, der sich perfekt für einen herbstlichen Dienstagabend auf der heimischen Couch eignet, an welchem man mal keine Lust hat, raus zu gehen oder sich die üblichen Serien im TV anzuschauen … „6 von 10“

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