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"Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" erweist sich als gleichermaßen eindrucksvolles wie ungewöhnliches Westernepos, das sich keinesfalls in eine vorbereitete Schublade stecken lässt. Im Gegenteil: Regisseur Andrew Dominiks ("Chopper") präsentiert hier eine ungewöhnlich ruhige, erzählintensive und passagenweise melanchonische Demonatage der Legende Jesse James (Brad Pitt) und ihres "Bezwingers", dem Feigling Robert Ford (Casey Affleck), die in ihrem totalen Verzicht auf klassische Westernklischees, actionorientierte Inszenierung und strahlende Heldenfiguren klar den anspruchsvolleren Cineasten anspricht. Wer darüberhinaus kein Sitzfleisch besitzt, ist bei Andrew Dominiks eigenwilligem Abgesang ohnehin falsch aufgehoben.

Zu keinem Zeitpunkt setzt die in düsteren, beinahe farblosen Bildern im wahrsten Sinne des Wortes vorgetragene Geschichte auf hollywoodgerechtes Tempo oder knisternde Spannung. Der die Auflösung vorwegnehmende Filmtitel deutet bereits an, dass dies niemals die Intention hinter dem Film gewesen ist. Dementsprechend lässt sich Dominik dann auch viel Zeit mit der Entfaltung seiner Charaktere und deren interpersonellen Konflikten. Die zumeist abgelegenen, teils tief eingeschneiten und letztlich unspektakulären Schauplätze des Geschehen tragen hierzu wesentlich bei, indem sie eine enorm dichte, ablenkungsfreie Atmosphäre befördern, die eine nahezu völlige Fokussierung auf die beiden grandios aufspielenden Hauptakteure ermöglicht. Dabei ist es vor allem Casey Afflek, der seinem Alter-Ego Robert Ford eine grandiose Tiefe verleiht. Seine Verschlossenheit, das zeitgleiche ehrfürchtige Aufsehen zu seinem Kindheits-Idol und der bald folgende heimtückische Verrat korreliert wunderbar mit dem desillusionierten Charakter des Jesse James. Der Held diverser Comics und Geschichten demystifiziert sich geradezu: Rohe Gewalt, ständiges Leben auf der Flucht und ein bröckelndes Selbstbild zeichnen stattdessen seine beinahe schon tragische, von Brad Pitt hochkarätig repräsentierte Figur aus.

Und so beginnt der tödliche Konflikt zweier Antihelden zu schwelen, zunächst fast nicht wahrnehmbar, dann zunehmend intensiver und für so manchen Nebencharakter alsbald mit tödlichen Konsequenzen. Dass "Die Ermordung des Jesse James" schließlich kein knalliges High Noon-Finale a la "Open Range" bietet, leuchtet beinahe von alleine ein. Unspektakulär und leise wie sie begann endet die Geschichte um Robert Fords feigen Verrat schließlich für alle Beteiligten früher oder später verheerend - und der Zuschauer bleibt recht beeindruckt zurück. Andrew Dominik hat hier ein kleines, komplexes Kunstwerk geschaffen, zu dem man jedoch erst einmal den Zugang finden muss. Dies gilt auch für den extrem von Stilmitteln geprägten Bilderreigen, der kaum Spektakuläres zu bieten vermag, ja durch seine eingeschränkte Farbwahl und regelmäßigen Schärfe/Unschärfe-Fokus passagenweise fast schon einschläfernd wirkt. Doch die Kompoisiton erweist sich in Bild und Ton als überraschend stimmig. Getragen von hochklassigen Darstellerleistungen und einem unverbrauchten, sehr individuellen und unterkühlten Stil spielt sich "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" mit Leichtigkeit in die Oberliga des wiedererstarkenden Westerngenres.

Irgendwie spielt Dominiks düstere Interpretation dann letztlich aber doch außer Konkurrenz, weswegen wegen die knauserig anmutenden 7 Wertungspunkte meinerseits nicht misszuinterpretieren sind. Nach einer zweiten konzentrierten Sichtung sind 8 Punkte wohl ohne weiteres drin.

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