Hail to the King
Hätte Quentin Tarantino nach diesem Film aufgehört, er wäre trotzdem einer der größten aller Zeiten. "Pulp Fiction" ist sein Grand Epic, sein verfrühter Schwanengesang & perfektes Beispiel für seinen einzigartigen Stil. Anfangs mochte ich den Film gar nicht so sehr, fand sowohl "Reservoir Dogs" als auch seine neueren Filme spannender, interessanter & besser. Mit den Jahren & wiederholtem Sehen, dämmerte es mir endlich. Das Interesse ließ nicht nach, die ineinander verkeilten Gangsterepisoden wurden nicht langweiliger, der Stil offenbarte immer wieder neue Genialitäten & Anspielungen, die Coolness wuchs unaufhaltsam. Wie ein guter Wein, machten die Wiederholungen, das Alter, den Film besser. So gut & von einer kultähnlichen Fanbase verehrt, dass er sich mittlerweile mit den Paten & Herrn der Ringen dieser Welt, um den Titel des besten Films aller Zeiten streiten darf. Meiner Meinung hat er gute Chancen gegen die zwei Schwergewichte, selbst wenn/gerade weil die zwei mit Reihengepäck daherkommen.
Die Schauspieler sind cool, liefern die genial geschriebenen Lines auf den Punkt. Der Style war etwas ganz Neues & quillt über vor Anspielungen auf die Popkultur. Der Soundtrack gehört in die Top 5 aller OSTs. Aber all das, sind nur Kleinigkeiten, gegen das, was Tarantino selbst, als Regisseur, an den prachtvoll gedeckten Tisch bringt. Nämlich den Aufbau der Story, das geniale Editing. Diese mehreren, ineinander geschobenen Kurzfilme, die immer wieder überlappen & die Zeit durchbrechen, machen den Film wortwörtlich zeitlos & so gut. Man weiß nie was als nächstes geschieht, selbst wenn man den Film fast auswendig kennt. Spannung, Witz, Coolness - alles bis aufs Maximum gedreht & so runtergespielt, wie noch nie. Und seitdem auch nicht mehr, trotz unzähliger Nachahmer. Zu behaupten, kein Film in der Geschichte hatte bisher mehr Einfluss auf alles Folgende, ist keine weit hergeholte Behauptung. "Pulp Fiction" spielt da mit dem überraschend ähnlichen "Citizen Kane", in einer eigenen Liga. "Pulp Fiction" könnte man in einem Stück zitieren, enthält mehr Schimpfwörter als man zählen kann (obwohl das natürlich auf YouTube gemacht wurde) & jeder Charakter hätte ein Spin-Off verdient - der Weg ist hier das Ziel & der geht nicht lässiger.
Ein Film, der mit dem Geschmack & Filmwissen des Zuschauers wächst - also bitte mehrere Chancen geben, alle paar Jahre einfach nochmal schmecken lassen. Vielleicht hätte Tarantino, sowohl was den Härtegrad als auch das Ziel bzw. die Aussage des Films angeht, noch etwas mehr in die Vollen gehen sollen, aber seine Gewaltorgien folgten ja später. Dieses bunte Potpourri kommt auch ohne übermäßige Gewalt & Zeigefreudigkeit aus, zu Entdecken & zu Staunen, gibt es so schon genug. Keine Bazooka, eher ein Sniper mit Giftpfeil - du bist verloren, bevor du es wirklich begriffen hast. Es fühlt sich manchmal an wie ein Mittelfinger an alle, ein kompliziertes Chaos, ein egoistisches Eigenbrödsel - und trotzdem macht Tarantino die Teile passend. Tun, was er will, und trotzdem so gut, dass niemand ernsthaft haten kann - kein Wunder, warum der Mann so eingebildet wirken kann. Er kann es sich halt leisten. Man merkt hier, dass er ein Filmfan ist wie wir, was ihn trotz aller Verschrobenheit wieder sympathisch macht. Talent können ihm mittlerweile selbst seine größten Kritiker nicht mehr absprechen, beweisen muss er nada.
Fazit: Tarantinos voller Durchbruch ist gleichzeitig sein künstlerisch größter Erfolg. Ein verschachteltes Mosaik aus Gangster-Coolness, enormem Filmwissen & einer unvorhersehbaren Story, das die Filmwelt in seinen Grundfesten erschütterte & dessen Wellen auch heute noch spürbar sind! Ein Geniestreich für die Geschichtsbücher, unnachahmlich.