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Drei Geschichten werden nicht nacheinander, sondern ineinander verwoben erzählt. Hier die chronologische Schilderung: Zunächst bekommen zwei Auftragskiller, Vincent und Jules, Probleme, als einer der beiden versehentlich eine Geisel erschießt und sie plötzlich den blutverschmierten Wagen loswerden müssen. Abends muß Vincent während der Abwesenheit seines Bosses Marsellus Wallace dessen Frau Mia ausführen, doch auch der Auftrag schlägt fehl: Diese nimmt unbeabsichtigt eine Überdosis Heroin und verliert das Bewußtsein. Was nun? Am Tag darauf muß der Boxer Butch vor Wallaces Rache flüchten, weil er nicht - wie versprochen - seinen Kampf verloren hat. Doch im Eifer des Gefechts hat seine Frau ein altes Familienerbstück, eine goldene Uhr, in seiner Wohnung vergessen. Notgedrungen muß Butch zurück. Doch in der Wohnung wartet Vincent auf ihn, um ihn zu erledigen...
Quentin Tarantino gelang mit "Pulp Fiction" vielleicht der Kultfilm der 90er. Tatsächlich bringt der Film alles dafür mit. Der absolute Clou ist die Tatsache, daß Tarantino die Konventionen des üblichen Kinofilms bricht und seine Handlung nicht chronologisch erzählt. Sein Film besteht aus insgesamt neun verschachtelten Sequenzen - ungeordnet wie ein Puzzle. So wird die erste Szene, der geplante Überfall von Pumpkin und Honey Bunny auf einen Coffeeshop, erst in der letzten Sequenz fortgeführt und beendet - so wie auch die zweite erst wieder in der achten. Dieses besondere narrative Schema macht es auch möglich, daß eine Person umgebracht wird, um in der Szene darauf wieder unversehrt aufzutauchen. Eine geniale Idee meisterhaft umgesetzt, denn zusätzlich weiß auch die Story selbst durchgängig zu unterhalten, wobei mir die Szenen mit den beiden Killern (John Travolta und Samuel L. Jackson) am meisten gefallen. So diskutieren sie auf dem Weg zur Erfüllung ihres Auftrags nicht etwa über die bevorstehende Tat, sondern über Amsterdam und Fußmassagen. Man bedenke: Sie werden in wenigen Minuten drei Menschen erschießen. Auch wie langsam und souverän sie an ihre Arbeit gehen, ist einfach nur als ‘obercool‘ - um es einmal in der modernen Jugendsprache auszudrücken - zu bezeichnen. So ißt Jules zuerst einen Cheeseburger und trinkt die Sprite eines seiner Opfer. Nebenbei verwickelt er es in ein belangloses Gespräch. Außerdem darf sein Bibelspruch nicht fehlen, bis er und Jules dann endlich mit der Exekution beginnen: "Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Und da steht weiter: Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen, meine Brüder zu vernichten und zu vergiften, und mit Grimm werde ich sie strafen, da sie erfahren sollen: , wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe."
Samuel L. Jackson gibt in seiner Rolle den geborenen Killer ab, während man sich John Travolta, der mit diesem Film nach etlichen Flops endlich wieder an alte Erfolge ("Grease") anknüpfen konnte, als Gangster kaum gutmütiger vorstellen kann. Dafür wurde er mit einer Oscarnominierung belohnt.
Wie oben bereits erwähnt (Stichwort: Fußmassage), sind die wahnsinnig komischen Dialoge sowie allgemein der Sprachwitz, der diesen Film prägt, ein ganz großer Pluspunkt. Was sich der Drehbuchautor da alles aus den Fingern gezogen hat, ist einfach phänomenal, nicht nur im Gespräch zwischen Vincent und Jules. Man denke auch an die knisternden Dialoge zwischen Mia und Vincent.
Die groteskeste und haarsträubendste Szene ist sicherlich die, als Vincent Mia eine riesige Spritze ins Herz stoßen muß, um sie nach ihrem Drogenüberschuß ins Leben zurückzuholen. An Hirnrissigkeit, hier positiv gemeint, sind diese Minuten sicherlich kaum zu überbieten.
"Pulp Fiction" lebt selbstverständlich auch von den grandiosen Schauspielern - bis in die kleinste Nebenrolle tauchen fast ausschließlich nur bekannte Gesichter auf, seien es Harvey Keitel, Christopher Walken, Tim Roth, Amanda Plummer oder auch Rosanna Arquette und - nicht zu vergessen - Bruce Willis als Butch sowie Uma Thurman als bezaubernde Mia. Selbst Regisseur Tarantino tritt in der Nebenrolle des Jimmy auf, als Freund von Jules, der nun gar nicht zu einem solch coolen Gangster wie Jules passen will.
Außen vor gelassen werden darf an dieser Stelle auf gar keinen Fall der phantastische Soundtrack, der nun wohl wirklich jeden mitreißen dürfte. Gerade die irre Musik zu Anfang zieht einem die Schuhe aus. Sie bleibt ebenso unvergeßlich wie zahlreiche Filmausschnitte, die heute immer noch gern für eine Parodie verwendet werden.
Der einzige Wehrmutstropfen - wenn man es denn so nennen will - ist die Filmlänge. Mit rund zweieinhalb Stunden gehört "Pulp Fiction" nicht gerade zu den Filmen, die ich mir ununterbrochen ansehen kann, obwohl er es zweifelsohne verdient hätte.

Fazit: Ein Film, zu dem viel gesagt wurde und zu dem nicht mehr viel gesagt werden muß. Diese phantastische schwarze Gangsterkomödie, die ein neues Zeitalter eröffnet hat, darf zu einem der ganz großen Beiträge der letzten Jahre zählen. Regisseur Tarantino schuf ein eigenwilliges und in dieser Form einzigartiges Werk, dessen Nachahmer die Qualität von „Pulp Fiction“ bis heute nie erreichten.
GESAMT: 9/10 (Unterhaltungswert: 9 - Handlung: 10 - Schauspielerische Leistungen: 9 - Kameraführung/Atmosphäre: 9 - Musik: 10)

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