Review

Es soll ja Filme geben, die von Minute zu Minute immer besser werden, es ihnen nach und nach gelingt, den Zuschauer mehr oder erst recht zu packen, zu interessieren, zu faszinieren. Seltene Beispiele, in denen man schon kurz vor dem Wegdriften oder dem gleich Abschalten steht, bevor man plötzlich etwas entdeckt, dass man vorher nicht zu glauben hoffte oder wagte.
Tough Guy ist leider keines dieser Exemplare, sondern das exakte Gegenteil.

Auch eine Kunst, die von vornherein aufgrund Herstellungsjahr und -firma, sowie Regisseur und Darsteller doch eher niedrigen Erwartungen nicht nur zu unterbieten, sondern sich noch zusätzlich als vielleicht kleine Überraschung zu verkleiden und dann rasch sämtlichen Putz zu verlieren. 20, 30 min geht die Maskerade gut, aber dann ist nur noch rapide sinkender Fall zu beobachten. Ein Sturz ins Bodenlose, der viel Nerv und Geduld beim Zuschauer abverlangt, um mit hechelnden Atem und rollenden Augen ins Ziel zu torkeln.

Was ist nun so schlimm an dem Film mit dem knalligen Allerweltstitel, der von der Aufmachung und der B-Prominentenbesetzung der alten Schlagbolzen Yu Rong Guang und Billy Chow durchaus anlockend ausgestattet ist und so angepriesen sicherlich manch Unwissenden in die heimtückische Falle gelockt hat ? Klare Antwort: Das Drama.

Statt sich auf einen reinen Actioner im sogar korrekten Setting mit entsprechend klaren Figuren und ihren kontrastierenden Problemen zu verlassen möchte man die eher kurze Zeit noch überplanmäßig mit Herz und Seele füttern. Eine Art Regarding Henry, oder dessen asiatische Variation Loving You sein; was prompt schief geht und das restliche, so nicht mehr überlebensfähige Konstrukt gleich mit rein reißt. Dass die Chinesen, oder eher gesagt die Kantonesen mit dem Spiel um Gefühl und Emotionen so ihre Schwierigkeiten haben, ist keine Neuigkeit. Entweder man verfällt in die blanke Übertreibung, kann diesen etwaigen Pathos aber mit einer wenigstens ehrlich gemeinten Aussage dahinter abfangen. Oder man versteckt sich im Vorhang von Ruhe, Stille und Besonnenheit; was man seitens der Crew wohl gerne als "zarter Kontenance im Dämmerzustand von Schwermut und Gram" und "Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zugunsten gefasst beherrschter Gemütsbewegung" charakterisiert haben möchte. Tough Guy ist leider nichts davon, sondern in diesem Aspekt nur laut, aufdringlich, nervig und verkauft den Betrachter obendrein noch durchgängig für sehr blöd; eine Mischung, die unweigerlich abstösst und sich einem Bumerang gleich auf den Verursacher zurückwirft.
Die kiss and tell story startet Weihnachten:

May Chui [ Xu Jinglei ] ist zwar seit zwei Jahren mit dem Polizisten Pan Chan [ Woody Chan ] verheiratet, hat ihn aber in dieser Zeit kaum und wenn dann noch geistesabwesend oder schwer beschäftigt zu Gesicht bekommen. Pan ist zusammen mit seinem Kollegen Chinny Yiang [ Yu Rong Guang ] als undercover beim Kriminellen Master Kin [ Billy Chow ] eingeschleust und stellt die Arbeit grundsätzlich über die Familie. Da May sich beim Santa Claus wünscht, ihren Mann auch mal daheim zu haben, geht ihr Wunsch alsbald in Erfüllung, allerdings mit schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Bis zur Aufklärung dieser andeutenden Wendungen kann man noch mühelos folgen; happig wird es erst, als sich die cops and robbers Formel als rein oberflächlicher Rahmen abzeichnet und dann auch schon wieder zu verblassen beginnt. Zwar beginnt man mit einem ausschweifend illegalen Juwelendeal, der sich in eine heillos wüste Festnahme, einer anschließenden Flucht und vielen Rachetaten steigert, würzt dies auch noch mit Korruption und Betrug unter Uniformträger und stattet beide Seiten der Medaille mit hoher Belegschaft und ebenso hohem bodycount aus. Verliert dann aber sein Ziel aus den Augen und gestaltet das absurd-ansehnliche Werk zu einem erbarmungswürdig unpässlichen tearjerker, der mindestens vier Klassen unter den schon ebenfalls eher nicht so gelungenem Mike Nichols / Johnnie To gelegen ist und deswegen arg um seine Versetzung strampeln muss. Vor allem die fokussierende Persönlichkeitsentwicklung von Pan Chan, der sich nach einem Zwischenfall im Job einen ominösen, sein Nervensystem und das Gehirn angreifenden Virus eingefangen hat und die letzten verbleibenden Wochen mit seiner bisher vernachlässigten Frau verbringen möchte, reißt das bisher durchaus unterhaltsame, wenn auch nur auf obskure Art gelungene Werk deftig rein.

Jedwede Regung, jede Anwandlung, jedes Wort zwischen den Eheleuten ist sowohl vor als auch noch mehr nach dem Unfall ein eigentümlich anstößiges, polternd unbeholfenes Chargentum. Mit denkbar dubiosem Regiekonzept und mangelnd hilfloser Schauspielführung versehen wird sich unbarmherzig durch noch so jede banale Aussage gewütet, gestikuliert und grimassiert und ein extrem unnatürliches Bild fader und gleichzeitig krachend mißstimmiger Befindlichkeiten abgeliefert. Gerade die so wichtige männliche Hauptrolle ist mit seinem peinlich illustrativen Grinsen, den nach dem Drehbuch suchenden Augen und dem angestrengten, niemals glaubhaften Insichgehen zum Scheitern verurteilt. Die direkte Mitspielerin wird zwar mit Xu Jinglei von einer jungen Dame verkörpert, die hier nach ihrem Abschluss im Performance Institute an der renommierten Beijing Film Academy ihr Debüt feiert und zusammen mit Zhang Ziyi, Zhou Xun und Vicky Zhao Wei [ = die Four Small Flowers ] mittlerweile zu den beachteten und erfolgversprechenden Akteurinnen gehört. Aber abseits dieser rückwirkenden Eckdaten auch keinerlei Wirkung einbringen kann, eher noch quasi tatsächlich die attraktive Blumenvase spielt und sich weder ihr noch dem Publikum mit diesem indisponiert-abwesenden Auftritt und seiner einschneidenden Handlungsveränderung zu einem wertgeminderten Elendspiel einen Gefallen tut.

Was bleibt ist der Schauplatz; zwar auch hier nach objektiven Maßstäben ein verhunzter Zwitter aus Gegenwart und Vergangenheit, der wahrscheinlich das beliebte Shanghai der 30er verkörpern soll, aber irgendwie stark nach undefinierbarer, irrealer, recht billig zusammengeschusterter Zwischenwelt aussieht. Genaue Zeit- und Ortsangaben hat man der geheimen Phantasie überlassen; eine Ausrede, die wahrscheinlich nötig war, aus diesem brüchig durchscheinenden Pappmachékonstrukt immerhin etwas Glaubwürdigkeit zu beziehen. Kann so ja sonst was ergeben, ohne das man es beweiskräftig auseinander nehmen kann. Die vergilbten, abgeblätterten, nur von alter Farbe und kalten Leim zusammengehaltenen Wände und die wenigen ebenso unterernährt schwankenden Möbel sonst zumeist leerer Ateliers ergeben wenigstens eine gewinnbringend beflügelnde Mischung aus Halluzination und Wirklichkeit.

Ein magischer Ort, der ähnlich seinen ruhmreichen Vertretern Revanchist, Shanghai Affairs oder Bloody Brothers eine Gesellschaft im Übergang mit sehr kostengünstiger Prachtentfaltung zeichnet. Ähnlichen Liebreiz entwickelt dann auch die Action, die zuweilen gar mal auf größere Szenerien innerhalb der baufälligen Theaterkulisse setzt, jegliche physikalischen Wahrscheinlichkeiten dafür streicht und sich in der eigenen albernen Widersinnigkeit sichtlich wohl fühlt. Da werden mit bloßer Hand steinerne Mauern durchbrochen – in einem glühendheissen Hochofen wohlgemerkt –, sich Verfolgungsjagden in Schrittgeschwindigkeit geliefert, im Fangnetz herumgerannt und während erbitterter Schießereien auch schnell mal schmucke Musikboxen im zersplitterten Schaufenster erworben. Die wenigen gelungenen Einstellungen und Bewegungen in den Fights werden entweder durch slow- bzw. blurmotion verätzt; es hilft auch nicht sonderlich viel, wenn die Kämpfer durch ihre karierten XXL-Beinkleider, die sie scheinbar am Hals zuknöpfen und den strammsitzenden Hosenträgern aussehen wie riesige Clowns.

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