Review

Fangen wir doch ausnahmsweise gleich mal mit der Zusammenfassung an.
"Ils" aka "Them", wie er bei uns vermarktet wurde, hat zwar einen gewissen Ruf im Genre, aber den hat der relativ kurze (75 Minuten inclusive Abspann) lediglich aufgrund zweier Tatsachen: einmal ist es eine einzige Wendung, nämlich die Identität der Angreifer, und dann ist es das möglichst geschickte Ausbeuten einer singulären klassischen Filmsituation.

Hier ist der "Pitch" dazu: ein abgelegen wohnendes Pärchen, zu Gast in einem fremden Land (in diesem Fall: Rumänien) wird eines Nachts von Unbekannten erst gestört, dann belästigt, dann per Einbruch attackiert. Die äußerst brutal bzw. rücksichtslos vorgehenden Unbekannten hetzen von nun an Mann und Frau erst durch das Haus, dann durch die umliegenden Anlagen, bis man notgedrungen zurückschlagen muß.

Das ist dann auch schon alles, was man für einen kleinen, aber dichten und deswegen recht intensiven Thriller braucht: ein abgelegenes Haus, Protagonisten und das Unheil im Dunkel der Nacht. Die Franzosen David Moreau und Xavier Paludd erweisen sich als so geschickt wie schlicht, das Bestmögliche aus dieser Nichtstory oder urbanen Legende oder wahrem Fall (je nach Lesart) herauszuholen, ohne a) durch allzu große Pausen zu langweilen und b) das Publikum durch enorm miese Entscheidungen der Figuren genretypisch zu verärgern.
Was man zu sehen bekommt, ist über weite Strecken höchst funktionell, die Vorwärmphase dient zur Verteilung aller nötigen Informationen: sie Lehrerin in fremdem Land, er Autor, beide zusammen halbgar wohnhaft in einem weitläufigen Gebäude, das aber nur zum kleinen Teil behelfsmäßig möbliert ist. Der Weg nach Hause deutet die Abgeschiedenheit an; die Natur, ein Waldgebiet zingelt die Figuren ein, nur ein Hund findet den Weg zu ihnen. Was sie erwartet, deutet die Startsequenz an, in der Mutter und Tochter (beide schön mies drauf) nach einem kleinen Unfall den Löffel abgeben müssen, als sie zulange in der Gegend herumstehen.

Sobald es also Nacht ist (und nach dem üblichen Beischlaf, nicht gezeigt), geht der Tanz los. Seltsame Geräusche im Tann, ein Auto in der Einfahrt, grelle Lichter von draußen, dann geht die Sicherung flöten und alsbald ist klar, da ist jemand im Haus. Und der macht, wie eine Scherbe im Bein und ein Messer durchs Schlüsselloch beweisen, keine Gefangenen.
Wer der bzw. die Angreifer sind, verhüllen die Macher äußerst geschickt, der Film dreht sich praktisch nur darum, den Attacken auszuweichen bzw. sie zu überleben und gleichzeitig die Hauptfiguren davon abzuhalten, ihren Killern mal ins Gesicht zu sehen. So entsteht eine hübsche, nicht allzu blutige, aber eben enorm getriebene Hetzjagd, bei der man die Sicht der Angreifer endlich mal pflichtschuldigst meidet, um sich wechselnd (wer zweifelt an einer zeitweisen Trennung des Paares?) mit den Opfern auseinander zu setzen.

Das ist dann, und da möchte ich in aller Deutlichkeit vorwarnen, nichts für Leute, die gerne sehen, wie es konstruktiv voran geht, "Ils" ist vielmehr etwas für Defensivfreaks, die gern Terrorfilme einpfeifen, aber es aushalten können, wenn man eben nicht irgendwann mitansehen darf, wie irgendjemandem der Schädel gespalten oder die Nudel abgesägt wird.
Gleichzeitig ist das Geschehen damit auch nicht endlos spektakulär, es ist aber ein netter, wenn auch etwas karger, kleiner Nervenzerrer, bei dem nächtliche Optik und Unschärfe den Hauptspaß ausmachen und Suspense den Gewinn bringt, etwa wenn die Dame des Hauses auf dem Dachboden zwischen verhüllenden Bauplanen bemüht ist, ihrem Mörder aus dem Weg zu gehen.

Interessant bzw. fatal an eben dieser klassischen wie abgedroschenen Konstellation ist jedoch, daß der Film genau in der Sekunde an Dampf verliert, als die Identität der Angreifer offenbar wird, denn von diesem Punkt an dreht es sich nur noch um die Frage, wer bzw. ob jemand das alles überlebt und wieso es überhaupt passiert, ohne für letzteren Punkt eine wirklich schlüssige Antwort zu liefern. Das ist dann auch schon das Schockierenste an der ganzen Geschichte, denn die Motivation bleibt rätselhaft, wie so manches echte Verbrechen, das aus Dummheit oder Langeweile oder purer Boshaftigkeit ausgeführt wird und die Spalten unserer Tageszeitungen füllt.

So ist "Ils" zwar kein Geniestreich, aber doch über weite Strecken recht wirksam, wobei der Kern der Geschichte, die Verfolgungsjagd, wegen der allgemeinen Kürze nicht einmal eine Stunde dauert und so kaum Platz für größere Löcher läßt, sondern auf permanente Atemlosigkeit setzt. Umgekehrt gibt es im Terrorfilm jedoch schlimmere und wirksamere Tour de Forces, die nachhaltigeres Schockpotential entwickeln, so daß dann doch wieder alles der Prämisse mit dem unbekannten Täter geschuldet ist, der natürlich die stete Frage zuläßt, wie man selbst entscheiden würde.
Bleibt zu hoffen, daß dieser Nägelkauer keine Eintagsfliege war, denn im Anschluß setzten Moreau und Paludd das "The Eye"-Remake mit Jessica Alba zumindest kreativ recht soft an die Wand, um sich dann erstmal von der Regisseursbühne zu verabschieden. Da wünscht man den beiden gute Ideen, denn gerade wegen der puristisch-absonderlichen Gestaltung ist der Erinnerungsfaktor bei "Ils" ziemlich stark. (7/10)

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