In den Katakomben eines Pariser Opernhauses wächst ein ausgestoßener Mensch unter Ratten auf. Jahre später gilt er als das eigenartige Phantom der Oper, der den Fluch begründet haben soll. Niemand hat ihn bisher gesehen, doch jeder fürchtet seine Existenz. Ausser die wunderschöne Christine (Asia Argento), deren Wille er sich bemächtigt und er zu ihrem Geliebten wird. Doch bald bemerkt Raul, der Nebenbuhler und ebenfalls Anhimmler von Christine die merkwürdigen Verhaltensweisen von Christine. Und nebenbei verschwinden immer mehr unschuldige Menschen aus der Oper und der Star Antonia wird mit Mord gedroht.
Dario Argentos eigenwillige und bisweilen sogar extrem eigenartige Eigeninterpretation von Das Phantom der Oper erschien in einer Schaffensphase des begnadeten Italoregisseurs, als er mit seinen Filmen Aura (1993) und The Stendhal Syndrome (1996) neue Ufer anuferte und sich vorallem den Sehgewohnheiten des amerikanischen Publikums unterwarf. In Bezug auf die vorangegangenen Filme vor Das Phantom der Oper, war das in seiner Bedeutung zwar maßgeblich für Argentos Stil, aber wesentlich unauffälliger, denn Argentos schuf mit diesen Filmen immer noch surreal angehauchte, künstlerische und vorallem erdrückende Spätgiallos, die gewiss Argentos Kunstfarbe trugen. Mit Phantom der Oper geht er aber gewiss andere Wege und so ist es auch unschwer zu erkennen, dass Argentos Handschrift bisweilen selten bis gar nicht durchblitzt. Ein paar wunderschön traumatisierend anmutende Bilder kann Argento auch hier einfangen, aber in seiner ganzen Inszenierung ist dieser Film einfach untypisch, natürlich auch in Bezug auf die Grundidee der Story. Das Phantom trägt wie typisch keine Maske, sondern ist ein düsterer, in Mantel bekleideter und langhaariger Schönling mit dem Gewissen Maß an Charme und Morbidität. Also insofern kein grosses Vergehen, denn die optische Brillanz passt auch so recht gut ins ohnehin düstere Grundbild des Filmes. Doch wenn ein Film mit besagter Szene in einem Luftschacht beginnt, wo jemand in zwei Körperhelften halbiert wird, dann kann man gewissem Film gewissen Selbstzweck in seiner Gewaltdarstellung nicht absprechen. Sicherlich sollte man aufgrund dessen keine Reduzierung auf gewisse Gewaltakte verüben, denn immerhin wartet Argentos Interpretation mit der gewissen ungleichen Liebesstory mit Attentaten auf die korpulente und im Vordergrund stehende Operngrazie Antonia auf, deren Erscheinung dem Phantom ein Dorn im Auge ist. Das Phantom, einsam und allein, in Sehnsucht lächzend, ein debiles aber genauso einfühlsames Wesen, gewinnt die Oberhand über Christines Gedanken, deren Wille und deren Gefühle. Diese merkwürdige Beziehung ist der emotionale Höhepunkt und mitunter auch der rote und auch tragende Faden in der eigentlich recht schmal gesäten Story, die sich allzu oft in mal wieder recht unpassende und selbstzweckhafte Gewaltorgien flüchtet. Dabei entstehen nicht nur gewisse Längen, auch jede Ernsthaftigkeit der recht künstlerisch schön ausgerichteten Story geht verloren. Aber was wäre ein Phantom der Oper ohne jegliche Attentate auf Schnüffler? Insofern eigentlich ein regelrechter Zwang und im Falle von Argento eigentlich nachvollziehbar, denn makabere Gewaltakte waren indes immer sein Markenzeichen, eben neben seiner traumhaft, kühlen wie auch tiefgründig optischen Anpassung. Doch in diesem Film wirken seine Gewaltinszenierungen stets wie nettes Beiwerk, in ihrer technischen Finesse selten gelungen, bis niemals unterhaltend, denn schnelle Schnitte sorgen eher für trockene Ernüchterung, auch wenn es bisweilen derbe blutig zugeht. Asia Argento sieht in ihrer Rolle einfach bloss abgöttich wunderschön aus, ohnehin rettet sie den Film in ihrer Darstellung um Weiten. Die weiteren Charaktere, vordergründig sicher das Phantom ist passend, die ekelhaft abgehobene und recht korpulente Opernfrau einfach bloss unsymphatisch, so wie es sein soll, der hysterische Rattenfänger mit seinen Rattentötungsideen ein Fall für recht trashig unfreiwillig komische Klaumaukeinlagen mit munterem komödiantischem Charme. Ansonsten sitzen die Kostume perfekt, die Kulissen begeistern, der Gothichorrorflair is präsent, doch Das Phantom der Oper ist am Ende ein recht stimmiger Film, der aber allzu unspektakulär und vorallem träge und seelenlos daherkommt.
Fazit:
Recht schöner, aber auch eigenwillige Verfilmung von Dario Argento, dessen Handschrift selten zu erkennen ist. Diverse blutige Gewaltakte füllen die recht schmale Story, Asia Argento in ihrer Hauptrolle retten zweifelsohne alles.
71%