Review

Wenn das nächste Mal in der Promotion stehen sollte, der angepriesene Film hat seine Awards in den Kategorien Best Costume Design und Best Art Direction gewonnen, schelten ab nun sofort als Erstes die Alarmglocken; und der Rückzug in die Chang Cheh Ecke wird angetreten. Dessen Filme sind zwar nicht so hübsch, aber man weiss zumindest, was man bekommt und bewegt sich auf relativ sicheren Terrain.
Bei Li Han Hsiangs The Tiger & the Widow bewegt man sich gar nicht. Und die wenigen Male, wo wie beispielsweise der Tod eines Goldfisches etwas passiert, bedürften weitaus mehr Hintergrunderläuterung, als Li bereit ist zu geben.

Das gleiche Problem hatte man auch mit seinem The Warlord [ 1972 ], der weder innerhalb seiner episodischen Handlung wirklich bis ins Detail nachvollziehbar war noch dann als Gesamtpaket komplett überzeugen konnte. Auch dort sah alles ungeheuer schmuck aus und die erschaffene Vergangenheitswelt wirkte in seinem Interieur so verlockend, dass man am liebsten den sofortigen Wohnantrag gestellt hätte; aber das ist nun mal nicht alles, was einen am Film in Erinnerung bleiben sollte. Und es kann die Schwächen von Drehbuch und Regie nicht über 90min lang übertünchen. Style over Substance mal nicht als Formel eines hippen Jungregisseurs, der ausser 20sec Blocks voll Werbung nichts kennt. Sondern von einem gestandenen Mann, der sich über Opernfilme und Palastepen bereits Anfang der 60er verdient gemacht hatte und mit opulenten Produkten der Traumfabrik Hong Kong bestens angefreundet hat.

Hier bleibt dann auch nur der Versuch über, kurz vor dem Durchbruch des modern day flicks noch einmal die alten verschwenderischen Tage wiederaufleben zu lassen und sich sowohl im Kostümfundus als auch im Andenkenshop ausgiebigts auszutoben. Dies hat dann auch zumindest soweit funktioniert, dass man in den betreffenden Bereichen seine sicherlich vollkommen berechtigte Anerkennung in Form von Preisen in Empfang nehmen konnte.
Zuschauern, die eine stringente Geschichte suchen, nützen die schönen Bilder als Ersatz dann aber doch nur wenig bis nichts:

Die Witwe Pei Chou Ju [ Tanny Tien Ni ] arbeitet nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit dessem besten Freund Xu Pao Shan, Spitzname „Tiger“ [ Anthony Lau Wing ] zusammen. Der Tiger und die Witwe führen ein Jahr nach dem verlorenen Krieg gegen Japan ein florierendes, aber illegales und mit dem Tod sanktioniertes Geschäft: Salzschmuggel.
Dabei kommen sie dem Aufsicht führenden Commander Yu Chen Piao [ Jason Pai Piao ] in die Quere; einem ebenfalls ehemals sehr guten Freund.

Diesmal also der Weg des weißen Goldes als Aufhänger für strittige Personenkonstellationen und widersprechende Motive; Kauf und Verkauf von Salz war Alleinrecht der Obrigkeiten und musste bei den Monopolisten der staatlichen Salzauswäger bezogen werden. Mal etwas Neues statt der üblichen Drogen und Waffen und eigentlich ist alles an Beweggründen und anderen Ausreden vorhanden, um jetzt Action zu rufen und die beiden Seiten aufeinander los zu schicken. Li filmt aber keine Action, weil ihn das nicht interessiert; in der Zeit kann man Kirschblüten abdrehen, die den Frühling darstellen sollen. [ Anekdote von King Hu über ihre gemeinsame Arbeit an The Love Eterne ]. Also schreitet der Film nicht forsch über mehrere sich potenzierende Auseinandersetzungen bis hin zum brachialen Showdown, sondern packt seine Figuren in den Dreiecksbereich Kulturelles Dekorzentrum.

Gebäudearchitektur, Gartenkunst und Raumausstattung vermischen sich zu der Hauptaufgabe des Tages. Der Tapissier kleidet in den Drehpausen die Sets mit Bespannungen, Drappierungen und Polsterungen so gefällig winkend aus, dass man sich in den reichlich vorhandenen Ruhemomenten betten und den gravierten Steinen, pretiösen Holzschnitzereien, Skulpturen, Tafelbildern und Kalligraphieartikeln beim Wachsen zusehen möchte. Die Anlage für die Salzgewinnung allein entlockt mit seinen Schienensträngen und der Mühle mit mittelschlächtigem Wasserrad jedem Set Design Bewunderer ein seliges Lächeln. Aber so konserviert wie die bemühte Erhaltung der damaligen Epoche ist letztlich auch das Skript. Die simple Bewahrung eines unveränderten Zustandes in einem längeren Zeitraum unter den vorhandenen Bedingungen – eben voll mit all den visuellen Entspannungs- und Verwöhnaspekten – kann ausser für das Auge keine weitere Aufmerksamkeit erzeugen. Haltbar ja, Aromakraft nein. Weil man gar nicht weiss, wer nun überhaupt und warum denn jetzt. Weil Li ein Geheimnis aus dem Fortgang macht. Und anders als es die Personen im Film desöfteren betreiben, kann sich der Zuschauer schlecht hinter eine Wand schleichen und lauschen. Er ist auf das angewiesen, was ihm geboten wird und kann sich nicht anderweitig schlauer machen.

Geboten wird ihm wenig, zumindest sind nach gründlicher Rekapitulation und einem verzeifelten Neuanfang der Betrachtung einige Anhaltspunkte da:
Tiger und Witwe sprechen nicht mehr mit Yu.
Sie verstecken sich sogar vor ihm, wenn eine Lieferung kontrolliert wird. Kurze Zeit darauf aber das komplette Gegenteil. Sie schnattern nicht nur ausgiebig mit ihm, sondern auch noch insgeheim ohne dem Wissen des eigentlichen Kompagnons.
Was war passiert ?
Yu muss Einen der zahlreichen Salzschmuggler dingfest machen und vors Gericht bringen. Warum ? Weil halt. Die Wahl dreier alter Männer mit Bart und Pfeife, die anscheinend das Sagen im Laden haben, fällt auf die Witwe Pei. Tiger aber passt das nicht, will er doch nicht als Hasenfuss dastehen und auch vors Gericht. [ Man bedenke, der Preis für dieses Ehre lautet ja Todesstrafe ].
Also schachern letztlich die Beteiligten darum, wer zuerst geköpft werden darf und wer unbedingt als Nächstes ran will.

Man einigt sich als Zeitpunkt der Auslieferung auf das Chung Yeung Festival; da soll nämlich auch eine Hochzeit stattfinden. Ehelichen will sich Jin Mei [ Kara Hui ], die einzige Tochter des mit Tiger und Witwe verbandelten Triadenführers Fifth Lord [ Cheng Miu ].
Der Part ist zwar wie so Einiges absolut nebensächlich für das Geschehen, aber hierbei bekommt es Li in seinem verzierten Symposium nicht einmal hin, die Frage des Bräutigams zufriedenstellend festzuhalten: Ein Lo Xio Mou wollte, aber durfte nicht. Xio Chou darf und wird. Aber ein Chong Hua darf auch und wird auch. Und ein Sheng Xio Lo spielt auch irgendwie eine Rolle.
Da kann man schon mal verzweifeln.

Dies als [Melo]Drama inszeniert, inclusive gestelzten Spiel, falschen Emotionen und viel empfundener Bigotterie.
Das Finale sieht aus wie aus den 30ern.
Trockener Abgang ohne Charakter.

Details
Ähnliche Filme