Mit dem 97er „L.A. Confidential“ zeigte Curtis Hanson dem Publikum, wie man eine Literaturvorlage von James Ellroy kongenial für die große Leinwand adaptiert und dabei erfolgreich eine Gradwanderung zwischen komplexer Buchvorlage und einer reduzierten Filmumsetzung hinlegt. Nun, im Jahre 2006, steht eine weitere Verfilmung eines Ellroyschen Krimis ins Haus: „Die schwarze Dahlie- The Black Dahlia“. James Ellroys fiktionale Verarbeitung eines auf realen Tatsachen beruhenden Mordes, der unter der Regie von Altmeister Brian de Palma gedreht wird.
Im Jahre 1947 erschüttert ein Frauenmord ganz L.A. Das Opfer ist Elisabeth Short, genannt die „schwarze Dahlie“. Zur Aufklärung des Falls werden die Cops Dwight „Bucky“ Bleichert und Leland "Lee“ Blanchard herangezogen, für die die Ermittlungen bald zur harten Zerreißprobe werden. Stück für Stück geraten beide immer weiter hinab in einen Strudel aus Gewalt, Korruption, Leidenschaft und Sex, aus dem nicht alle Beteiligten am Ende heil herauskommen.
Der Name Ellroy steht für harte und bis ins letzte Detail durchkomponierte Krimikost, die den Leser immer wieder aufs Neue in den dreckigen Sumpf von L.A. entführt. Eben deshalb – und mit Hansons gelungenem „L.A. Confidential“ im Hinterkopf- war auch die Freude groß, als bekannt wurde, dass man für den „Black Dahlia“-Stoff eine Verfilmung unter der Regie von Brian de Palma plant. Doch was nach dem Kinobesuch bleibt, lässt sich nur als pure Ernüchterung klassifizieren. Zu unausgegoren und halbgar offenbart sich das Endprodukt dem Rezipienten, um wirklich überzeugen zu können. Unweigerlich- ob bewusst oder unbewusst- muss sich der Film mit seiner Romanvorlage messen lassen. In diesem Bereich findet sich schon der erste Kritikpunkt: eine schwache Scriptumsetzung, die allzu viele schädliche Änderungen und Kürzungen gegenüber dem Buch aufweist. Da fallen schon einmal wichtige, die Protagonisten beschreibende Episoden, welche zu mehr Charaktertiefe und –plastizität verholfen hätten, unter den Tisch. So. z.B. im Fall von Bleichert, dessen Vergangenheit im Film kaum beleuchtet wird, aber für ein runderes Gesamtbild seiner Person durchaus sinnvoll gewesen wäre. Gleichermaßen lässt sich das bei Blanchard beobachten. Durch den Wegfall oder besser gesagt die teilweise Umlagerung von Handlungssträngen, wie z.B. die Tijuana- Episoden aus dem Buch, wird dem Zuschauer ein ausreichender Einblick in den von Fanatismus getriebenen Cop verwehrt, der im Film leider nur reisbrettartig angelegt ist. Sicherlich wird man bei einer Romanadaption im fertigen Film immer bestimmte Dinge unter den Tisch fallen lassen, allein schon um die Spielzeit nicht zu sprengen, aber hier wurde die Wahl ziemlich ungünstig getroffen.
Eine gemeinsame Schwachstelle, die sowohl Buch als auch Film besitzen, liegt bei den Protagonisten, für die beim Zuschauer bzw. Leser einfach kein richtiges Interesse erweckt werden kann. Dabei bietet doch gerade die gemischte Konstellation Blanchard, seine Freundin Kay Lake und Bleichert jede Menge Spannungspotenzial, das leider nicht ausreichend genutzt werden kann. Wir begleiten die Figuren über den gesamten Film/ das komplette Buch, aber wirklich „schmackhaft“ können sie nicht gemacht werden. Man empfindet keinerlei Emotionen für sie- weder Hass noch Liebe. So bleiben sie und ihr Schicksal dem Betrachter im Endeffekt vollkommen gleichgültig.
Doch es gibt nicht nur Negatives zu berichten, wenn auch leider überwiegend. Der Film spielt im Amerika der 40er Jahre und es ist gut gelungen, die Atmosphäre der damaligen Zeit – so wie man sie sich vorstellt, wenn man nicht selber dabei war- einzufangen. Das beginnt bei den Autos auf den Straßen, geht weiter zum modischen Bewusstsein der Menschen und endet bei den Einrichtungen der Häuser. Alles wirkt als hätte man sich auf eine Zeitreise begeben und lässt den Flair der vergangenen Tage von neuem erblühen. Eingefangen werden die opulenten Bilder mit einer gelungenen Kameraführung, die ihren Höhepunkt in einem fantastischen Flug über das angebliche Versteck des Ganoven Junior Nash findet und so eine Brücke zu dem gerade entdeckten Mordopfer Elisabeth Short darstellt.
Von Seiten des Casts präsentiert sich der Film äußerst durchwachsen. Da wäre zum Beispiel Josh Hartnett, der den Officer Dwight "Bucky" Bleichert verkörpert und dem Zuschauer als eigentlicher Hauptcharakter zur Seite gestellt wird. Hier liegt schon der gravierendste Fehler. Wie konnte man Josh Hartnett die Rolle eines coolen Ex-Boxers und raubeinigen Polizisten geben? Er wirkt den kompletten Film über deplaziert. Zu jungenhaft, kindlich und glatt ist seine Ausstrahlung, als dass man ihm die Rolle auch nur im Entferntesten abnehmen könnte. Nachdem schon Hartnett kaum überzeugen konnte, muss man leider auch dem nächsten Castmitglied ähnliche Tendenzen aussprechen: Scarlett Johansson, die Blanchards Lebenspartnerin Kay Lake spielt. Es scheint verwunderlich, konnte sie doch bereits in den verschiedensten Rollen ihr Talent zum Vorschein bringen. Hier gelingt es ihr nicht annährend so brillant, wie beispielsweise in „Lost in Translation“ oder „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. Der dritte im Bunde ist Sgt. Leland "Lee" Blanchard, dargestellt von Aaron Eckhart. Er liefert die beste Performance ab und steht mit seiner Darstellung in bester Film Noir- Tradition. Hätte man sich näher am Roman orientiert, wären sicherlich noch ein paar Szenen mehr vorhanden gewesen, in denen Eckhart sein Können hätte präsentieren können.
Fazit: An den hohen Erwartungen gemessen ein überaus enttäuschender Film, der für eine Wiederbelebung des beliebten Film Noir- Genre hätte sorgen können. Leider hapert es jedoch an vielen Ecken und Enden, sodass schnell klar wird, dass wir es hier mit einer Todgeburt zu tun haben.