Review

Episoden 11 bis 20

Episode 11: Der liebe Gott im Schrank

Die kleine Gesa (Anna Paula Gabriel, „Hals über Kopf“) schlüpft nach der Abendtoilette freudig in ihr Schlafshirt. Doch bevor ihr Vater (Thomas Hodin, „Tatort: Sterben und sterben lassen“) ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen kann, betet sie zu seiner Überraschung zum lieben Gott. Aus dem Schrank kommen verdächtige Geräusche, und tatsächlich: Dort versteckt sich der Stadtstreicher „Herr Gott“, dem Gesa Obdach gewährt hatte. Ihr Vater führt ihn in die Küche und gibt ihm etwas zu essen. „Herr Gott“ scheint stumm zu sein, sagt jedenfalls kein Wort. Gesas Vater will seinem Gast ein Bier anbieten, doch obwohl fürs Fernsehpublikum deutlich sichtbar mehrere Flens-Flaschen im Kühlschrank stehen, behauptet er, aus dem Keller welches holen zu müssen. Dorthin folgt ihm seine Frau (Christine Schuster), den Stadtstreicher lässt man also mit Gesa allein in der Wohnung. Dieser hat eine Maus, die er in der Küche aussetzt! Gesa erzählt, dass sie ihn in der Nikolaikirche kennengelernt habe, womit die gewohnte Rückblende eingeleitet wird. Er habe in der Kirche geschlafen, bis er von der Putzfrau geweckt und vertrieben worden sei. Gesas Freundin sagte einst zu ihr, in der Kirche wohne Gott und die Putzfrau fluchte „Herrgott...“, weshalb Gesa glaubt, dass es sich um den Herrgott handele. In Point-of-View-Perspektive wird gezeigt, wie sie ihm hinterläuft und sich das Knie aufschlägt. Er kümmert sich um sie und kann anscheinend doch sprechen. Gesa beobachtet ihn weiter; es sieht aus, wie ein Ganove aus einschlägigen Krimis. Er ärgert einen Kanalisationsarbeiter, den Gesa für den Teufel hält! Zwei Jungs streiten und balgen miteinander und werden zu Gesas Entsetzen von „Herrn Gott“ ignoriert. Zwischenzeitlich wird die Rückblende unterbrochen: „Herr Gott“ nimmt mittlerweile ein Bad und singt dabei aus voller Kehle. In der Fortsetzung der Rückblende wird er beim Versuch, etwas Essbares aus Mülltonnen zu fischen, verjagt. Als er zurückkehrt, wird er im Container einschlossen, bis Gesa ihn aus seiner misslichen Lage befreit. Sie unterhalten sich, er plaudert ein wenig über seinen Lebenswandel. Zurück in der Gegenwart verschwindet er nach seinem Bad, ohne sich zu verabschieden.

Mit dieser überaus fragwürdigen Episode watet man wieder ebenso knietief wie unfreiwillig durch den German Grusel: Ein unbekannter Mann im Wandschrank, der von einem unfassbar naiven kleinen Mädchen mit nach Hause genommen wird – und bereitwillig mitgeht. Welch schlechte Idee es ist, eine Maus in einer Wohnungsküche auszusetzen, bleibt unerwähnt, doch viel schlimmer noch: Die Aussage, dass es keine gute Idee ist, als kleines naives Mädchen wildfremde Männer nach Hause einzuladen und im Schlafzimmer zu verstecken, wird nicht getroffen. Ihre Naivität muss Gesa von ihren Eltern haben, die sich nichts dabei denken, sie zumindest vorübergehend mit dem Fremden allein in der Wohnung zurückzulassen. Und von einer ähnlichen Naivität scheinen auch die Autor(inn)en dieser Episode befallen, eine solche Geschichte als kindgerechtes Fernsehen zu erachten. Kompliment jedoch an den Kameramenschen, der die kleinstädtisch anmutenden, anheimelnden Sommerbilder einfing.

Episode 12: Nicole – oder die Zeit heilt


Tanja (Jule Eyck) kann nicht einschlafen, denn ihr Papa will aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und das belastet sie. Babysitterin Nicole (Karina Schieck, „Die Camper“) erzählt ihr daraufhin die Geschichte der Trennung ihrer eigenen Eltern, was die berühmte Rückblende einleitet. Mit ihrem Freunden Svenni und Sabine habe sie damals gern heiraten gespielt und es sei stets darum gegangen, auf immer und ewig zusammenzubleiben. Auch habe sie grundsätzlich Papa, Mama und sich gemalt, alle drei als Familie zusammen. Als Sabine und sie ein zerrissenes Foto Nicoles Papas im Müll entdeckten, habe ihre Mutter erzählt, dass sie nur noch Streit mit Papa habe. Es habe sich herausgestellt, dass Nicoles Eltern sich bereits getrennt hätten, Nicole dies aber nicht habe wahrhaben wollen. Sie fühle sich bei der Entscheidung, dass Papa auszieht, übergangen. Doch da habe sie eine Idee bekommen: Sie habe sich in Papas altem Zimmer im Schrank versteckt, damit beide Elternteile sie suchen. Als ihr Papa das Zimmer betreten habe, habe sie sich zu erkennen gegeben, doch hätten beide sofort wieder zu streiten begonnen. Daraufhin habe sie verstanden, dass alle Hoffnung umsonst sei. Doch weiß sie ferner zu berichten, dass es danach trotzdem noch gute Tage gegeben habe, was in Bildern einer Bootsfahrt mit ihrer Mutter veranschaulich wird, aber auch welche, an denen sie deprimiert und traurig gewesen sei. An einem dieser Tage sei Sabine vorbeigekommen, und obwohl Nicole eigentlich gar keine Lust gehabt habe, haben sie dann doch Doktorspiele gespielt (was sich hier jetzt zweideutiger liest, als es ist). Als sie beim Seilhüpfen mit ihren Freunden einen fremden Passanten mit ihrem Vater verwechselt habe, habe sie gemerkt, wie sehr sie ihn doch noch vermisse. Also habe sie sich mit ihm verabredet, was sehr nett geworden sei und worüber sie sich sehr gefreut habe. Am Schluss erklärt sie ihrem Schützling Tanja, dass es auch anderen Kindern so ergangen sei und dass es wichtig sei, gute Freunde zu haben. Daraufhin kann Tanja einschlafen.

Diese nett und ziemlich realistisch gemachte Episode greift die damalige und bis heute anhaltende Entwicklung hin zu immer mehr geschiedenen Ehen bzw. Trennungen eheähnlicher Partnerschaften auf. Sie verleugnet nicht, welchen Schmerz und Kummer es für Kinder häufig bedeutet, wenn die Eltern sich trennen, signalisiert aber auch, dass das Leben weitergeht und man weiterhin zu beiden Elternteilen einen guten Kontakt pflegen kann – und eine Trennung zu rechten Zeit vielleicht sogar besser ist als ständiger Streit. Mitte der 1980er, als manch Kind noch dafür gehänselt wurde, ein Scheidungskind zu sein, war dies sicherlich eine wichtige Botschaft und bestimmt ein guter Seelentröster für manch junge Zuschauerin oder Zuschauer. Und dass hier eine Babysitterin ihre entsprechend gar nicht jahrzehntelang zurückliegende Geschichte erzählt, ist eine willkommene Variation des „Bettkantengeschichten“-Konzepts. Scheidungen sind oft gruselig und unangenehm, diese Episode scheint mir aber den richtigen Ton zu treffen.

Episode 13: Heike und die Zauberkraft


„Ich war doch immer schon Prinzessin!“


Julian packt kurz vorm Schlafengehen das Geburtstagsgeschenk für Birgit wieder aus und will nicht mehr zu ihrem Geburtstag am nächsten Tag. Gemein sei sie gewesen, habe beim Hüttenbauen gestört! Da erzählt ihm seine Mutter Heike, dass sie früher mit ihrer Freundin Claudia (Andrea Clemenz) immer Kutschfahrt gespielt habe – wobei sie stets das Pferd, den Kutscher oder die Dienerin spielen und ihre als Prinzessin verkleidete Freundin im Bollerwagen habe ziehen müssen. Dies zeigt die ausgedehnte Rückblende dieser Episode, in der Claudia die Rollen beim Spiel mit Heike partout nicht tauschen will, woraufhin man getrennte Wege geht. Heike spricht mit ihrer Oma darüber und hat einen nervigen Teddybären, der ständig wie eine Ziege blökt. Da er nur ein Auge hat, erhält er eine Augenklappe. Heike verkleidet sich als Fee und will dem Teddy en zweites Auge zaubern. Dafür errichtet sie einen Zauberkreis und einen Zauberbaum. Musik braucht sie auch, also kloppt sie auf einer Gießkanne herum. Nun, das dauert alles eine halbe Ewigkeit. Sie erklärt ihrem Teddy, dass ihr dies bewusst sei, sie aber alles siebenmal machen müsse – was diese Episode in Echtzeit zeigt. An Julians Stelle wäre ich schon dreimal eingeschlafen. Der Zauber scheint aber zu funktionieren – wenn da mal nicht die Oma ihre Finger im Spiel hatte! Dann kommt Claudia mit einem Riss in der Hose angedackelt, mit dem sie sich vor lauter Angst, dass ihre Mutti sie dafür ausschimpft, nicht nach Hause traue. Kurzerhand begleitet Heike sie und verzaubert Claudias Mutter, damit sie nicht schimpft. Zurück in Gegenwart will Julian sich wieder mit Birgit vertragen…

Diese Folge ist nicht nur nicht sonderlich aufregend (dafür aber auch nicht gruselig), sondern dramaturgisch mit ihrer ausgedehnten Langeweile auch ein besonderer Reinfall. Aufhorchen lässt lediglich die leicht mittelalterfolkloristisch angehauchte Musik in der Rückblende. Die dort audiovisualisierte Geschichte Heikes will kaum zu Julians Zerwürfnis mit Birgit passen, über das man gern mehr erfahren hätte – so ein Hüttenbau klingt jedenfalls wesentlich spannender als Heikes Teddy-Zauber-Mumpitz. Ich bezweifle zudem, dass der Frieden zwischen Julian und Birgit länger währen wird und halte das zugrundeliegende Problem – welches auch immer es sein mag – nicht für gelöst. Heikes Interesselosigkeit hätte sie auch schlicht mit einem „Vertragt euch doch einfach wieder, hab‘ ich früher auch gemacht!“ auf den Punkt bringen können. Fairerweise sei angemerkt, dass mit den ungleich verteilten Rollenverhältnissen beim Kutschfahrspiel kindliche Verhaltensmuster angesprochen werden, die wohl jeder selbst schon einmal erlebt hat, nur liegt die Lösung dafür selbst für die jüngsten Zuschauerinnen und Zuschauer sicherlich auf der Hand: Einfach nicht mehr mitmachen. Niedlich gemachtes Kinderfernsehen, mehr aber auch nicht.

Episode 14: Tante Helga und die Ausreißer

Der verglichen mit den Kindern aus den anderen Episoden schon etwas ältere Stefan will von zu Hause ausreißen, weil aufgrund beruflicher Verpflichtungen seines Vaters Jürgen (Holger Mahlich, „Eolomea“) wieder eine Urlaubsreise platzen soll. Doch Jürgen durchschaut dieses Vorhaben sofort, denn auch er habe als Kind einmal einfach abhauen wollen. Stefan will, dass ihm sein Vater davon erzählt, was er in Form einer Schwarzweiß-Rückblende gern tut: Die Familie habe damals umziehen sollen, was seine Schwester und er (nun David Bredel) nicht gewollt und sich bei der Entscheidung übergangen gefühlt hätten. Bei der Wohnungsbesichtigung habe er gehört, dass keine Haustiere geduldet seien. Seine Schwester habe ihre Meinung rasch geändert und sich auf die neue Wohnung gefreut, doch Jürgen sei bei seinem Vater auf der Arbeit aufgekreuzt, um ihm ins Gewissen zu reden. Dieser habe aber gar keine Zeit gehabt, ihm zuzuhören. Bei einem weiteren Maklertermin habe er gelauscht und sich geärgert, dass sein Vater den geliebten Familienhund Butz gar nicht erwähnt habe. Daraufhin habe er beschlossen, zusammen mit Butz seiner Familie den Rücken zu kehren. Er habe es noch einmal bei seinem Vater versucht, aber der habe ihn vor lauter Arbeit gar nicht wahrgenommen. Als blinder Passagier habe er sich auf ein Schiff nach Hannover begeben, um zu Tante Helga zu gelangen. Am nächsten Morgen jedoch sei er aufgewacht und habe festgestellt, dass er auf einem Kneipenschiff gelandet sei, das fest im Hafen liege. Die Wirtsleute hätten seine Eltern angerufen und alle mit warmen Getränken versorgt. Daraufhin sei es zu einer Aussprache gekommen – zu der es nun auch in der Gegenwart kommt. Es endet versöhnlich mit dem Entschluss, zusammen Tante Helga zu besuchen.

Eine sehr schöne Episode, die nach einer überaus hörenswerten Titelmelodie Melancholie und Abenteuer transportiert, geschickt für die Parallele mit der Aussprache aus der Rückblende zurück in die Gegenwart schneidet und sich ihren von mir eingangs erwähnten Grund Stefans, das Weite zu suchen, dramaturgisch klug bis zum Schluss aufhebt. Statt Grusel werden hier Gefühle wie Entfremdung, Angst um ein geliebtes Haustier und eine generelle Skepsis vor Veränderungen angesprochen und davor gewarnt, zu wenig Zeit aufzubringen, seinen Kindern zuzuhören. Zudem sollte man stets darauf vorbereitet, dass diese mehr mitbekommen, als man glaubt. Einer der Höhepunkte der Reihe, der nur leider die Chance verpasst, Jürgens Arbeitsverhältnis, das ihn offenbar um jedwede größere Urlaubsreise mit seiner Familie bringt, infrage zu stellen.

Episode 15: Der unvergessene Schwur


„Nun komm doch bitte, mein Katzenbiest!“

Die kleine Eva (Katarina Zeh) hat ihrer Mutter Ursula ein Bild gemalt und ihr Blümchen hingestellt. Das Kunstwerk zeigt eine Supermarktszene, die Eva erlebt hat: Sie wurde beschuldigt, einen Teddy stehlen zu wollen – und ist dankbar, dass ihre Mutter ihr in dieser Situation glaubte. Daraufhin erzählt ihr ihre Mutter eine Geschichte aus ihrer Jugend, in der auch sie froh war, dass man ihr Glauben schenkte. Eine kommentierte Rückblende zeigt, wie sie mit ihren Eltern gerade in eine neue Wohnung gezogen war und ganz allein in den Kartons nach ihren Sachen suchte. Ursula behagte die Situation nicht, auch ihre Katze Meike war ganz verschreckt. Diese versuchte sie mit Leber anzulocken und ging mit ihr in „Muttis Zimmer“. Kurz darauf war Meike verschwunden. Sie durchsuchte die Wohnung nach ihr, bis ihr auffielt, dass sie die Wohnungstür offengelassen hatte. Nun fürchtete sie, dass Meike weggelaufen sein könnte – vielleicht in die alte Wohnung? Die Haustür aber war geschlossen, also musste sie noch im Gebäude sin. Eine andere Wohnungstür stand offen, also ging sie hinein, um dort nach Meike zu suchen. Kurz darauf kam die Bewohnerin zurück. Ursula versteckte sich, wurde aber entdeckt. Die Bewohnerin reagierte empört und ging mit Ursula zu deren Mutter. Da bekam sie Angst, dass ihre Mutter ihr nicht glauben könnte. Die Bewohnerin beschwerte sich bei Ursulas Mutter, doch diese glaubte ihr, dass sie nur nach der Katze gesucht hatte (die mittlerweile wieder aufgetaucht war). Daraufhin habe sich Ursula geschworen, ihrem Kind später in solchen oder ähnlichen Situationen auch zu glauben.

Hier haben wir es wieder mit German Grusel zu tun: Um die kindliche Gefühlswelt abzubilden, wird der Umzug als etwas Beängstigendes dargestellt. Und dann verschwindet auch noch das geliebte Haustier. Weshalb die kleine Ursula überhaupt allein in der Wohnung war, wo sie zwischen all den Kartons verloren wirkte, wird indes nicht geklärt – mit der Aufsichtspflicht hatten ihre Eltern es anscheinend nicht so. Die Botschaft indes stimmt natürlich: Kindern zuhören, sie nach Vorfällen ihre Sicht der Dinge schildern lassen und nicht leichtfertig vermeintliches Fehlverhalten abstrafen, um das Gerechtigkeitsempfinden der Kleinen nicht so schon derart früh zu erschüttern – dies geschieht später schließlich noch früh genug, ebenso wie die Erkenntnis, dass Umzüge leider wirklich etwas Gruseliges sind… „Der unvergessene Schwur“ ist mit angenehmer folkloristischer Musik unterlegt, die gut zur Titelmelodie der Serie passt.

Episode 16: Das Geheimnis von Lilalula


„Scheiß Eltern!“

Der mittlere Sohn fühlt sich gegenüber seinen Geschwistern benachteiligt. Vater Daniel sagt, er sei auch der Zweitgeborene gewesen, und erzählt von einem Sonntagnachmittag im Spätsommer im Garten seiner Großmutter, was in einer von Daniel aus dem Off kommentierten, in Schwarzweiß gehaltenen Rückblende visualisiert wird: Er habe sich aus Trotz im Fliederbusch versteckt, weil sich alles nur noch um seine kleine Schwester Marie gedreht und sein älterer Bruder Markus ihn nicht mit zum Spielen mit dessen Freunden genommen habe. Einen unsichtbaren Freund habe er gehabt, den Lilalula. Als ihn alle gesucht hätten, habe er sich seiner Oma am Fenster gezeigt, ihr Grimassen geschnitten und sogar bedrohlich – wie ein kleiner Psycho – geguckt. Gegen Abend sei er nach Hause zurückgekehrt, wo er die neue Nachbarsfamilie Huber getroffen habe. Herr Huber sei ein begeisterter Fotograf gewesen, der alles und jeden fotografiert habe. Daniels Vater hingegen sei Architekt gewesen. Ihm habe er ein gemaltes Bild von einem Haus gezeugt, auf dem auch der Lilalula abgebildet gewesen sei. Als Markus ihn auch am nächsten Tag nicht mit zum Spielen genommen habe, sei er stattdessen den örtlichen Glaser besuchen gegangen, Herrn Specht. Der sei nett zu ihm gewesen und habe ihm eine Kastanie geschenkt. Diese sei für Daniel fortan Lilalula, Wunscherfüller und Talismann zugleich gewesen. Sein Wunsch jedoch, endlich mit Markus und dessen Freunden spielen zu dürfen, sei nicht in Erfüllung gegangen. Daraufhin habe er die Kastanie wütend weggeworfen und dabei versehentlich seine pilzesammelnde Großmutter am Gesäß getroffen. Diese habe sich daraufhin angehört, was ihn anficht, und ihm gut zugeredet. Durch ihren Rat sei er auf die Idee gekommen, mit der gleichaltrigen Traudel Huber zu spielen. Diese habe ebenfalls davon profitiert, da sie als neu Zugezogene noch keinen Freundeskreis gehabt habe. Nun hätten sie sich zu zweit vor allen anderen versteckt und sich gefreut, nicht mehr allein zu sein. Zurück in der Gegenwart freut sich Daniels Filius über diese Geschichte, die anscheinend inspirierend auf ihn gewirkt hat, denn seine Laune hat sich deutlich gebessert.

Die mystisch „Das Geheimnis von Lilalula“ betitelte Episode ist eine ganz jenen Geschwistern gewidmete, die sich zwischen einem älteren und einem jüngeren Geschwisterteil befinden und das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Diese dürften sich durch diese Folge ernstgenommen fühlen, das „Geheimnis“ um den unsichtbaren Freund bzw. die Kastanie, das gar keines ist, hätte es dafür gar nicht gebraucht. Die Befolgung des pragmatischen Tipps, sich unter Gleichaltrigen nach Freundinnen oder Freunden umzusehen, kann ein erster Schritt bei der eigenen Identitätsfindung und der Abkapselung von älteren Geschwistern sein, die unabdingbar für die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit ist. Und echte Freundinnen und Freunde auf Augenhöhe sind allemal besser als unsichtbare. Wichtige Impulsgeber können Großeltern sein, die, verglichen mit den Eltern, aus einer größeren Distanz heraus und vom Familienalltag losgelöst Situationen zu erkennen und einzuschätzen vermögen. Die Rückblende ist weitestgehend frei von gruseligen Momenten über eine unwirtliche Vergangenheit und überzeugt trotz ihrem Verzicht auf Farben durch eine nostalgisch stimmende Sommeratmosphäre, innerhalb derer Kinder frei durch den Ort laufen. Schön.

Episode 17: Die stumme Kora


„Heutzutage muss man doch froh sein, wenn man das Nötigste zum Leben hat!“

Mathias liegt sauer im Bett, weil er von seiner Mutter Kora angeschrien wurde. Wie es dazu kam, wird in seinen als Rückblende inszenierten Erinnerungen gezeigt: Er hatte sich in der Küche eine Milchspeise gemixt und dabei versehentlich eine solche Sauerei verursacht, dass es seine Mutter erzürnte. Nun sprechen sie sich aber miteinander aus; seine Mutter erinnert sich daran, als Kind (nun gespielt von Katja Strobel, „Ihre Exzellenz, die Botschafterin“) selbst einmal einen kapitalen Bock geschossen zu haben, und erzählt ihm (in Form einer kommentierten Schwarzweiß-Rückblende) davon: Den Sommerurlaub habe sie mit ihrem Bruder Uwe bei den Großeltern verbracht und dort Fahrradfahren gelernt. Zurück zu Hause bei ihren Eltern, wo sie das nur geliehene Rad stets umständlich per Seilzug an der Zimmerdecke aufhängten, habe sie damit ausnahmsweise einmal allein zum Gemüseladen fahren dürfen. Die Zeiten damals seien hart gewesen, man habe in Armut gelebt und billigen Kohl gegessen. Sie habe Kohl für 20 Pfennig gekauft und anschließend einen Unfall mit einem entgegenkommenden Bollerwagen gebaut. Das aufgeschrammte Knie sei dabei weniger schlimm gewesen als das kaputtgegangene Fahrrad. Wie sollte sie das ihrer Mutter (Traudel Haas, „Gotcha! – Ein irrer Trip“) beibringen? Das Rad habe sie zunächst einmal versteckt, aber erfolglos nach Geld zwecks einer Reparatur gesucht. Als sie die Küche geputzt habe, um überhaupt etwas tun zu können, habe sie 20 Mark gefunden. Endlich habe sie ihrer Mutter gestanden, was passiert sei. Diese habe entsetzt reagiert, außerdem habe sie 20 Mark verloren. Kora sei untröstlich gewesen. Als sich ihre Mutter wieder beruhigt habe, habe sie ihr erzählt, wo die 20 Mark seien. Das Schlimmste sei das schlechte Gewissen gewesen, erzählt sie ihrem Sohn Mathias am Bett. Zwischen Mutter und Sohn ist nun alles wieder in Ordnung.

Diese weitere die schweren Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg in Schwarzweißbildern verarbeitende Episode handelt von Armut und Entbehrung, aber auch von der Wertschätzung für heutzutage oftmals als selbstverständlich erachtete Gegenstände. So tauscht Uwe beim Schrotthändler Altmetall gegen eine Schnur und erhält Kora ein Kleid, aus dem die Vorbesitzerin herausgewachsen ist. Spielzeug wurde selbst hergestellt, so der Drachen, den Uwe mit dem Vater bastelt. Wie um die damalige Tristesse noch spürbarer zu machen, ist die Rückblende dennoch recht ereignisarm ausgefallen, einzelne Szenen werden künstlich in die Länge gezogen. Daraus entwickelt sich hier zumindest zeitweise wieder diese unheilschwangere, gruselige Stimmung, die mich im zarten Kindesalter derart beeindruckte, dass sie eine meiner ersten Assoziationen ist, wenn ich an diese Serie denke.

Episode 18: Im kalten Winter nach dem Krieg


„Die Wegwerfzeiten sind endgültig vorbei!“

Onkel Olaf (Jörg Hube, „Heimat – Eine Chronik in elf Teilen“) will leere Weinflaschen in den Restmüll werfen und wird dafür von Großmutter gerügt – schließlich könne man die noch gebrauchen; und dass man nichts, was man noch gebrauchen könnte, wegwerfen sollte, habe doch der kalte Winter nach dem Krieg gezeigt. Die kleine Sabine (Julia Grupp, „Smaragd“) interessiert sich dafür, wie es nach dem Krieg war. Oma bringt sie ins Bett, Olaf setzt sich dazu, und Oma beginnt, aus dessen Kindheit zu erzählen… Die kommentierte Schwarzweiß-Rückblende zeigt den harten Frost damals, und dass sie nichts mehr zum Heizen hatten. Der Schieber Herr Tornow kommt zum Verhandeln: Gegen Torf zum Heizen verlangt er vier Reifen für seinen Lkw. Die damalige bittere Armut wird recht detailliert aufgezeigt, inklusive Kohlesammeln und das Pulen von Tabak aus aufgelesenen Kippenstummeln. Eine Stromsperre verschlimmert die Situation sogar noch. Olaf geht am nächsten Tag los und sucht nach Holz, findet aber keines. Nach der Hälfte der Erzählung übernimmt Olaf. Er habe ein musizierendes Paar auf der Straße angesprochen, das ihm geraten habe, zum Kohlehändler zu gehen. Leider habe auch dieser nichts für ihn gehabt. Bei einer teppichklopfenden Frau habe er aber die Reifen gefunden. Die Frau habe ebenfalls Torf benötigt, also habe er einen Plan entwickelt, von dem alle drei Parteien profitieren – was letztlich auch funktioniert habe. Zurück in der Gegenwart an Sabines Bett zeigt sich Olaf einsichtig und beschließt, die Weinflaschen zu behalten.

Ob es sinnvoll ist, leere Weinflaschen zu horten, statt sie dem Altglas und somit der Wiederverwertung zuzuführen, sei einmal dahingestellt, aber Differenzierung ist die Sache dieser Episode, diesem Plädoyer gegen die Wegwerfgesellschaft, sicher nicht. Böse Zungen könnten gar behaupten, hier würden schon die Kleinsten mit dem Holzhammer zu Messies erzogen. So weit würde ich nicht gehen; dass hier abermals der Nachkriegsholzhammer kreist, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Mich beschleicht der Eindruck, die Autorinnen und Autoren dieser Serie hätten zuweilen vielmehr ihre eigenen Traumata aufgearbeitet, statt in erster Linie die Kinderpädagogik im Blick zu haben. Die Frequenz, mit der Kinder hier mit den schlimmen Zeiten in Armut und Elend konfrontiert werden, droht bald für Abstumpfung statt Sensibilisierung zu sorgen, und bereits der Titel dieser Episode – „Im kalten Winter nach dem Krieg“ – ist derart unheilschwanger, dass fraglich ist, welches Kind sich dafür freudig vor der Flimmerkiste einfand.

Episode 19: Mi wie Milch


„So was Blödes – alles nass geworden!“

Tina (Antje Primel) versteckt sich im Bad vor ihrem Vater Michael (Hans Peter Hallwachs, „Nach Mitternacht“). Ihre Schuhe, Socken usw. sind im Matsch nassgeworden. Man sieht sie zunächst gar nicht und sie will auch nicht mit der Sprache herausrücken, was passiert ist. Daraufhin erzählt ihr ihr Vater durch die geschlossene Badezimmertür, was ihm einst mit Milch passiert ist. Die kommentierte Rückblende zeigt ihn, wie er als Kind (Philipp Glatzeder, „Spreepiraten“) mit seiner Mutter in eine andere Stadt gezogen war. Für den Vermieter musste er immer Milch in einer Kanne kaufen gehen. Das Milchgeld bewahrte er zusammen mit rotem Brausepulver in der Hosentasche auf. Auf dem Weg zum Milchladen versuchte er, Bekanntschaften zu schließen, und traf dabei auf eine Gruppe schrottsuchender Kinder. Er wollte ihnen helfen, doch sie jagten ihn fort. Als er einen Liter Milch für 33 Pfennig erwarb, stellte er fest, dass sich das Geld dummerweise in der Kanne befand – unter der nun bereits eingefüllten Milch. Eine Kundin behauptete, sie zurückschütten sei wegen des schmutzigen Gelds unhygienisch. Ein weiterer Kunde versuchte, das Geld mit einem Magneten herauszufischen, doch dies verhinderte der Stoffbeutel, in dem sich das Geld befand. Daraufhin wusch sich der Händler vor Zeugen den Arm, um in die Milch greifen zu dürfen, blieb aber mit dem Arm in der Kanne stecken. Tina unterbricht die Erzählung und fragt verständlicherweise, weshalb die Milch nicht einfach temporär umgefüllt worden sei – ein berechtigter Einwand, auf den Michael entgegnet, dass damals niemand darauf gekommen sei. Sie glaubt ihm seine Geschichte nicht, verplappert sich aber dabei, dass ihr ein Missgeschick geschehen sei. Sie verlässt das Badezimmer und zeigt sich nun. Als Michael mit einem Beweisfoto zurückkommt, verschwindet sie aber schnell wieder im Bad. Ihr Vater schiebt ihr das Foto unter der Tür durch, das Tina jedoch nicht als Beweis akzeptiert. Also erzählt er weiter, die Rückblende wird wiederaufgenommen: Alle erschrocken sich, weil das Brausepulver die Milch rot färbte. Er wollte sie gerade wegschütten, als ihm die schrottsammelnden Kinder wieder begegneten. Diese zeigten sich begeistert von der Brausepulvermilch, die sie ihm für 70 Pfennig abkauften. Gemeinsam tranken sie die Milch aus. Zu Hause wurde mit seinen neuen Freunden ein Foto geschossen – jenes, das er Tina gezeigt hatte. Tina verlässt nun wieder das Bad und eröffnet ihrem Vater, dass ihr der Fotofilm, den sie für ihn zum Entwickeln geben sollte, in eine Pfütze gefallen sei. Das sei gar nicht schlimm, entgegnet Michael, und wirft den Film zum Beweis ins mit Wasser gefüllte Waschbecken.

Eine schöne Geschichte über Pleiten, Pech und Pannen, aber auch über Nachsicht und die Kunst, das Beste aus unvorhergesehenen Situationen zu machen. Die Erwachsenen in der Rückblende spielen gut und leicht komödiantisch mit. Kindern wird vermittelt, dass versehentliche Missgeschicke kein Grund sind, sich ängstlich oder vom schlechten Gewissen geplagt zu verstecken, und die Elterngeneration bekommt Tipps zum richtigen Umgang damit auf den Weg, der aus allem, nur nicht aus Schimpfen und Sanktionen besteht. Nebenbei wird einmal mehr die für Kinder nicht immer leichte Situation nach einem Umzug thematisiert, eine Zeit, in der es gilt, neue Freundschaften zu schließen – auch wenn die anderen Kinder zunächst abweisend reagieren. Und nostalgisch dürften ein mitguckendes älteres Publikum die Einblicke in eine längst vergangene Zeit stimmen, in der man mit einer Milchkanne loszog, um für einen Pfennigbetrag frische Milch zu besorgen…

Episode 20: Alles für die Katz


Der kleine Kemal übernachtet bei seinem Freund Frederik. Auf ausdrücklichen Wunsch erzählt Frederiks Mutter Gaby den beiden die Geschichte von der Katze Mieke, die in einer kommentierten Schwarzweiß-Rückblende gezeigt wird: Als Kind (Maren Thomsen), ungefähr im Alter Kemals und Frederiks, kümmerte sie sich um die Katze einer alten Nachbarin. Als diese verstarb, erzählte ihr der Hausmeister, dass neue Mieter einziehen werden. Daraufhin nahm sie Mieke mit zu sich und ihren Eltern. Nachts jammerte Mieke kläglich, sodass ihre Eltern nicht schlafen konnten. Mieke konnte sich einfach nicht an ihr neues Zuhause gewöhnen. Ihr Vater beschloss daher, die neuen Mieter zu fragen, ob sie Mieke übernehmen würden. Diese entpuppten sich als siebenköpfige türkische Familie. Der Hausmeister fürchtete die Sprachbarriere und trommelte so lange andere Hausmeister zusammen, bis er die Hausordnung auf Türkisch an die Wand nageln konnte. Als er diese verlas und zum Passus gelangte, der Kindern das Spielen auf dem Hof untersagt, merkte sie an, dass er wohl spinnen müsse. Doch bekam sie auch eine interessante Idee: Sie vermaß mit ihren Armen beide Wohnungen und schlug ihren Eltern vor, die Räumlichkeiten mit den neuen Mietern zu tauschen – doch Mutti und Vati lehnten ab. Daraufhin malte sie in der noch leerstehenden Wohnung einen Hexenkreis auf den Fußboden und versuchte es mit Magie. Die neuen türkischen Nachbarskinder lernte sie am nächsten Tag kennen, und siehe da: Sie brachten Katzenkinder mit, um die sich Mieke gleich kümmerte. Damit ging Mieke in einer neuen Rolle als Adoptivkatzenmutter auf, für die sie in ihrer alten Wirkungsstätte bleiben konnte.

Diese wunderschöne, warmherzige Episode ist eine meiner favorisierten der Reihe, bietet sie doch neben Cat Content einen integrativen Migrationskommentar, sensibilisiert beiläufig für den Wohnungsmarkt, wenn eine siebenköpfige Familie eine zuvor von einer einzelnen Seniorin bewohnten Wohnung bezieht, und nimmt typisch deutsche, spießige Kinderfeindlichkeit aufs Korn. Sogar für den Gruselfaktor ist mit Gabys Experiment in Hexenmagie gesorgt. Einziger Wermutstropfen ist die Farblosigkeit der Rückblende. Da es sich um keine unmittelbare Nachkriegsgeschichte handelt, hätte ich eine farbige Gestaltung bevorzugt, wenngleich das Schwarzweiß die Melancholie der um ihr Frauchen und ihr ehemaliges Heim trauernde Mieke betont.

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