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…unterm heißen Hoteldach

Zwischen seinen TV-Krimis „Tatort: Schwarzes Wochenende“ (jenem fulminanten Schimanski/Thanner-Beitrag) und „Die Beute“ kam im Januar 1988 Dominik Grafs „Die Katze“ in die Kinos – und damit ein Film, der das TV-Krimi-Sujet sprengte, indem er sich am ausländischen Gangster- und Action-Kino orientierte. Grafs von Christoph Fromm in Drehbuchform adaptierte Inszenierung des gleichnamigen Romans Uwe Erichsens ist eine Mischung aus Heist Movie und Action-Thriller, die in den Sommermonaten des Jahres 1987 gedreht wurde.

Düsseldorf, 16.06.1987: Verbrecher Probek (Götz George, Duisburger „Tatort“) führt einen spektakulären Coup durch: Seine Handlanger Junghein (Heinz Hoenig, „Der Drücker“) und Britz (Ralf Richter, „Das Boot“) lässt er eine Filiale der „Credit Bank“ überfallen und die Belegschaft als Geiseln nehmen, um ein Lösegeld in Millionenhöhe zu erpressen. Mit beiden Geiselnehmern steht er in direktem Funkkontakt und während Junghein in die Geiselnahmepläne eingeweiht ist, glaubte Britz, er solle lediglich einen raschen Überfall durchführen. Die Polizei um Hauptkommissar Voss (Joachim Kemmer, „Meier“) weiß nichts von Drahtzieher Probeks Treiben im Hintergrund und dass dieser vom gegenüberliegenden Hotel Bank und Polizeiaktivitäten stets im Blick hat. Seine detaillierten Informationen über die Bank hat er von Jutta Ehser (Gudrun Landgrebe, „Die flambierte Frau“) erhalten, der Frau des Bankdirektors (Ulrich Gebauer, „Die vierte Zeit“), zu der er eine Affäre unterhält. Der Polizei gegenüber scheinen Probek & Co. also klar im Vorteil zu sein. Doch hat Probek wirklich alle Eventualitäten bedacht…?

Zwischen den Vorspann wird eine Sexszene zwischen Jutta und Probek geschoben, Eric Burdon singt dazu das Titellied „Good Times“, in das Junghein und Britz auf ihrer Fahrt zur Bank einsteigen. Orts-, Datums- und Uhrzeiteinblendungen dienen nicht nur der Orientierung, sondern stellen Probeks minutiöse Planung heraus und vermitteln, dass „Die Katze“ beinahe in Echtzeit stattfindet. Zunächst läuft auch alles nach Plan, sogar einen Angriff mit Betäubungsgas kann Probek erfolgreich abwehren, und spektakuläre Explosionen erfreuen das Herz des Actionfreunds. Doch Bulle Voss ist ebenfalls nicht auf den Kopf gefallen. Über weite Strecken sorgt diese Konstellation für Hochspannung in Einheit mit authentisch anmutender nervöser Angespanntheit auf allen Seiten, die aus der ohnehin schon unwirtlichen Situation ein wahres Pulverfass macht. Dass nicht alle mit ungezinkten Karten spielen führt zu einigen überraschenden Wendungen, die in einen einmal mehr spektakulären Showdown münden, der in einen offenen Epilog übergeht.

In seinem Figurenensemble finden sich bekannte Rollenbilder der Genres: Der insbesondere im Heist-Bereich verbreitete Strippenzieher im Hintergrund, der kein typischer Haudrauf-Gangster, sondern ein intelligenter, mit Bedacht vorgehender Puzzler und Kontrollfreak ist, der auf alle vorbereitet sein möchte. Die ausführenden Kräfte sind die Jungs fürs Grobe, ihr Gegenspieler ist der mit Verbissenheit, fast schon wie besessen vorgehende, hartnäckige Bulle. Von entscheidender Bedeutung wird letztlich jedoch die Femme fatale sein, hochgradig sexy und verrucht, aber auch undurchsichtig und verschlagen. Die Kunst des Genrefilms ist es, mittels bekannter Figuren neue Geschichten zu erzählen bzw. Bekanntes so sehr zu variieren, dass Spannung, Schauwerte und Unterhaltsfaktor nicht auf der Strecke bleiben, aber auch nicht zu viel zu modifizieren, sodass das Genrepublikum sich nicht mehr zurechtfinden würde. „Die Katze“ gelingt diese Gratwanderung – stets ohne große Vorbilder plump zu kopieren –, indem er sein Genre und seine Charaktere ernstnimmt und sein Publikum zumindest so weit emotional an sie zu binden versteht, dass es kräftig mitfiebern kann.

Grafs u.a. im Düsseldorfer Hotel Nikko und Deutsch-japanischen Center gedrehter Film verfügt im Prinzip über lediglich zwei Schauplätze: die Bank und das Hotel. Diese Reduktion verleiht ihm zuweilen eine geradezu klaustrophobische Stimmung, die sich aufs Publikum überträgt. Dieses wird auch permanent Ohrenzeuge des Funkverkehrs sowohl der Gangster als auch der Polizei, was der Handlung beinahe dokumentarischen Charakter und damit zusätzlichen Realismus angedeihen lässt. Die imposante, teilweise richtiggehend originelle Kameraführung sorgt für Dynamik und versteht es, die zur Top-Riege deutscher Schauspieler(innen) gehörenden Darsteller(innen) optimal (inklusive erotischer Vorzüge) einzufangen. Dramaturgisch wird „Die Katze“ gegen Ende zwar etwas langatmig und dialogreich, alles in allem ist Graf aber ein beeindruckendes Stück intelligenten und aufwändig gemachten Genrekinos gelungen, das seine Zuschauerinnen und Zuschauer mühelos knapp zwei Stunden lang als Geiseln nimmt.

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