>>>MIT SPOILERN<<<
Dass die Amerikaner Patriotismus hoch loben, ist mitlerweile so klar wie der Himmel über dem Monument Valley an einem schönen Sommertag. Ein wenig bewölkt, vereinzelte Wolkenfetzen, ansonsten ein wunderschöner, malerischer Ausblick auf die großen, obeliskartigen Felsformationen des Navajo-Nationalreservates in Arizona, USA.
In Begleitung einer besänftigenden Melodie, Flötentöne aus dem Off, wird eine Landschaft präsentiert, wie sie in keinem Roman schöner beschrieben werden könnte.
Ein junger Mann, der Navajo Ben Yahzee, hält seinen Sohn in die Luft, hat eine kleine Träne im Auge. Um Hintergrund wehen die "Stars & Stripes". Er steigt in einen Bus ein, schaut noch einmal zu seiner Familie zurück.
Ein Blick auf vorbeifliessendes Wasser, ein Schmetterling tanzt darüber, immer sieht es so aus, als würde er mit dem Wasser verschmelzen, winzig klein, aber ganz friedlich. Er tanzt zur Musik.
Aber etwas stört an dem Wasser, der Schmetterling fliegt weg. Da ist doch etwas rotes. Und es viel davon, sehr viel. Blut vermischt sich mit dem mitlerweile zäher fliessenden Wasser, dickt es ein. Ein Mann kommt ins Bild, aber er schaut nur nach oben, er blinzelt nicht, er schwimmt nur auf dem Wasser und ist sich nicht bewusst, was passiert. Er ist tot.
Plötzlich wird es laut, Gewehrfeuer, Schreie, Explosions- geräusche. Ein lauter Schuss irgendwo von links, aus dem Bild herein in ein Gebüsch uns gegenüber, ein Soldat fällt heraus, vermutlich nicht der erste Tote in diesem Kampf. Und mit Sicherheit nicht der letzte.
Der Schütze kommt ins Bild, atmet schwer, brüllt Befehle, sofort wird das Schlachtgewimmel lauter. Joe Enders sitzt in der Falle. Eingekesselt mit einer Handvoll Marines, umzingelt von zig Feinden. Ein kurzer Kampf, der Marines-Trupp stirbt, Enders findet sich in einem Hospital wieder, er hat als einziger überlebt, hat ein Knalltrauma, Gleichgewichtsprobleme. Noch nicht wieder völlig genesen wird er wieder in den Kampf geschickt, mit einem Auftrag, der vermuten lässt, dass er alles Bisherige, was Enders mitgemacht hat, übersteigt.
Was hat nun der malerische Blick über das Monument Valley (wir erinnern uns an den Beginn) mit einer Schlacht zu tun? Auf den ersten Blick doch nun überhaupt nichts. Aber das stimmt nicht.
Rückblende 1943 - Kriegszustand der USA mit Japan. Fast der gesamte Pazifikraum ist umkämpft, die Amerikaner rücken unaufhaltsam auf Tokio vor. Doch Japan ist informiert. Zu gut informiert, dank ihrer Cryptographen. Ihnen ist es gelungen, fast jeden gängigen US-Code zu entschlüsseln, die Schritte der US-Streitkräfte angemessen abzuwehren. Die amerikanische Führung zieht ein As aus dem Ärmel, von dem sie sich sicher sind, es bis zum Ende als Trumpf zu behalten: Sie wollen ihre Ureinwohner, die Navajos, als Code-Sprecher mit an die Front schicken, sie sprechen in einer Sprache, über die Japan nicht genug informiert ist.
Unter dem Schutz von Joe Enders, der mit seiner Division die japanische Insel Saipan im Juni 1944 freikämpfen muss, wird der jung Navajo Ben Yahzee als Code-Talker eingesetzt, er übersetzt die Befehle simultan an die Flotte oder die Luftunterstützung, unknackbar für die Japaner.
Noch - denn Enders' Befehl geht so weit, dass er, vorsichtig ausgedrückt, "den Code um jeden Preis beschützen muss". Das kann im Fall einer bevorstehenden Gefangennahme des Code-Talkers dazu führen, dass Enders den jungen Yahzee erschiessen muss.
Doch das wird ihm im Verlauf, wie sollte es anders sein, immer schwerer Fallen.
Willkommen in der Welt des John Woo. Der Mann, der berühmt für seine krassen Gegensätze ist. Für seine Art, Dinge zu zeigen, wie sie niemals unter normalen Umständen zu sehen wären. Für seine Art, Ansichten der absoluten Harmonie mit absoluter Gewalt zu vermischen. Die erste Einstellung ist bereits Beweis dafür.
Vorbeifliegende Vögel in Zeitlupe vermischen sich mit vorbeifliegenden Kugeln in menschliche Körper.
Der neueste Streich des Hong-Kong-Exportschlagers Woo, "Windtalkers", setzt wieder auf diese Verschmelzungen. Ein Mann, der zu seinem Befinden für "Ästhetik und Gewalt" steht wie ein Autor zu seinen Formulierungen.
Naja, fast. "Windtalkers" ist nicht ganz so schön anzusehen, wie beispielsweise "Im Körper des Feindes". Dazu ist die Atmosphäre nicht minimalistisch ausgelegt, vielmehr ist hier die Kunst der Großinszenierung der "Betrachtung für die Feinheiten" gewichen.
Das wird an der ersten Großeinstellung klar, in der ein Bataillon Soldaten einen von Japanern besetzten Hügel erstürmt, den Feuerschutz der Schlachtkreuzer vor der Küste und dem Bombenhagel der P-51-Jagdbomber von oben zur Unterstützung. Gigantisch! Klar, dass in einer solchen Einstellung keine Zeit für "Taubenflügelschläge in Zeitlupe" bleibt.
Stattdessen stört sich der Regisseur kein bisschen daran, den Krieg so darzustellen, wie er vermutlich verlaufen sein muss - blutig, brutal, unmenschlich, stählern, laut, tödlich.
Was ein, wenn nicht für den Film der größte, Kritikpunkt ist. Sicherlich, wir erinnern uns an die Eröffnungssequenz aus "Der Soldat James Ryan".
Da ging es über alle Maßen schonungslos zu, doch was uns John Woo hier präsentiert, ist an Gewaltdarstellung kaum zu übertreffen: Nicht mal unbedingt viele "abgeschossene Körperteile" (sicherlich ein paar, aber höchstens zwei oder drei) aber dafür aus jedem Einschussloch mindestens ein halber Liter Blut. Aus jedem! "Das ist doch normal" mag man denken, aber das ist auch völlig unnötig. Besonders schlimm die Szene, in der ein Flammenwerfertank auf dem Rücken eines Marines in Zeitlupe explodiert und den Soldaten bei lebendigem Leibe verbrennt. Hinzu kommt, dass so viele Statisten den Filmtod sterben. Rein rechnerisch sind es vier- bis fünfmal mehr als in vergleichbaren Kriegsfilmen.
Das ist eine unglaublich hohe Zahl! Und da passiert es dann auch, leider, dass man irgendwann beginnt abzustumpfen. Es ging mir sogar so, dass ich irgendwann bei all dem Tod nicht mehr aufgepasst habe, mir keine Gedanken mehr gemacht habe, erschreckende Vorstellung.
Hinzu kommt der Woo-untypische und hoffentlich einmal-und-nie-wieder-Patriotismus. Am Vorabend der großen Landung auf Saipan trinken die Soldaten nochmal gesellig auf ihr Wohl, toasten zu "Auf den Krieg!" und die meisten können es nicht abwarten, endlich "ihre Ehre und ihr Land zu verteidigen!". Das wären, zumindest für meine Ansichten, die wichtigsten Kritikpunkte. (kleine Fragen wie: "Wo hat der die Löschdecke plötzlich hergezaubert?" lasse ich einfach mal aus, sowas kommt eben immer mal vor, auch die unendlich vollen Magazine).
Die Story weiss zu überzeugen. Das liegt an den guten schauspielerischen Leistungen vor allem von Adam Beach, der als junger Navajo den Code-Talker Ben Yahzee mimt. Skrupel überkommen ihn den ganzen Film hindurch, er möchte niemanden wirklich töten. An seiner Seite steht Nicolas Cage (Sergeant Joe Enders) als traumatisierter Truppführer, dessen Gewaltbereitschaft sich leider nicht völlig mit den ruhigen Momenten deckt. (er beobachtet -Woo-like- vorbeifliegende Vögel in Zeitlupe). In Rambo-Manier schiesst er dann aber wieder wie wild um sich und wird als Held gefeiert, ist aber innerlich ein verletzter Charakter? Am besten selbst davon überzeugen... mir gelang es nicht völlig nachzuvollziehen.
Pluspunkt in seiner Handlungsweise ergibt sich erst viel später, als er seinen Auftrag nicht mehr ausführen kann, er Yahzee im Falle einer Gefangenschaft nicht mehr so einfach erschiessen, dafür aber seinen Freund in die Luft sprengen kann.
Fazit:
Auch wenn man John Woo's Handschrift in Zügen erkennt, so weicht sie an vielerlei Stellen der Großinszenierung und der damit verbundenen Umgliederung von der "Norm" ab. Hier erkennt man, dass es Woo leider nicht gelingt, immer seine Unverwechselbarkeit an den Tag zu legen.
Auch hat er sich zu sehr auf den amerikanischen Partriotismus eingelassen, und der ist leider auch auf die Zeit nach dem 11. September zurechtgeschnitten, wenn auch als kleine Kritik daran.
"In 50 Jahren werden wir bestimmt mal mit den Japanern zusammen ihren Sake trinken und einen ganz anderen Feind haben" um nur ein Beispiel zu nennen.
Trotzdem ist die Geschichte um die Beziehung zwischen den beiden Hauptdarstellern schlüssig und spannend, manchmal sogar tragikomisch erzählt, was ein großer Pluspunkt ist.
Bewertung:
An einem insgesamt guten Film gibt es hier nicht viel auszusetzen. Schöne Massenszenen, die man so schon lange nicht mehr bestaunen konnte, sogar übermalte Originalaufnahmen von Schlachtkreuzern in Feuerbereitschaft sind eingebunden.
Leider leider sind die wenigen CGI-Effekte der P-51-Flugzeuge nicht besonders gut gelungen. Weiterhin drücken die allzu brutalen Szenen über den Tod der Soldaten sehr auf das Endresultat. Daher bekommt der Film von mir nur die Wertung Mittelmaß. Nicht schlecht, aber es wäre sicherlich mehr drin gewesen.
Leider ein - rein visuell betrachtet - größtenteils zu konventioneller Kriegsschocker, an dem nicht genug Woo zu erkennen ist.