Nach seiner wenig erbaulichen, dafür finanziell aber sehr erfolgreichen Zusammenarbeit mit Tom Cruise („Mission: Impossible II“) war John Woo („Hard Target“, „Broken Arrow“) in Hollywood wieder rehabilitiert und durfte sich sein nächstes Projekt wieder selbst aussuchen. Ausgerechnet auf einen Kriegsfilm sollte seine Wahl fallen. Am finanziellen Scheitern von „Windtalkers“ ist weniger John Woos Inszenierung Schuld, denn die mit über 100 Millionen Dollar ausgestattete Actionkoryphäe, brennt hier ein referenzverdächtiges Spektakel ab, als der Zeitpunkt zu dem er releast wurde. 2002 wurden innerhalb von sechs Monaten Ridley Scotts „Black Hawk Down“, Randall Wallaces „We Were Soldiers“ und eben als letztes „Windtalkers“ auf das Publikum losgelassen. Als Woos Film endlich in die Kinos kam, war das amerikanische Publikum einfach übersättigt.
Darauf lässt sich jedoch nicht die Alleinschuld abwalzen. Auch Woo selbst muss sich hier den Vorwurf gefallen lassen, ein leider sehr oberflächliches Kriegsspektakel vom Stapel gelassen zu haben. „Windtalkers“ wirkt selten wie ein Kriegsfilm, sondern meist wie ein Actionfilm und das ist Woos Schuld. Keine Frage, die ausufernden Schlachten auf der Pazifikinsel sind alles andere als Schonkost, fulminant eingefangen von Kameramann Jeffrey L. Kimball ( auch unter Woo bei „Mission: Impossible II“ und „Paycheck“). Der Film zeigt Aufnahmen von Schlachtfeldern aus der Totalen, bei denen das Publikum der Atem stockt, hält in den blutigen Szenen voll drauf, zeigt den Kampf um die Insel als unüberschaubare Grabenkämpfe voller Blut und abgetrennten Körperteilen. Überall schlagen Artilleriegranaten ein, werden Soldaten durch die Luft gewirbelt oder sterben in Zeitlupe im Kugelhagel, bleiben im Stacheldraht hängen, werden durch Flammenwerfer geröstet oder massakrieren sich mit Bajonetts. Vom Wasser aus feuern Schlachtkreuzer auf die sich verschanzenden Japaner und irgendwann bekommen dann auch die titelgebenden Windtalkers zu ihren ruhmreichen Szenen.
„Windtalkers“ ist in dieser Hinsicht wirklich allerfeinstes Adrenalinkino, dass nur ein Problem hat – es ist seelenlos. Die bombastische Dauerberieselung kann nur ungenügend von der fehlenden Tiefe des Stoffs ablenken.
Bei einer Nettolaufzeit von stattlichen 150 Minuten (Ich beziehe mich in diesem Review auf den Director’s Cut) kommen die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander zu kurz. Woo wollte hier den Navajo-Indianern, die hier als Codefunker eingesetzt werden, ein filmisches Denkmal setzen, versinkt jedoch leider in den üblichen Motiven und reißt seine Vision nur gelegentlich an – eventuell ein Zugeständnis an die Produzenten.
Nicolas Cage („The Rock“, „Bringing Out the Dead”), der nach „Face/Off” hier bereits zum zweiten Mal mit John Woo zusammenarbeitet, darf hier den einzigen Charakter spielen, dem so etwas wie Tiefe zugestanden wird. Als beförderter Sergeant Joe Enders, der wegen blinden Gehorsams sein ganzes Platoon verlor und nach einer schweren Verletzung mit diesem Dämon zu kämpfen hat, liefert er eine ordentliche, wenn auch nicht glänzende Leistung ab. Geprägt von Todessehnsucht, Hass, Wut und einer Portion Irrsinn macht die verschlossene Figur aber nur die erwartete Entwicklung durch. Mit dem Auftrag den ihm zugewiesenen Indianer bei drohender Gefangennahme zu exekutieren, damit der Funkcode nicht in feindliche Hände gerät, kommt er bald in eine Gewissenszwickmühle, weil er Private Ben Yahzee (Adam Beach, „The Last Stop“, „Now & Forever“) besser kennen lernt, als ihm lieb ist.
Der restliche Cast steckt in seinen Stereotypen fest. Peter Stormare gibt den bärbeißigen, knallharten Gunnery Sergeant Hjelmstad (von allen The Viking genannt), kann diese Rollen inzwischen aber auch aus dem Stand und Adam Beach wie Roger Willie müssen als indianische Codetalker etwas Mentalität vermitteln, entsetzt dreinschauen und Rassisten eines besseren belehren. Über die einfältig in G.I. – Nebenrollen verheizte Garde um Noah Emmerich („The Truman Show“, „Cellular“), Mark Ruffalo („View from the Top“, „Collateral“), Brian Van Holt („Basic“, „S.W.A.T.“) und Martin Henderson („The Ring“, „Torque“), die nur Soldatenplattitüden zum Besten gibt, muss dann auch nichts weiter ausgesagt werden. Christian Slater („Der Name der Rose“, „Hard Rain”), nach „Broken Arrow” ebenfalls wieder mit Woo zusammenarbeitend, vertritt, mit der selben Aufgabe wie Enders betraut, einen interessanten, weil gegensätzlichen Standpunkt bezüglich der Beziehung zu den Indianern, darf Nicolas Cage aber nur unzureichend damit konfrontieren. Die für die obligatorische und ungemein kitschige Romanze zuständige Frances O'Connor hat nur die Aufgabe in Briefen die politische Gesamtsituation zu erläutern – hätte man auch geschickter lösen können.
Natürlich wird Enders irgendwann in die Situation kommen, dass er einen Indianer zwangsweise erschießen muss. Gewissen hin oder her. Doch bis dahin vergeht einige Zeit, die inmitten der perfekt photographierten Schlachten schnell vergeht, sich in den Pausen aber mit arg pathetischen Dialogen allerdings auch dehnt. „Windtalkers“ weiß in seinen Kampfpausen nichts mit sich anzufangen und treibt ziellos durch bekannte Motive. Enders lässt den ihm überreichten Tapferkeitsorden an die Frau eines gefallenen Kameraden schicken, hat immer wieder mit seiner Bürde zu kämpfen und ist kurz vor der Grenze zum psychischen Wrack – weswegen er in den Scharmützeln immer wie ein irrsinniger, rücksichtsloser, risikofreudiger Berserker durch die Japaner mäht.
Ob bleihaltige Hektik oder natürliche Ruhe, James Horner scheint nie die richtigen Töne zu den jeweiligen Szenen zu finden, komponiert einfallslos und uninspiriert und langweilt deswegen mit einem handelsüblichen Score, der die mitreißende Optik nie unterstützen kann. Enttäuschend für einen Musiker, der immerhin kraftstrotzende Scores zu Filmen wie „Aliens“, „Der Name der Rose“, „Die Hard“ und „Braveheart“ geschrieben hat.
Trotz aller Negativpunkte kann ich nicht behaupten mich von „Windtalkers“ nicht weitestgehend unterhalten gefühlt zu haben. Das verdankt der Film jedoch einzig und allein seiner Inszenierung, die weit über Hollywoods Standard angesiedelt ist und durch unnachahmliche Actionszenarien (wohlgemerkt nicht Kriegsszenarien) besticht. Der Aspekt der indianischen Codefunker wird dabei aber eigentlich zugunsten der Wooschen Lieblingsmotive Freundschaft, Pflicht, Ehre, Religion (Minianriss in Form eines Dialogs) und Liebe komplett fallen gelassen. Die beherbergen dann immer noch interessantes Potential (der Vergleich zwischen den Verhaltensweisen von Slater und Cage), doch werden ähnlich marginal, kurz und knapp abgehandelt.
Fazit:
Kriegsactioner, der die Silbe Anti aufgrund seiner doch recht unterhaltsamen Inszenierung nicht verdient. „Windtalkers“ ist massiver pyrotechnischer Bombast gepaart mit Woos bekannt brillanter Kameraarbeit und groß angelegten Schlachten. Ärgerlich nur, dass das eigentlich zu Beginn für so wichtig gehaltene Thema dann schnell verschwindet und der Streifen zu einem Woo-light verkommt. Seine Standard-Elemente werden auf ein Minimum heruntergefahren, die Kampfpausen stören mit Alibidialogen und Wiederholungen (die ewige Annäherung von Enders Yahzee) und irgendwie dauert die Chose mit 150 Minuten auch etwas lange. Nichtsdestotrotz ein Spektakel, das sich vor den Großen des Genres nicht zu verstecken braucht. Wenn da nur nicht diese schlampige Oberflächigkeit wäre...