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Aufgepasst, liebe “Departed”-Fans: Ungefähr für 2010 ist wahrscheinlich mit dem nächsten US-Remake eines asiatischen Gangsterfilms zu rechnen, wenn der Recycling-Trend anhält. Er stammt diesmal aus Südkorea, für den Filmfan zunehmend mehr das gelobte Land, und sein Name lautet “Dirty Carnival”.

Splendid nennt ihn “Straßen der Gewalt” und spricht auf dem Backcover von einem “faszinierenden Gangsterdrama mit Scorsese-Touch”. Das entspricht nur halb der Wahrheit, denn während Scorsese die Kamera mitten im Gangstermilieu zentrifugiert und den Zuschauer zum Mittäter der Gangsterbanden macht, spielt unter Yu Ha eine objektive Beobachterperspektive von außen ein, als der aufstrebende Gangster Byung-doo Kim (Jo In-Seong) per Zufall auf alte Klassenkameraden trifft - und die haben rein gar nichts mit seiner Welt gemeinsam. Doch Kim ist in ein Mädchen aus seiner alten Klasse verliebt und ein anderer seiner Klassenkameraden ist Regisseur und will einen Gangsterfilm drehen - mit Kims Hilfe soll das Drehbuch authentisch werden. Und so entsteht eine Verankerung in die “normale” Welt, während es intern um Klassen- und Rangkämpfe geht. Zwei Welten kollidieren miteinander...

Das Skript entwickelt sich aus dieser raffinierten Ausgangsposition prächtig und schlägt verblüffende Bahnen ein. Die Perspektive auf das Milieu ist im Gegensatz zu Scorseses “Goodfellas”, “Casino” oder “The Departed” gänzlich anders. Yu Ha möchte nicht unbedingt vermitteln, wie es ist, mit den Augen eines Gangsters zu sehen und mit dem Gehirn eines Gangsters zu denken; er möchte vielmehr zeigen, was geschieht, wenn man von außen mit dieser dem Klischee nach zu urteilen gefährlichen, autarken Welt der gesellschaftlichen Peripherie in Berührung gerät. Man erwartet Ehrenkodexe, Anzüge, beidhändigen Waffengebrauch und skrupellose Geschäfte auf illegalem Boden. Dinge, die sich zum Teil bewahrheiten, jedoch ist die Überraschung groß, wenn man auch hier normale Menschen vorfindet - Menschen, die einfach ein gutes Leben führen wollen.

Der Abgrund öffnet sich mit schleichenden Sohlen und die Dramaturgie geht in einem gemächlichen Spannungsaufbau mit vereinzelten Höhepunkten hundertprozentig auf. Die Entwicklungen erscheinen größtenteils authentisch, auch wenn manche Szene sich auf Routine stützt - da wird mal ein aufdringlicher Herr ordentlich verprügelt und die eigene Freundin schreckt plötzlich vor der angewandten Gewalt zurück, obwohl diese zu ihrem eigenen Schutz eingesetzt wurde... und so weiter. Im Angesicht der fruchtreichen Varietäten rundherum macht diese Routinen aber schier bedeutungslos.

Passend gesellt sich das komplette Fehlen von pathetischen Trändrüsensequenzen hinzu. Man hat manchmal das Gefühl, “Straßen der Gewalt” sei für den Gangsterfilm zumindest annähernd das, was “Memories of Murder” für den Serienkillerfilm darstellte, nämlich mitunter eine Umkehr der Mechanik des Genres. Nun wäre das Unterstellen einer kompletten Umkehr vielleicht zu viel der Ehre, aber dass Yu Ha die Mechanismen ergreift und merklich ausweitet, ist unleugbar.

Dies schlägt sich alleine schon in den geschmackvoll eingesetzten Szenen nieder, in denen ein wenig Action die Bildfläche ausfüllt. Von Schießereien wird bewusst Abstand genommen, vielmehr kommen improvisiert wirkende Faust- und Messerkämpfe zum Einsatz. Auch der sonst beinahe reflexartige Einsatz von vollendeten Kampfchoreografien fällt weitgehend flach; was der Europäer von einem Film aus Asien erwartet, wird (erfreulicherweise) nicht erfüllt. Die Gangster verhalten sich im Zweikampf verhältnismäßig plump, zieht man Martial Arts-Akrobaten zum Vergleich heran - aber sie kämpfen entschlossen, gezielt und mit bewusst eingesetzten Techniken, die nur eben eher an die Straßenkämpfe von Hooligans erinnern als an Bruce Lee.

Der Dreh des Films-im-Film von dem Klassenkameraden, der sich im Gangstermilieu seines Freundes Tipps abholt, wird einmal mehr zur Metaebene hochstilisiert. Man ist gar so keck, diesem Sachverhalt die letzte Szene des Films zu widmen. Gewissermaßen bildet man sich offenbar selbst ein, mit “Dirty Carnival” ein Zeugnis der Authentizität abgelegt zu haben. Das wird alleine in der Szene klar, als der Regisseur (Nam Gung-Min) mit seinem Action-Koordinator darüber diskutiert, weshalb der Roundhouse-Kick aus der Choreografie fallen soll, als plötzlich Kim hinzustößt und als echter Gangster zeigt, wie echte Gangster kämpfen. Hier bricht der Film in den Film-im-Film ein und gibt ihm die Richtung vor, macht ihn zu einem “echten” Gangsterfilm, von dem dieser behauptet, längst schon einer zu sein. Aber der Hochmut kommt nicht von ungefähr, er ist verdient.

Nur der Subplot mit Kims neuer Freundin fällt ein wenig ab, obwohl er für den Plot grundsätzlich unverzichtbar ist, schließlich stellt er einen von zwei (neben der Filmsache) Ankern in das “Normal Life” dar, und zwar den einzigen, der von Kim selbst ausgeworfen wird. Aber im Gegensatz zum Rest vollzieht sich die Beziehung zwischen Kim und Hyun-ju (Lee Bo-Young) zu vorhersehbar.

Trotzdem ist “Dirty Carnival” ein ganz starkes Stück auf seinem Sektor. Ehrliche, unverfälschte Bilder ohne falsche emotionale Übersteigerungen oder Anhäufungen von Milieuklischees, dazu eine ausgeklügelte, intelligente Geschichte mit einer glaubwürdigen Evolution. Sollte Hollywood auch hier seine Chance ergreifen, so hat das seinen Grund.

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