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Neben "Clockwork Orange" dürfte dies der mit Abstand grausamste und bösartigste Film des Meisterregisseurs Stanley Kubrick sein. Obwohl er seiner Flugangst wegen seine Heimat Großbritannien nicht verließ, sondern die kompletten Dreharbeiten in britischen Studios absolvierte, gelang ihm einer der realistischsten und schockierendsten Filme über das Grauen des Vietnamkriegs.

"Full Metal Jacket" lässt sich grob in zwei große Abschnitte untergliedern: Im ersten Drittel des Films zeigt er die Ausbildung der Rekruten in einem Lager der US-Armee. Dieser Teil führt den Zuschauer an die Grenze der psychischen Belastbarkeit: In kalten Bildern, aus denen alles Leben und jede Seele gewichen zu sein scheint, wird das geistige Zerbrechen eines jungen Mannes unter den brutalen und sadistischen Trainingsmethoden des Ausbilders dargestellt. R. Lee Ermey vollführt hier eine Glanzleistung als vollkommen enthemmter Sergeant, der die Männer nur schreiend anspricht, ihnen jegliche Würde aberkennt und ihren Willen brechen will, als seien sie Insassen eines Bootcamps. Seine unfassbar vulgären Dialoge sorgen in der Anfangssequenz noch für Lachen - wenn er sich aber allmählich auf den Private "Paula" als Lieblingsangriffsziel spezialisiert, vergeht der Spaß sehr schnell. In diesem entmenschlichten Ausbildungslager sind Würde und Rechte nichts mehr wert, hier geht es nur darum, aus durchschnittlichen Menschen erbarmungslose Killer zu machen. Wenn der Ausbilder bekannte Amokläufer wie Lee Harvey Oswald voller Stolz als Beispiele für die grandiose Ausbildung seines Camps aufführt, wird klar, worum es hier tatsächlich geht: Was ranghohe Militärs mit geschwollener Brust als "Killer" bezeichnen, sind nichts anderes als gefährliche Psychopathen. Nie zuvor wurden die Grundlagen, die es für einen derart desaströsen Vietnamkrieg brauchte, mit solch bösartigem Zynismus nachgezeichnet: Der Ausbilder verspricht seinen Rekruten, sie seien durch ihre Teilnahme am Krieg unsterblich, auch wenn sie an der Front fielen; die Historie bewies, dass die Männer, die ihr Leben für diesen Krieg riskierten, bei ihrer Rückkehr verachtet und geschmäht wurden. In ihrer Bitterkeit übertrifft dieses erste Filmdrittel beinahe jeden vorherigen Kriegsfilm.

Umso konsequenter erfolgt dann der Bruch im Film - nun sind die meisten Rekruten an der Front angekommen und erleben die Hölle des Kriegs am eigenen Leib. Dieser Großteil des Films steht in beinahe direktem Kontrast zum Anfang: Kubrick zieht den Beobachtungskreis immer enger und enger, fokussiert sich nur auf die Soldaten, die ihre Familien wieder sehen und ihr ganz alltägliches Leben wieder aufnehmen wollen, und doch in den meisten Fällen elend im Dreck sterben, hingerichtet nicht vom Feindbild des unbarmherzigen Vietkong, sondern von verzweifelten, allein im Schlachtfeld zurückgelassenen vietnamesischen Frauen. Je länger der Film läuft, desto spärlicher werden die Dialoge und umfangreicher, aber auch zielloser die Feuergefechte. In der finalen Sequenz beschießt ein ganzer Trupp ein leerstehendes Gebäude, in dem sie versteckte Vietkong vermuten - und am Ende doch nur einen einzigen Heckenschützen finden.

Die Bildsprache bleibt durchgehend auf dem hohen Niveau des Anfangs, beschönigt nichts und schafft es dennoch, eine eigene Ästhetik der Zerstörung zu finden. Im Gegensatz zu vielen Genrewerken wird hier auf pseudophilosophische Betrachtungen über Sinn und Unsinn des Kriegs verzichtet - nur die Menschen mit ihren Ängsten, Sorgen und Plänen (und zerbrechenden Moralempfindungen) stehen im Vordergrund. Mithilfe eines Soundtracks, der den Zeitgeist wunderbar treffend einfängt und gerade deshalb umso zynischer wirkt, wird "Full Metal Jacket" zu einem Kunstwerk über den Krieg, das in seiner Bösartigkeit und seinem Sarkasmus schockierender ist als die meisten anderen Filme des Genres.

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