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Obwohl er weltweit als bester Kriegsfilm aller Zeiten bezeichnet wurde, gibt es doch erstaunlich viele Stimmen, die „Full Metal Jacket“ seinen Status als Meisterwerk streitig machen wollen. Manche werfen dem Regisseur vor, sich nicht die erforderliche Zeit genommen und daher vieles lieblos inszeniert zu haben, andere sind der Meinung, es wäre keinerlei Intention von seiner Seite erkennbar usw. Wie sich herausstellt, sind diese Behauptungen aber fast allesamt unangebracht und lassen auf ein offenbar mangelhaftes Verständnis des Filmes schliessen. Dass sich Stanley Kubrick immer durch sorgfältigste Planung auszeichnete und somit auch für „Full Metal Jacket“ viel Zeit zur Vorbereitung brauchte (es waren 5 Jahre) ist allgemein bekannt und sollte zeigen, dass schon der erste Kritikpunkt sehr unangebracht erscheint.
Im wesentlichen kann man den Film in 2 Abschnitte unterteilen. Der erste spielt auf Parris Island und schildert wie kein zweites filmisches Machwerk den Prozess der militärischen Grundausbildung, die jeder Marine-Anwärter hinter sich bringen muss. Während der motiviert und zuversichtlich erscheinende Private Joker die Rolle der Leitfigur übernimmt, wird mit der Figur des Private Pyle (grandios verkörpert von Vincent D’Onofrio) demonstriert, welche Folgen die grausame Umpolung eines Menschen zur gefühllosen Killermaschine im Extremfall haben kann. Wie wahrscheinlich es nun ist, dass sich ein derart ungeschickter Kandidat nun wirklich zur Grundausbildung meldet, mag diskutabel sein, steht hier aber nicht zur Debatte, denn „Full Metal Jacket“ spielt während des Vietnamkrieges, zu dessen Zeit der Militärdienst nicht freiwillig war. Dieser erste Teil ist uneingeschränkt das, was man von Kubrick kennt (oder kennen sollte): Akribischst inszenierte und perfekt aufeinander abgestimmte Bilder und ein weiterer Beweis für Kubricks Spürsinn, wenn es um die Rollenbesetzung geht. Neben Vincent D’Onofrio ist es vor allem Ronald Lee Ermey, der gewissermassen das auf die Leinwand bringt, was er gut 11 Jahre im wirklichen Leben ausübte (er war selber Ausbilder) und mit dieser Leistung wohl nie seinen Meister finden wird. Auch versucht Kubrick nicht, wie viele andere Regisseure, den Soldaten ein bestimmtes Gesicht zu geben, indem er beispielsweise ihre Vergangenheit in Bilder fasst, sondern zeigt nur das, was für die Ausbildung relevant ist (nämlich gar nichts bis auf das Kahlscheren) und unterstreicht so noch viel deutlicher ihre Gleichgültigkeit, wie sie Ermey auch gleich zu Anfang passend kommentiert. Dessen Auftritte wirken teils so übertrieben, dass man fast schon wieder über sie lachen könnte, was einem aber spätestens beim schockierenden Ende vergeht. Auf ganzer Linie als Kubrick ab zu stempeln: Einzigartig und nicht zu toppen.
Was nun den zweiten Part, in dem die Soldaten ihren Einsatz in Vietnam haben, angeht, so flacht dieser gegenüber dem ersten tatsächlich etwas ab. Inhaltlich zunächst muss man Kubrick ausdrücklich dafür loben, dass er keine Sekunde darin investiert, dem patriotischen Gedankengut Vorschub zu leisten und stattdessen sogar gekonnt Kritik an den USA übt. Natürlich ist dafür auch entsprechende Aufmerksamkeit beim Publikum gefordert. Wer also z. B. bei der Hubschrauber-Szene nur auf das Geballere achtet, kann unmöglich verstehen, was es mit dieser Stelle auf sich hat. Dass der zweite Teil nun dem ersten leider nicht das Wasser reichen kann, liegt zum einen daran, dass die zwei wichtigsten Leistungsträger der vorherigen Episode zwangsläufig nicht mehr von der Partie sind, zum anderen wird ein grosser Teil von den Schlachtszenarien eingenommen, die technisch längst nicht mehr up to date sind (auch damals schon waren sie nicht vom Allerfeinsten) und verhältnismässig wenig von Kubricks virtuosem Regiestil an sich haben. Den zweiten Teil aber deshalb als uninspiriert oder gar wertlos zu bezeichnen, ist mehr als ungerechtfertigt, da eine opernhafte Inszenierung à la „Uhrwerk Orange“, wo man fast jedes dritte Bild als Gemälde für ein Kunstmuseum hätte vermarkten können, hier völlig fehl am Platz wäre und sicher nicht Kubricks Intention entsprechen dürfte. Kubrick will den Krieg so rüberbringen, wie er ist: dreckig, hart, schonungslos und absolut tödlich. Und er braucht, wie auch sonst, keine Aneinanderreihung von Brutalitäten, um sein Ziel zu erreichen. In „Full Metal Jacket“ schwingt die Atmosphäre des Kriegs durchweg mit, obwohl es gewaltmässig nur selten richtig zur Sache geht, ganz im Gegensatz zu solchen filmischen Beiträgen zum Kriegsgenre, die von blutigsten Einschüssen und sonstigen Tötungsarten förmlich leben. Auch hat Kubrick glücklicherweise nicht den Fehler begangen, sein Publikum mit zahlreichen Schnitten zu verwirren, sondern lässt die Kamera zwischen den Soldaten „mitlaufen“, so dass man es viel leichter hat, sich direkt in das Geschehen hinein zu versetzen. Einzig die Tatsache, dass insgesamt zu viele der Kamerafahrten seitlich verlaufen, fällt hinterher etwas negativ auf. Das hätte man anders gewichten sollen. So ist auch der zweite Teil von „Full Metal Jacket“ ein hochwertiges Stück Filmgeschichte, welches mit einigen wahrlich bewegenden Höhepunkten aufwarten kann. Zu nennen wären beispielsweise Jokers Konfrontation mit dem Massengrab sowie das geniale Ende, welches sich beim aufmerksamen Zuschauer mindestens ebenso im Gedächtnis einprägen sollte wie das des ersten Teils. Und wo wir auch gerade wieder von Joker reden, wäre an zu merken, dass man auch all die Kommentare getrost vergessen kann, die besagen, man hätte für den zweiten Teil ganz andere Charaktere verwenden können, da er mit dem ersten ja eh nichts gemeinsam habe. Denn gerade im Falle von Joker, der auf Parris Island dem Ausbilder als einziger Paroli bieten konnte, regt die Tatsache, dass selbst er zunehmend psychisch verstört wirkt, doch sehr zum Nachdenken an, was niemals möglich wäre, wenn man es mit jemandem zu tun hätte, von dem man nicht weiss, wie er sich bei der Ausbildung gemacht hat. Bzgl. der Frage, inwieweit es nun von Vorteil war, dass man für die Schlachtszenen notgedrungen Stadtruinen beschaffen musste (Kubricks Flugangst verbot es ihm, einen Ort zu bereisen, wo man im Dschungel hätte drehen können), sollte man sich nicht festlegen. Immerhin bietet der Film so aber Abwechslung gegenüber anderen Konkurrenten, bei denen man die ewige Dschungelkulisse allmählich satt ist.

Fazit: „Full Metal Jacket“ wird auf ewig einer der besten Kriegsfilme bleiben und auch für zukünftige Generationen von grosser Bedeutung sein.

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