Ein Kriegsbericht in zwei völlig unterschiedlichen Teilen
Selten hat ein Film zwei so qualitativ verschiedene Hälften wie dieser meines Erachtens viel zu oft als bester Antikriegsfilm aller Zeiten gelobte Streifen aus der Feder des Wenigfilmers Stanley Kubrick. Eine normale Kritik verbietet sich hier, denn der Film kann nicht als Ganzes gesehen und bewertet werden, hier ist eine Rechenoperation nötig – und sowohl große Freude als auch Mißmut kommen zum Tragen.
Teil 1: Die Ausbildung junger Menschen in einem Boot-Camp in Amerika.
Durch den Film führt uns Private Joker, der nicht nur seine Individualität durch das radikale Abschneiden seiner Haare sondern auch durch den Verlust seines wirklichen Namens verliert. Es geht ihm wie allen anderen Rekruten, die durch den knallharten Drill Instructor zu lebenden Kampfmaschinen geformt werden sollen. Doch nicht alle stecken die mitleidlose Ausbildung gleich gut weg, insbesondere der leicht dümmliche Private Pyle verliert zum Schluß die Nerven, wieder und wieder gedemütigt durch den D.I., aber auch durch seine Kameraden, die für seine Fehler zur Rechenschaft gezogen werden. Der erste Teil des Films zeigt uns daher, wie das Militäre Menschen zerbricht, um sie in seinem Sinne zu formen. Über allem steht der Korpsgedanke, man ist kein Individuum mehr, sondern nur noch Teil der Marines. Das ist kritisch zu betrachten, und Kubrick macht es uns durch die verschiedenen Identifikationsfiguren leicht, seine Botschaft zu verstehen, denn selbst der an sich sehr umgängliche Joker läßt sich durch die Fehler Pyles zu Aggressionen gegen seinen Kameraden hinreißen.
Teil 2: Kriegseinsatz und Langeweile nach üblichem Muster
Irgendwo in Vietnam, nahe Hue, sehen wird einige der Rekruten wieder, mittlerweile schon eine Zeit im Dienst. Joker ist als Kriegsberichtsreporter unterwegs und soll für die Army das Geschehen freundlich aufarbeiten. Kein Story ohne toten Vietnamesen, lautet die Devise. Man hängt herum, langweilt sich, darf dann schließlich in einer Episode beim Häuserkampf auch selbst töten, obwohl das Opfer nur ein einziger Vietcong-Scharfschütze ist. Zuvor ein bißchen Panteraktion, kurze Gefechte, der eine oder andere stirbt, und ganz nebenbei geht Joker seiner Aufgabe nach, so wie viele andere Reporter. Aber all das enttäuscht den Betrachter, obwohl das technische Niveau hoch ist. Man leidet nicht mit den Figuren mit, die seltsam eindimensional gezeichnet sind. Vietnamesen sieht man ohnehin nicht, aber das ist in fast allen Kriegsfilmen dieser Ära nicht anders, da man sich vorrangig auf das Schicksal der Marines konzentriert. Als Antikriegsfilm ist dieser zweite Part untauglich, denn er ist eher ein Actionteil, der keineswegs den Krieg an sich kritisiert und somit nur, wie alle seine Mitbewerber, ein reiner Kriegsfilm ist.
Und nun? Wie kann man das Gesagte zu einer Note zusammenfassen? Der erste Teil bekommt volle Punktzahl, der zweite nur sechs, denn der Bruch ist insgesamt zu drastisch und die im ersten Part geäußerte Kritik am System weicht bodenständiger Action. Das ist schade, denn man hätte da wirklich mehr draus machen können. Den Ausbildungsterror indes mag man sich, schon allein wegen der wunderbaren Unflätigkeiten des D.I., gerne und oft anschauen, das ist ein Klassiker für die Ewigkeit. Somit bleibt leider ein fader Nachgeschmack und insgesamt nur 8/10.