Während der heutige Kriegsfilm mehr durch Actionszenen als durch soliden Inhalt besticht, drehte Stanley Kubrick einen ganz anderen Film. Allein die halbstündige Ausbildung der Rekruten bleibt einem wohl immer in Erinnerung.
Der Vietnamkrieg. Unzählige junge Menschen werden einberufen, den härtesten Drill gibt es bei den Marines. Zu den Auszubildenden zählen u.a. der recht wackere Privat „Joker“ (Matthew Modine) und der recht trottelige Privat „Paula“ (Vincent D’Onofrio). Gedrillt werden die Rekruten vom gnadenlosen Ausbilder Gunnery Sergeant Hartman (R. Lee Ermey). Kosenamen sind noch das freundlichste, was er den Rekruten verpasst, er erniedrigt alle bis zum äußersten, besonders Paula. Irgendwann wird es Hartman zu bunt mit Paula, der immer noch Fehler macht, selbst nachdem sich Joker ihm angenommen hat (genauer, es wurde ihm befohlen). Von nun an bestraft Hartman nicht mehr Paula, sondern die restlichen Rekruten. Nachdem diese wieder einmal die Fehler von Paula ausbügeln dürfen, entlädt sich der ganze Hass, auch von Joker, auf Paula und er bekommt Nachts seine Bestrafung. Von da an wird Paula merkwürdig, spricht mit seinem Gewehr und wird ein guter Soldat, selbst Hartman ist beeindruckt. Doch Paula ist verrückt und erschießt eines Abends Hartman und sich selbst. Joker geht als Kriegsberichterstatter nach Vietnam und erlebt dort den Schrecken, auf den ihn nicht mal Hartman vorbereiten konnte...
„Full Metal Jacket“, egal wen man fragt, was auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt sind die ersten gut 45 Minuten der Ausbildung. Scheinbar scheint es bei den Marines wirklich so zu sein, denn Darsteller R. Lee Ermey war wirklich Drill Instructor bei den Marines und war auch in Vietnam. Eigentlich nur als Berater tätig, bekam Ermey den Job und liefert wohl seine beste schauspielerische Leistung ab. Egal ob nun im Original oder auf deutsch, wenn Hartman auftritt wackelt der Raum und eine Erniedrigung jagt die Nächste. Wohl in keinem anderen Film hat man so eine Ausbildung gesehen.
Besonders authentisch wirken die Szenen natürlich wegen der Darsteller, allen voran Emrey. Aber auch Matthew Modine und besonders Vincent D’Onofrio sind klasse. D’Onofrio schafft es sofort, dass man Mitleid mit ihm hat, da er minutenlang von Hartman auf übelste Art und Weise beschimpft wird, teilweise gibt es sogar Schläge ins Gesicht. Die Ausbildung unter Hartman wird keiner mehr vergessen.
Nach der Ausbildung folgt ein harter Schnitt, man befindet sich plötzlich mit Joker in Vietnam. Die harten Zeiten sind vorbei und als Kriegsberichterstatter hat er ein leichteres Leben, bis plötzlich die Vietnamesen angreifen und selbst Joker an die Front muss.
Und hier zeigt sich der krasse Unterschied zu anderen Filmen. Wird man bei „Privat Ryan“ oder dem noch schlechteren „Wir waren Helden“ mit Action quasi zugebombt und die Patriotenflagge höher gehalten als alles andere, so haben wir es bei Kubrick genau mit dem Gegenteil zu tun. Wir haben menschenleere Felder, der Krieg scheint vorbei, doch gerade dieses Szenario wirkt so schrecklich, so realistisch. Wir haben keine strahlenden Helden à la Mel Gibson, der große Mann, der in der Mitte des Feldes stehen kann und nicht getroffen wird bla bla bla. Hier sind die Soldaten Menschen, trotz der Ausbildung alles andere als Killermaschinen und haben genau so Angst und hassen eigentlich den Krieg.
Wie gesagt, massive Actionszenen gibt es in dem Film eigentlich gar nicht, es geht mehr um die Menschen selber, wie sie den Krieg erleben und teilweise dran zugrunde gehen. Es geht um Menschen, die andere Menschen den Kopf waschen, sie so manipulieren, so dass sie nur noch Killer sind. Da wären wir wieder bei Hartman. Eine besseres Kompliment kann man einem Schauspieler nicht machen, wenn man sagt, er wäre realistisch. Bei R. Lee Emrey kann man sogar noch einen Schritt weiter gehen. Er ist realistisch, die bringt die beste Leistung seiner schauspielerischen Karriere, damit beflügelt er auch noch die anderen Schauspieler. Eine erschreckende und gleichzeitig geniale Darstellung.
Fazit: „Full Metal jacket“ kommt für mich lange vor so Möchtegernfilmen wie „Privat Ryan“ oder „Wir waren Helden“. Filme, die mehr von ihren Actionszenen leben oder die Amerikaner in den Himmel loben. Bei „Full Metal Jacket“ ist es anders, hier haben wir noch Menschen, teilweise kranke Menschen, aber es bleiben Menschen. Der Krieg und auch die Taten werden nicht glorifiziert, im Gegenteil, Kubrick prangert an. Somit zählt „Full Metal Jacket“ für mich zu den wichtigsten Anti-Kriegsfilmen überhaupt. Einfach gesprochen: Ein Meisterwerk, welches man gesehen haben muss und sich immer wieder ansehen kann. Dieser Film verliert einfach seine Faszination und den Schrecken nicht.