Eins vorweg: Ich bin absoluter Kubrick-Fan, was meine Objektivität gegenüber diesem Film nicht unbedingt festigt.
Stanley Kubrick ist bekannt für seinen vollkommen avantgardistischen und herauragenden Stil, den er in den unterschiedlichsten Genretypen unter Beweis gestellt hat. Mit "Full Metal Jacket" lieferte er 1987 den wohl intelligentesten, bedrückendsten und zugleich auch unterhaltsamsten Anti-Kriegsfilm mit Augenmerk auf dem Vietnam-Konflikt ab.
Alles beginnt mit der Ausbildung zum Sargnagel, sprich zur absolut willenlosen Kampfmaschine im Camp von Drill-Sergeant Hartman, der von R. Lee Ermey absolut göttlich dargestellt wird. Private Joker (Matthew Modine) erzählt fortan sporadisch seine Geschichte, vom Camp bis hin in die grüne Hölle Vietnam's.
Der Film lässt sich in zwei Teile spalten. Der erste handelt von der gnadenlosen Ausbildung, die den Rekruten klar machen soll, was sie sind: Maden, ein stinkender Haufen Scheiße, die unterste Lebensform die je auf diesem Planeten dahinvegetierte, so würde es Hartman ausdrücken. Gomer Pyle (unglaublich von Vincent D'Onofrio in Szene gesetzt) ist geistig ohnehin schon recht labil und fühlt sich mit der Situation vollkommen überfordert. Leicht korpulent ist es für ihn auch am schwersten das Training durchzustehen. Da Hartman so einer gerade recht kommt, muss Pyle einige erniedrigende und schmerzhafte Torturen über sich ergehen lassen. Als etwa seine "Kameraden" ihn eines Nachts im Schlaf überraschen und mit in Handtücher eingewickelten Seifenstücken auf ihn eindreschen, oder er am Daumen nuckelnd und mit heruntergelassener Hose dem Rekrutenzug folgen muss, findet er sich selbst in einer Welt wieder, die nicht mehr das ist, was sie einst zu sein schien. Erfüllt von Hass und Verzweiflung sitzt er in der letzten Nacht seines Aufenthaltes im Camp, auf dem Klo. Seine scharfe M14 im Anschlag, bereit zu töten, wie es ihm beigebracht wurde. Private Joker bemerkt ihn und versucht ihm klar zu machen, dass sie ziemlich arm dran sind, wenn Hartman reinkommt. Unbeirrt von Jokers Besänftigungsversuchen schreit Pyle seine ihm monatelang eingetrichterte Gute-Nacht-Ode an sein Gewehr:
"Das hier ist mein Gewehr!
Es gibt viele andere, aber dies ist meins!
Mein Gewehr ist mein bester Freund!
Es ist mein Leben!
Ich muss es meistern, wie ich mein Leben meistern muss!"
Daraufhin wacht Hartman auf und eilt zum Klo, wo er einen apathischen Private Joker, sowie das vorfindet, was er die ganze Zeit zu erziehen gesuchte: Keinen Roboter, sondern einen Killer. Pyle ist nun gewollt alles hinter sich zu lassen und dieser "Welt voll Scheiße" ein Ende zu setzen.
Teil zwei führt den Zuschauer dann mit Private Joker Stück für Stück in die Gräuel und Schrecken des Krieges ein. Scheint zu Beginn noch alles ziemlich gelassen und friedlich, wird schon bald durch unerbittliche Gefechte und Scharfschützenduelle klar gemacht, was Krieg ist: Töten oder getötet werden ...
Der Film gehört für mich, wie so ziemlich alles von Kubrick, zum Allgemeinwissen und zu einem grandiosen Stück Filmgeschichte. Wie immer schafft es der Altmeister die Genregrenzen zu verwischen oder gar zu sprengen. Größtenteils geht der Film als Drama mit mehr als einem Schuss Sozialkritik durch, doch Action, Krieg und sogar ein wenig Humor lassen Kubricks unverwechselbare Duftmarke zurück. Die Atmosphäre ist der schiere Wahnsinn. Man sitzt mit weit geöffneten Augen vor dem Bildschirm und ist so angespannt, dass man garnicht merkt wie man in den Sog des Filmes gezogen wird und schließlich ganz und gar eintaucht.
Ein typisches Merkmal Kubrick's ist auch, seine Fähigkeit den von ihm angeheuerten Schauspielern Höchstleistungen zu entlocken. So spielt Vincent D'Onofrio den gebrechlichen Pyle beängstigend authentisch. Dem steht R. Lee Ermey als herzloser Drill-Sergeant, Matthew Modine als kühner Private Joker oder sogar Adam Baldwin als Kriegsveteran Animal Mother in Nichts nach.
Dieser Film bleibt dank Kubrick ein einzigartiges Meisterwerk, welches Nichts geringeres als 10 Punkte verdient hat.