„Crank“ – Treffender könnte man es kaum formulieren, was im gleichnamigen Film an einem vorbeirauscht. Als ich zu Beginn des Abspanns dann noch zwei mir völlig unbekannte Namen unter Regie und Drehbuch finde, bin ich erst recht aus dem Häuschen. Denn was diese beiden in ihrem Erstlingswerk (!) mal eben an Superlativen auffahren, dass hat man so bestimmt noch nie gesehen. Auf den Zuschauer wartet eine Achterbahnfahrt, bei der ihm nicht einmal Zeit bleibt in die Popcorntüte zu schauen geschweige denn zu greifen, wobei ich hier sowieso davon abrate sich einen Snack ins Kino mitzunehmen.
Dabei bleibt „Crank“ inhaltlich im Grunde genommen belanglos: Chev Chelios (Jason Statham, u.a. „The Transporter“, „Snatch“, „Bube, Dame, König, Gras“) wacht in seiner Wohnung auf, findet eine DVD und erfährt während des Ansehens, dass er von einem gewissen, ihm scheinbar nicht unbekannten, Ricky Verona (Jose Pablo Cantillo) und dazugehörigen Schergen mit einem chinesischen „High Tech“ - Gift gespritzt wurde, das ihm in kürzester Zeit den Tod bringen soll. Angespornt von dieser Tatsache, macht er sich auf einen Rachefeldzug um seine Peiniger ins Jenseits zu befördern und nach einem Gegenmittel zu suchen. Das Interessante dabei ist die Wirkung des injizierten Giftes, die nur durch ständige Adrenalinschübe verlangsamt werden kann, was nicht nur bedeutet, dass Chev andauernd in Bewegung bleiben muss, sondern darüber hinaus zu einem Amoklauf quer durch L.A. und zu einigen aberwitzigen Situationen führt, die sich ins Gedächtnis brennen. Selbst seine Freundin Eve (Amy Smart, u.a. „Butterfly Effect“, „Starsky & Hutch“) bleibt nicht verschont, sein Doc Miles (Dwight Yoakam) sorgt für die notwendige medizinische Unterstützung.
Allerdings geht es in diesem Film nicht um einen anspruchsvollen, besonders ausgeklügelten Plot – hier greift das Konzept „Form über Inhalt“. Und selten hat das besser funktioniert als in „Crank“. Ohne Weiteres wird man in die Ausgangssituation versetzt, erlebt die ersten Schritte aus der Sicht des Protagonisten, spürbar benommen und orientierungslos. Bereits von der ersten Sekunde an saugt der unglaubliche Drive der Inszenierung den Rezipienten ins Geschehen und lässt ihn so schnell nicht mehr los. Zudem wird das Ganze beeindruckend stilsicher präsentiert. Der Einsatz einer HD-Kamera mit einer hochfrequenten Bildrate sorgt für andauernd hektische Aufnahmen, hinzu kommt die Wackeloptik durch häufigen Gebrauch als Handkamera; eine Steadycam sucht man vergeblich. Dadurch scheinen die Bilder pausenlos in Bewegung zu sein – gerade zu Beginn, wenn man von der Bilderflut nahezu erschlagen wird. Nur, sobald Chev selbst ein wenig Ruhe vergönnt ist, gibt es auch mal feste Einstellungen. Zudem werden hier optische Spielereien beinahe inflationär abgebrannt, dass sogar ein Tony Scott neidisch wäre. Schräge, unkonventionelle Kamerapositionen, -einstellungen und -fahrten, vorwiegend nah am Geschehen, mit Close-Ups en masse, tragen außerdem zum phänomenalen Bilderrausch bei. Die üblicherweise hohe Schnittfrequenz könnte fast Oliver Stones „Natural Born Killers“ Konkurrenz machen. Abgerundet mit einem abgedrehten, ausgefallenen und abwechslungsreichen Score, wird daraus eine der temporeichsten Inszenierungen seit es den Film gibt. Das spricht absolut für den Film.
Von der schauspielerischen Seite her gibt es natürlich keine Charakterdarstellungen oder dergleichen. Das ist hier auch gar nicht nötig. Hier werden die Figuren an allen Ecken und Enden überzeichnet und das passt einfach. Jason Statham strotzt nur so vor Kraft und Energie, wie man es schon aus den beiden „Transporter“ - Sequels gewohnt ist, und ist in meinen Augen schlichtweg die Idealbesetzung. Die Dynamik, mit der er seine Rolle präsentiert, passt zu seinem Part wie die Faust aufs Auge. Er kämpft kompromisslos, schnell und überlegen, legt ein unfassbares Tempo vor und liefert gelegentlich - stets locker und gelassen – einen Oneliner. Was die Leistungen der Nebendarsteller betrifft, so sind diese eher Beiwerk, was zwar nicht so ins Gewicht fällt, aber dennoch ein wenig stört. Einzig seine Freundin Eve und ein paar skurrile Figuren bleiben im Gedächtnis. Ist allerdings kein Wunder bei der kurzen Screentime. Es wird sich halt voll und ganz auf den Mainpart konzentriert.
Was „Crank“ zu einem wirklich ausgezeichneten Thriller noch gefehlt hätte, wäre ein raffiniertes Drehbuch - welches hier nichtdestotrotz mit vielen Ideen und Einfallsreichtum gespickt ist - mit ein paar mehr Plot-Twists und einer ausgereifteren Dramaturgie gewesen, die hier leider doch etwas unter den Bildern leidet. So bleibt der Film eher oberflächlich und kaum subtil spannend und damit vorwiegend physisch anstrengend. Geistig wird der Betrachter erst nach dem Film so richtig gefordert, wenn er das Gesehene psychisch verarbeiten muss. Hätte dieser Prozess auch während des Films stattgefunden, will ich mir gar nicht ausmalen, was noch alles möglich gewesen wäre. Allerdings sollte man dem Konsumenten auch nicht zu viel zumuten, denn so ein Bilderrausch will auch erstmal verdaut werden.
Fazit: Wer hier Anspruch und hohe Schauspielkunst erwartet, hat sich entweder im Kinosaal geirrt oder sich den falschen Film ausgesucht. Denn „Crank“ ist reinstes Unterhaltungskino – aber was für eins! Ein Kraftpaket, das dank seinem außerordentlich hohen Tempo nie an Fahrt verliert und ähnlich wie das im Film selbst so wichtige Adrenalin wirkt. Eine Art Adrenalinrausch quasi, der von seinen Bildern und seinem Protagonisten lebt. Lediglich kleine Schwächen im Drehbuch machen sich bemerkbar, die widerrum dank der grandiosen Inszenierung dem überwältigten Publikum nicht einmal auffallen dürften. Bitte eine Dosis mehr davon!
8/10 (mit Tendenz nach oben)