Es ist immer kolossal schwierig, etwas über Filme zu schreiben die jeder kennt, und die fast jeder mag. AMÉLIE zum Beispiel ist ein allgemein ausgesprochen beliebter Film, und wer ihn nicht mag, der hasst ihn geradezu. AMÉLIE ist kein Mittelmaß, was ja schließlich auch als Qualitätsmerkmal gelten darf.
Aber was schreibt man über AMÉLIE, was nicht schon Dutzende, Hunderte, wahrscheinlich sogar Tausende andere geschrieben haben? AMÉLIE ist herzallerliebst, ist ein Märchen, ist eine Fabel in einer idealisierten Welt. In einem Paris, das so auch von Jean Renoir oder Marcel Carné geschildert werden könnte, und in dem man meint, dass jeden Augenblick ein junger Belmondo um die Ecke spurten könnte. Ein Jean Gabin seinen prüfenden Blick auswirft. Oder Simone Signoret lange Beine bis zum Boden auspackt. Eine Märchenwelt, die vollgepackt ist mit Märchenfiguren - Alle sind mindestens ein klein wenig gut, alle sind mindestens ein klein wenig liebenswert, und selbst wer auf den ersten Blick ein Stinkstiefel zu sein scheint, wird irgendwann geläutert. Wie zum Beispiel der garstige Gemüsehändler, dessen Läuterung zwar nicht mehr vor der Kamera stattfindet, aber irgendwann muss ja auch der es mal lernen …
Nein, etwas wirklich Schlechtes kann man hier kaum finden, insofern man gewillt ist sich auf ein Märchen einzulassen. AMÉLIE ist Kino wie aus der goldenen Zeit der großen Leinwandepen: Etwas fürs Herz, etwas zum Mitzittern, etwas zum Dahinschmelzen, und am Ende hat man das Gefühl, knapp 2 Stunden schön geträumt zu haben. Und sehnt sich aus der eigenen grauen Welt in diese helle und liebevolle Welt zurück. Ohne aufgesetzte Romantik und ohne dümmlich-klamaukige Dialoge ist AMÉLIE ein Stückchen Kino, wie es heutzutage, im Zeitalter der Superhelden und der Weltzerstörung auf beiden Seiten der Leinwand, selten geworden ist.