Review
von Alex Kiensch
Genre-Spezialist Michael Mann reaktivierte seine berühmte 80er-Jahre-TV-Serie "Miami Vice" für das Kino des 21. Jahrhunderts - und schuf einen der packendsten Thriller der vergangenen Jahre.
Dabei ist die Story um die zwei Cops Tubbs und Crockett, die undercover gegen ein global operierendes Drogenkartell ermitteln, nichts sonderlich Originelles. Wie auch im Original steht hier die Inszenierung im Vordergrund. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten zwischen Serie und Kinofilm auch beinahe: Ging es in den 80ern darum, coole Typen vorzuführen, die unbeirrt für das Gesetz eintreten, zeigt Mann hier die dunklen Seiten der Polizeiarbeit. Geplatzte Ermittlungen, Undercover-Agenten, die sich in ihre Ziele verlieben, und die Angst um das eigene und die Leben von Kollegen zeichnen die Helden nachhaltig.
Wie schon in früheren Filmen beweist der Regisseur dabei ein Händchen für die Schattenseiten berühmter Metropolen. Selten zuvor wurden Miami oder die Karibik so düster und bedrohlich inszeniert. Durch immer wieder einsetzende Wackel-Kamera, die so subtile wie dynamische Musik und eine im Lauf des Films immer vertracktere Story entsteht eine Atmosphäre der permanenten Bedrohung. Jeder Schritt der Agenten könnte ihr letzter sein, das wird klar, ohne dass es jemals eindeutig ausgesprochen wird. So vermag der Film auch ohne aufgesetzte Action- oder Spannungsszenen den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Diese schwüle Atmosphäre steigert sich zu immer größerer Intensität, bis sie sich in einer finalen, gewaltigen Schießerei entlädt.
Als ideale Besetzung erweisen sich dabei auch die Hauptdarsteller Colin Farrell und Jamie Foxx. Durch ihr intensives Spiel zwischen unantastbarer Coolness und menschlicher Verletzbarkeit bügeln sie die Schwächen des Films - wie zum Beispiel eine etwas zu kurz gekommene Figurencharakterisierung oder die gar zu altmodische Liebesgeschichte - wieder aus. Ein so überzeugendes Spiel ist im Thriller-Genre längst keine Selbstverständlichkeit.
Die Verfilmung dürfte Fans der Serie zwiespältig erscheinen: Vom Geist des Originals sind nur noch ein Ferrari als Standardfahrzeug und der Handlungsort Miami geblieben. Und auch Actionfans dürften sich sicher mehr Schauwerte versprochen haben. Thriller-Freunde überzeugt "Miami Vice" aber mit einer ausgeklügelten Story, charismatischen Helden und Bösewichten und einer mitreißenden, düsteren Atmosphäre. Trotz Schwächen also ein kleines Juwel im modernen Thriller-Genre.