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»I've become so numb, I can't feel you there, become so tired, so much more aware. I'm becoming this all I want to do, is be more like me and be less like you«
heißt es in Linkin Parks Song „Numb", mit dem Miami Vice eingeleitet wird. Ein Refrain-Text, wie er Gefühl und Stimmung des Films nicht besser hätte vermitteln können, weshalb seine Auswahl wohl kaum eine zufällige gewesen sein kann.
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Nach einem Zwischenfall in Südflorida, bei dem drei verdeckte Ermittler von einer faschistischen Schmugglerbande ermordet wurden, werden die Detectives James ‚Sonny‘ Crockett und Ricardo Tubbs ausgesandt, um die Organisation des Drogenbarons Jesús Montoya zu infiltirieren. Brenzlig wird es für die beiden, als Sonny sich in Montoyas Gespielin Isabella verliebt und Ricardos Freundin Trudy entführt wird...
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Als Ausführender Produzent war Regisseur Michael Mann ab 1984 maßgeblich am wegweisenden Stil der Serie Miami Vice beteiligt, die es bis 1989 auf insgesamt fünf Staffen brachte. Pastellfarbene Beleuchtung und Kostüme, Speedboote, Sportwagen, Locations in Miami, die farblich nachbearbeitet und der Mode der Charaktere angepasst wurden - Miami Vice setzte nicht nur einige Fashion-Trends, sondern überzeugte auch in der filmischen Umsetzung, die mit harten und schnellen Schnittfolgen der Ästhetik von Video-Clips gleichkam. Damit unterstützte man neben der stilisierten Optik auch die Erzählweise der Geschichten, wodurch die Serie nicht zur reinen Modenschau verkam.
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Für seine filmische Neuauflage des Stoffes verzichtet Michael Mann nun auf die prägnantesten visuellen Elemente, sein Miami ist meist dunkel, dreckig und rauh, die Anzüge der Hauptdarsteller überwiegend in schwarz und grau gehalten. Der Film passt damit am ehesten zur dritten Staffel der Serie, die damals von Mann in Richtung düstererer Optik angepasst wurde. Die Gemeinsamkeiten halten sich jedoch insgesamt in Grenzen. Miami Vice beginnt in einer Disco, im Hintergrund etönt der eingangs erwähnte Song (in der verhip-hop'ten Jay-Z-Kollaboration „Numb/Encore"). Während einer laufenden Ermittlung erhält Sonny Crockett einen Anruf; ein panischer Polizei-Spitzel informiert ihn über einen Einsatz, der schief zu gehen droht. Weder dies, noch den Selbstmor des Informanten können Crockett und sein Partner Tubbs verhindern und werden mit der Aufklärung des gescheiterten Deals beauftragt, wozu sie Undercover Kontakt zu einem Mittelsmann namens Jose Yero aufnehmen.
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Die Cops vermitteln sich selbst als Kuriere für Drogenboss Montoya und steigen schnell in dessen Gunst, Crockett allerdings besonders in jener von Geschäftsfrau Isabella, was seinerseits Yeros Misstrauen weckt, der die beiden alsbald aus dem Weg geräumt haben will. Die Story von Miami Vice läuft ohne Zweifel auf bekannten Bahnen, die Verwicklungen und Ereignisse sind weder in Aufbau, noch in der Auflösung besonders innovativ und auch nicht sehr komplex angelegt. Dennoch: so, wie er ist, funktioniert der Film großartig und benötigt keine weitreichende Verästelung, da seine Krone auf einem absolut robusten Stamm thront. Alles, was Manns Miami Vice bietet, ist von enormer Intensität, was sich an den harten Grundton und die konsequent durchgezogene Inszenierung des Films koppelt. Gut getimt, seine Kräfte zwischendruch einsparend, um sie dann wieder erruptiv zum Ausbruch zu bringen, kraxelt Miami Vice seinen Stamm empor und greift nur an wenigen Stellen kurz daneben, vor allem bedingt durch einige leicht zusammengekürzte Handlungsstränge (in einer in den USA erschienenen Unrated-Version ist der Film ca. sieben Minuten länger und beleuchtet einiges deutlicher).
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Der Look von Miami Vice, erzeugt mit Farbfiltern, durch Grobkörnigkeit und handgeführte Kamera (auf Steadycams wurde komplett verzichtet), ist in eine ästhetische Gegenrichtung zur Serie perfekt gelungen und mit dem kalten Blaustich typisch für Michael Mann, so dass sich der Film mühelos in seinem Gesamtwerk zuordnen lässt. Mann ist ein Regisseur, der es einfach nicht nötig hat, seine Storys mit aufgeblähten Schnörkeln zu erzählen und unnötig zu verkomplizieren, um künstlich einen Anspruch vorzutäuschen, der nicht von sich aus bereits da ist. Denn bei aller Schlichtheit in der Dramaturgie und emotionalen Abgekühltheit, Miami Vice ist bei weitem kein dummer Film. Gefühlsmäßig sind Crockett und Tubbs von jahrelanger Undercover-Arbeit merklich gezeichnet (»I've become so numb«), was von Colin Farrell und Jamie Foxx glaubwürdig dargestellt wird. Farrell kann ungemein sehnsüchtig dreinschaun und man nimmt es dem Charakter ab, dass er sich auf der Suche nach irgendeiner Form von Nähe, irgendeinem Halt in die aussichtslose und riskante Affäre mit Isabella stürzt - und dabei eben auch nie er selbst sein kann, sondern die Identität eines anderen leben muss (»all I want to do, is be more like me and be less like you«). Seinen schauspielerischen Fähigkeiten entsprechend überzeugt Foxx besonders in jener Sequenz, als seine Freundin und Kollegin entführt wird und er sich mit den verheerenden Auswirkungen seiner eigenen Arbeit konfrontiert sieht. Farrell und Foxx liefern zwar auch zwei toughe und lässige Action-Helden, aber vor allem zwei Menschen, die hinter den vielen falschen nach einer eigenen Identität suchen, beziehungsweise sich diese zu bewahren versuchen.
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Trotz im Vergleich zur Serie weniger präsenten Urlaubs/Sonne/Strand-Panoramen kommen auch hier die Schauwerte nicht zu kurz. Mit Drehorten in Südflorida, der Karibik, Brasilien, Kolumbien, Paraguay und Uruguay sind die Sets abwechslungsreich und Kameramann Dion Beebe bekommt einige wünderschöne Locations zu zeigen. An rasende Sportwagen und wellenschlagenden Speedbooten fehlt es ebenfalls nicht. Action und Schusswechsel gibt es nicht viele, sind aber großartig gefilmt und inszeniert, fühlen sich durch Kameraführung und Soundeffekte geradezu hautnah an. Wenn dem Showdown entgegen Crockett, Tubbs und ihr Team zur Rettung der gekidnappten Trudy aufbrechen, ist das bestes, bretthartes Thrill- und Actionkino, bei dem die Protagonisten keinen Zweifel daran lassen, dass sie es, simpel gesagt, ohne Ende drauf haben. Besonders Foxx ist hier für einige beeindruckende Knochenbrecheraktionen zuständig, was durch den persönlichen Bezug zu der von Naomie Harris gespielten Trudy Sinn macht. Farrell tritt hier, genau wie beim furiosen finalen Schusswechsel, ein wenig kürzer, rückt allerdings zuvor durch die Liaison mit Isabella, dargestellt von Gong Li, in den Vordergrund. So balanciert Mann Crockett und Tubbs in ein gutes Gleichgewicht.
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Miami Vice ist ein trockener, mit toller Optik realisierter Thriller, unterlegt von passender Musik (sowohl was den instrumentalen Score, als auch die Songauswahl angeht) und nicht zuletzt getragen von zwei Hauptdarstellern, die aus ihren Rollen das maximale an dem herausholen, was unter den Vorgaben der Story möglich ist. In den Nebenrollen können Gong Li und Naomie Harris mehr bieten, als nur motivischen Antrieb für die beiden Herren, das ausgeweitete Ermittlerteam ist mit Elizabeth Rodriguez, Justin Theroux und Barry Shabaka Henley als Lieutenant Castillo ebenfalls gut besetzt. Luis Tosar hat als Montoya nicht viele Auftritte, versieht den Drogenboss aber mit Ausstrahlung und sorgt darüber hinaus dafür, dass die Liebesgeschichte zwischen Crockett und Isabella auch aus ihrer Sicht nachvollziehbar wird. Der Rest der Schurken ist Standart-Ware, aus der allenfalls noch John Ortiz als verschlagender Yero heraussticht.
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Michael Mann erfindet mit Miami Vice das Genre nicht neu und gewinnt der Undercover-Cop-Thematik keine neuen Facetten ab, bringt das Gegebene aber zu stilistischer und stimmungsvoller Perfektion. Die Charakterzeichnung und Schauspieler passen, audio-visuell ist der Film phänomenal gut gelungen und selbst eine Sache, die man wenigen anderen Produktionen verzeihen würde, funktioniert hier scheinbar ganz natürlich: Colin Farrells Vokuhila-Matte und Schnauzbart. Das sieht bei dem Iren tatsächlich irgendwie cool aus, was für den Stil eines Films insgesamt nichts anderes bedeuten kann, als das er bestens gelungen sein muss.

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