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Selten war man sich so einig und selten wurde es einem so leicht gemacht einen Film, in dem man große Erwartungen gesteckt hat, nicht zu mögen. „Miami Vice“, das heißt eine pastellfarbene Rückkehr in die 80er Jahre, mit Flamingos, Urlaubsfeeling und Sandstränden. Sollte man meinen, oder doch nicht? Genau diese Beschreibung der beliebten Serie trifft nur dann zu, wenn man niemals über den Vorspann hinaus kam. Es hat sich irgendwie festgesetzt, selbst Menschen, die niemals auch nur eine Folge gesehen haben, glauben zu wissen, was diese Serie ausgemacht hat. In Wahrheit stand „Miami Vice“ immer für in erster Linie ernsthafte und nicht selten düstere Geschichten rund um die beiden Undercovercops James „Sonny“ Crockett und Ricardo Tubbs. Dennoch ist nicht abzustreiten, dass mit dieser Serie ein Trend losgelöst wurde, der zum dominierenden Lifestyle der 80er Jahre werden sollte. „Miami Vice“ ist mehr als alles andere zur Mode geworden und letztlich auch zum abgeschmackten Klischee. Weißes T-Shirt, Armani Jackett, Sonnenbrille und Lederslipper (ohne Socken versteht sich). In der aufkommenden Yuppie-Ära sollte das zur gehuldigten Männermode werden. Wenn also eine TV-Serie so zum Kult einer ganzen Dekade und letzten Endes zum Klischee dieser Dekade wird, ist es nicht verwunderlich, dass so viele unqualifizierte Meinungen bezüglich ihres Inhaltes in Umlauf sind. Der Ruf ist dieser Serie und letztlich auch dem Film in vielerlei Hinsicht vorausgeeilt.

Nun stellt es keine besondere Überraschung dar, dass der gleichnamige Film mit einer gewissen Erwartungshaltung verbunden war. Diese Erwartung hatte zwar keine echte Grundlage, ließ sich aber in vielen anschließenden Kritiken/Meinungen herauslesen. Fairerweise  sei an dieser Stelle gesagt, dass der Film natürlich anders daherkommt und grundlegend anders inszeniert wurde. Aber wenn man die Serie kennt und noch viel wichtiger, wenn man Michael Mann kennt, stellt seine Verfilmung keine unkalkulierbare und alles über Bord werfende filmische Umsetzung dar. „Miami Vice“ ist im neuen Jahrtautausend angekommen und da passt er überraschenderweise perfekt hinein. Michael Mann hält, obgleich seine Serie zum Synonym der 80er-Jahre-Mode geworden ist, immer noch viel von seinem frühen Werk. Es soll zu keiner zitierfreudigen und leicht herablassenden Parodie werden, kein „Charlies Angels“  (2000) oder „Starsky & Hutch“ (2004). Das mag für viele auch Enttäuschend oder Verwunderlich gewesen sein, aber der Film will gar keine Nostalgie evozieren, im Gegenteil, „Miami Vice“ ist genau wie sein  Serien-Pendant ein durch und durch dem Zeitgeist entsprechendes Werk. Deutlich zu sehen bzw. hören am trendigen Soundtrack und natürlich am hervorstechenden Merkmal, der ungewöhnlichen wie aufwendigen Kameratechnik.

Michael Mann fängt mit der, schon in „Collateral“ zum tragen gekommenen DV-Kameratechnik ein urbanes Lebensgefühl ein, das eine selten zuvor gesehene Authentizität zulässt. Das Leben der beiden Protagonisten, zwischen Täuschung der Umwelt bis zum Identitätsverlust und dem Schein verpflichtendem Luxus,  strahlt eine bedächtige Ruhe aus. Michael Mann kümmert sich nicht um ein der Sympathie verpflichtendes Charakterbild. Seine Figuren wirken distanziert, geben kaum etwas privates Preis und verbleiben gegenüber dem Zuschauer in nüchtern geruhsamer Reserviertheit. Die schlicht gehaltene Story um Drogenkartelle und deren Belieferung, verhält sich als grundlegendes Gerüst, um einen glaubwürdigen Blick auf das Leben zweier verdeckter Ermittler zu werfen. Angestrengt melancholisch etwa Sonny Crockett (Colin Farrell), sein Blick schweift des Öfteren sentimental in die Ferne. Der in Fleisch und Blut übergegangene Job, wird für kurze Momente unterbrochen und zeigt eine verletzlich romantische Sehnsucht. Der berechnende Flirt, den er mit der eiskalt verführerischen Isabelle (Li Gong) eingeht und der sich bald als tatsächliche Zuneigung offenbart, verlegt den Fokus des Films kurzfristig weg vom eigentlichen (Drogen-) Geschehen und lässt einen erstaunlich weichen, warmherzigen Blick auf diese scheinbar steinernen Figuren zu.

Es sind, wie man merkt, die leisen Töne, die man suchen muss und der den Film zu einem der Außergewöhnlichsten der letzten Jahre macht. Der Vorwurf des „Style over Substance“ ist haltlos und zeugt von Unverständnis und falscher Erwartungshaltung. Näher betrachtet, wird dem Film durch seine enorm ausdrucksstarken Bilder und seine minimalistischen Zwischentöne ein gehaltvoller Subtext verliehen, der gerade durch viel Unausgesprochenes zum Denken und auch Fühlen animiert. Anders ausgedrückt: Hier definiert und kreiert der Style die inhaltliche Substanz.

Die freie Kameraführung, die ein losgelöstes und intensives Filmerlebnis hervorbringen, erzielen realistisch greifbare Bilder. Die wunderschönen Aufnahmen, etwa die des rötlich verblassenden Nachthimmels über Miami oder die intim fragilen Bilder während der Fahrt auf dem Speedboot, spiegeln nicht nur das Seelenleben der Protagonisten wieder sondern huldigen auch einer urbanen Poesie. Der Soundtrack, u.a. mit den sphärisch minimalistischen Klängen der Postrockband „Mogwai“, oder von „Moby“, unterstreicht dies auf einfühlsame Weise. 

Dieser Stil kommt besonders den Actionszenen zu Gute. Der finale Shoot-Out am Hafen erreicht nahezu, obschon er weit kürzer ist, die Intensität des berühmten und gefeierten Straßengefechts in „Heat“. Die Bemühung um größtmögliche Authentizität lässt bei jenen Szenen ein „mittendrin Gefühl“ entstehen, das die chaotische Gefahr begreifbar macht.

Mann behandelt auch hierbei wieder, die bei ihm stets wiederkehrenden Themen rund um archaische Männlichkeit und dessen Abgesang darauf. Im Vergleich zu seinen anderen Filmen, fällt dies aber wesentlich dezenter und subtiler aus. Während z.B. in „Heat“, das cholerisch rüde Spiel von Al Pacino und das besonnen kalte von Robert De Niro zwei Männlichkeitsideale, verbunden durch ihre manische Rastlosigkeit, darstellte und dabei nicht selten eine gewisse Plattheit offenbarte, wird dagegen in „Miami Vice“ alles mit wesentlich subtilerer und ungewöhnlicher Art vorgetragen. Durch das Aussparen einer verbalen Charakterisierung und unnötiger Erklärungen, wird das abrutschen in Klischees vorgebeugt und schafft eine geheimnisvoll unergründliche Aura um seine Protagonisten. 

„Miami Vice“ birgt durch seine authentische Nähe und seine fragil situativen Momente eine düster melancholische Zärtlichkeit. Man mag überrumpelt werden von diesen eigenartigen und für einen Actionfilm höchst ungewöhnlichen Bildern, aber streift man seine Erwartungen und seine Voreingenommenheit ein wenig ab, erwartet einen, ein poetischer, urban romantischer Film, der dennoch, wenn auch nicht ausschließlich, als beinharter Actionfilm funktioniert. Man muss nur genau hinsehen.     

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