Culture Zero
Kein Zufall ist es, dass “Miami Vice” zum Sprung ins kalte Wasser bittet, indem einfach mal auf die obligatorischen Opening Credits verzichtet wird. Es hängt mit Michael Manns Intention zusammen: Die Kinoverfilmung der 80er-Jahre-Kultserie soll keinen Retrocharme entwickeln, sie muss in der Gegenwart bestehen können. Also sind wir von hier auf jetzt in einer Disco, werden vom Beat des Remixes eines Linkin Park-Songs gesteuert und beobachten einen gewissen Sonny Crockett dabei, wie er die Chica an der Bar anmacht. Ein exklusives Milieu, aber keines, das so unerreichbar wäre wie die Welten eines Martin Scorsese.
Selten ist ein Film in meiner Gunst so schnell und tief gefallen wie Michael Manns “Miami Vice”. Beim ersten Durchgang vermutlich noch berauscht vom kongenialen Vorgängerwerk “Collateral”, konnte man sich zunächst noch an den mit DV-Kamera eingefangenen Einzelmomenten der gewohnten Klasse des Regisseurs festklammern. Doch je öfter man ihn sieht, desto offensichtlicher wird die traurige Leere, die diesem Resultat eines Experimentes innewohnt, das darauf abzielte, den nostalgischen Trend der Verfilmung alter Fernsehserien mit einem Paukenschlag zu stoppen - von einem Mann, der selbst noch aus der guten, alten Zeit stammt.
“Miami Vice - die Serie” ging hauptsächlich dafür in die Geschichte ein, dass sie - auch Michael Mann zum Dank - mit ihrem kühlen Neonlook ein stilistisches Statement setzte und die TV-Serien der Folgezeit optisch nachhaltig beeinflusste. Inhaltlich zehrte auch von diesem Braten eher gähnende Leere, aber damit war man damals keineswegs alleine (“A-Team”, “Knight Rider”, “Ein Colt für alle Fälle”, “Airwolf”...) und wenn sich eine Dekade des Fernsehens dadurch zum Teil auch definiert, ist es zumindest eine authentische Art der Substanzlosigkeit und damit eine, die sich gut verkraften lässt.
Wenn nun aber ebenjene substanzlose Serie in unsere Zeit des zwanghaften Recyclings transformiert wird und der Verzicht auf die gar nicht mal unsympathische Art des nostalgischen Rückblicks auf alte Zeiten sich mit der fast schon aggressiv-progressiven Vorgehensweise des Regisseurs paart, deren Resultat man durchaus als Transgression bezeichnen kann... ist da nicht zu fragen, was eine Geschichte über zwei coole Typen in der coolen Subkultur eines coolen Milieus zu melden hat? Oder anders gefragt: Warum adaptiert man heute eine Serie wie “Miami Vice”, wenn nicht um der Nostalgie willen? Was kann Michael Mann sonst noch aus ihr herausholen?
Ein schales Gefühl bleibt nicht aus, dass Mann eine Antwort auf diese Fragen nie gesucht hat, sondern einfach nur weg wollte vom Erwartbaren, mit dem er in “Ali” schon seine bis dato einzig nennenswerte Bruchlandung erlebt hat.
Folgerichtig ist das Ergebnis ein kalt durch Hollywood wandelnder Geist, der außer seinem formal glatten Stil, den die grobkörnigen Digitalaufnahmen nicht verschleiern können, nichts vorzuweisen hat. Es ist nicht nur das Fehlen einer Seele, wie man sie einem kalkulierten Blockbuster wie “Transformers” attestieren würde. Vielmehr wird ein loderndes Feuer vermisst, irgendwelche Resultate, einfach eine umgesetzte Performanz. Prätentiös bereitet Mann Sequenzen minutenlang vor, in dem er ganz genau bemessene, auf Sekunden durchgeplante Einstellungen der Gesichter seiner Stars einfängt, um dann eben doch pointenfrei zu bleiben. Unter anderem die Liebesszenen mit Gong Li und Naomie Harris leiden darunter und werden einer Künstlichkeit bloßgestellt, die es schmerzhaft macht, auch nur hinzusehen. Ein Nichts bleibt übrig, nicht nur über Etappen, sondern bis zum Ende.
Nicht nur Colin Farrell und Jamie Foxx sind Opfer dieses durchgestylten Ziellosen, schon ihre Besetzung an sich ist es; zwei der angesagtesten Stars des Moments, stellvertretend für eine Momentaufnahme, in der ohne ersichtlichen Grund eine alte Serie wiederbelebt wird - denn den Fans gesteht man ja nicht einmal zu, sich in alten Erinnerungen zu suhlen. Dieser Ricardo Tubbs und dieser Sonny Crockett haben nicht das Geringste mit Don Johnson und Philip Michael Thomas zu tun, und wehe, jemand wäre auf die Idee gekommen, eine “Schlüsselübergabe” zu inszenieren, wie in der Komödie “Starsky & Hutch” geschehen! Insbesondere Farrells Sonny Crockett ist infolgedessen mehr als nur auf 2006 gestylt, er stellt mit seiner Pomadenfrisur und dem Zuhälterbärtchen eine Karikatur und damit eine Parodie auf die 80er Jahre dar - ohne dass dies gewollt wäre.
Gegen die professionelle Inszenierung der Schießereien und die ganz eigene Atmosphäre des nächtlichen Miamis ist nichts zu sagen - nur eben gegen den unschönen Umstand, dass jene Instrumente ungleich “Collateral” für eine Geschichte verwendet werden, die im Grunde vollkommen obsolet ist.