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Eigentlich war es nur noch eine Erinnerung an unsere Kindheit, in Sachen Style sogar nur eine böse Erinnerung. Bunte Shirts, Blazer mit aufgekrempelten Armen, ölige Frisuren und der Neonlook der Florida-Metropole Miami eingebettet in düstere, oft hoffnungsarme Krimistories aus der Drogenszene. Das war Miami Vice.

Inzwischen jedoch gibt es überhaupt keine respektvollen Grenzen mehr, nicht mal vor Geschmacklosigkeiten wie solchen Serien, alles wird modernisiert, erfährt ein Filmremake, soll Kasse machen im Angesicht der Nostalgiewelle.
Wer sonst sollte da für qualitative Stabilität sorgen, außer der Schöpfer so einer Serie selbst: Michael Mann, inzwischen gefeierter Regisseur düsterer Geschichten mit nächtlichem, neonerhelltem Look aus der Großstadt.

Mann wollte offenbar niemand anderen sein Produkt verschandeln sollte, also besorgte er das Leinwandremake gleich selbst, denn die Leute sollten bekommen, was sie von der Serie und ihren Erinnerungen zu erwarten hatten.
Leider beweist „Miami Vice“ im Kino nur eines: das ist nicht genug.

Eine 135minütige Re-Imagination mit gutbezahlten Stars kommt da in die Kinos marschiert, der Look ist der Gleiche, die Figuren getreue Abbilder ihrer Vorlagen, die Geschichte düster und hoffnungsarm, der ewige Kampf gegen die unbesiegbare Krake Drogenmafia, in deren Armen persönliche Ambitionen um eine glückliche Existenz unwiederruflich zum Scheitern verurteilt sind.
Das sollte man ehren, diesen Vorsatz und seine Umsetzung, insofern gesehen ist „Miami Vice“ gelungen.

Andererseits erfordert eine große Leinwand immer mehr als das TV-Format zu bieten hatte.
„MV“ im Fernsehen hatte seinen Reiz und seine Qualitäten und auch wenn der Look heute kaum zu ertragen ist, war die no-nonsense-Stimmung von unbestreitbarer Spannung, auch wenn sich das Konzept noch im Verlauf der 5 Jahre im US-TV überlebte.

Doch Kino der großen Budgets verlangt nach mehr, um seine Existenz im Cineplex zu rechtfertigen: mehr Tiefe, mehr Größe. Aufwändigere oder im Umkehrschluß einfachere Plots, überlebensgroße Figuren oder aber welche mit mehr Tiefe, mehr Action oder zumindest längere, größeren Erfindungsreichtum oder zumindest erheblich erweiterten Aufwand.

Das einzige Element, das in Manns Kinofassung diesen Anspruch einlöst, ist der Cast, der mit Colin Farrell und Jamie Foxx zwei bekannte Gesichter liefert.
Ansonsten geht Mann niemals „beyond expectations“.
Was er liefert, ist im Grund erzählerisch nichts anderes als eine um ein paar gefühlvolle Szenen erweiterte Doppelfolge der TV-Serie in einer beliebigen Staffel, mit einigen erlesenen Extraaufnahmen, was Technik und Locations angeht.
Crockett und Tubbs müssen sich eines Falles annehmen, engagieren sich undercover als Rauschgiftboten für einen Drogenbaron aus Südamerika, Crockett darf sich verlieben, doch am Ende werden sie in die Enge getrieben und der Knoten löst sich in einem Feuergefecht bei einer Drogenübergabe. Der Baron wird nicht gefasst, die Handlanger sind tot und die Protagonisten so halbwegs um persönliche Tragödien herumgekommen. Von Happy End natürlich keine Spur.
Der Film wirkt so folgerichtig, aber auch komplett unspektakulär.
Vor allem beweist der Film als Ganzes, wie narrativ dürr und seicht die Serie wirklich war, die diese Mängel vor allem durch druckvolles Erzählen kompensierte.
Mann kann mit 130 Mio. Budget mal gepflegt ausschweifen und das tut dem Plot nicht gut.

Resultat dieser Vorgehensweise ist ein gewaltiger Durchhänger in der Mitte, wenn sich zwischen Farrell und der Untergebenen des Drogenbosses eine Art Love Story entwickelt und scheinbar nicht enden will. Da erwischt man sich schon mal verstohlen beim Blick auf die Uhr, doch es ist erst knapp die Hälfte rum und der Spannungsbogen leiert schon gewaltig.
Und wenn dann doch wieder etwas passiert, dann kann es den Film auch nicht mehr ganz bis nach oben reißen: einer vom Team wird entführt und muß befreit werden, Crocketts Herzensdame gerät in Gefahr und ein dickes Gefecht beendet den Film handlungstechnisch. Das war es dann auch schon.

Natürlich: erlesene Bilder. Tolle Nachtaufnahmen, schicke Autos, schnelle Boote, drückende Stimmung, Schwüle, Gewitter, Wind und Wolken, Tragik, Abgründe. Aber nichts, was den Spagat zum Publikum schafft.
Farrell und Foxx sind nicht mehr als beliebige Chiffren, die mehr oder minder nicht existenten Figuren ihr Gesicht leihen. Wir erfahren nichts über sie, nichts Neues, nichts Persönliches. Der Einsatz ist das Leben, die Aktionen die Welt. Das ist zu wenig – die beiden sind uns herzlich scheißegal, was durch Farrells ekelhafte Vokuhilafrisur samt Schnauzer noch unterstrichen wird.
Und die abschließende Schießerei wirkt geradezu enttäuschend banal (wenn auch sehr realistisch inszeniert und ohne technischen Schnickschnack, was sehr schön ist), wenn man sich an das mächtige und innovative Gefecht in „Heat“ erinnert.

Mann wollte sicherlich verhindern, das aus seinem Kind ein Monster wird, etwas Stilloses, eine Mutation, eine Entstellung. Das hat er verhindert, dafür aber genau das geschafft, was schon die Serie war: ein lebloses Panoptikum mit Style.
Da muß einem jetzt nur ein Grund einfallen, warum man den Film noch einmal schauen sollte und das ist das Kriterium, das einen guten von einem gut gemachten Film unterscheidet. (6/10)

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