Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis die Kultserie „Miami Vice“ im Zuge der Remake-Welle ins filmische Format umgesetzt wird. Dabei musste man kein Prophet sein, um die Polarisierung dieser Verfilmung vorauszusehen. Die Erwartungshaltungen reichen von einem unabhängigen Projekt bis hin zur Hommage bzw. einer Renaissance der 80er Jahre. Andere wiederum neigen zur Vorverurteilung und brandmarken das Projekt schon im Vorfeld als gescheitert. Unwissenheit ist in diesem Fall vielleicht sogar vorteilhaft, weil man völlig losgelöst von Assoziationen ins Kino gehen kann.
Nach „Collateral“ und „Heat“ ergeben sich dennoch gewisse stilistische Ansprüche, schließlich gibt sich der damalige Produzent der „Miami Vice“ TV-Serie, Michael Mann, selbst die Ehre Regie zu führen. Mann ist in erster Linie ein Perfektionist, der sich in eine Thematik verbeißen kann. So verwundet es nicht, dass der Regisseur das Drehbuch selbst verfasste und die beiden berüchtigten Drogenfahnder James „Sonny“ Crockett (Colin Farrell) und Detective Ricardo Tubbs (Jamie Foxx), tief in ein kolumbianisches Drogenkartell eintauchen lässt. Die Strukturen des Drogensyndikats und Vorgehensweisen von allen Beteiligten vermitteln einen realen Charakter, der nicht zuletzt auf eine akribische Hintergrundforschung zurückzuführen ist.
Oberflächlichkeit ist keine Falle, in die Mann tappt. Dementsprechend ausgereift wirkt die Charakterisierung von Crockett und Tubbs. Ein Cop-Thriller wird zum Charakterdrama, das tief blicken lässt. Große Anteile am Gelingen tragen natürlich auch Jamie Foxx und Colin Farrell auf ihren schauspielerischen Schultern. Die gezeigte Lässigkeit und Coolness wirkt nicht aufgesetzt und kommt vielmehr aus dem Inneren, ebenso wie menschliche Schwächen, die aus einer emotionalen Befangenheit resultieren.
Es ist erstaunlich, wie vielseitig und facettenreich die beiden Hauptcharaktere gezeichnet sind. Spannung und Dramatik sind quasi Selbstläufer, weil man gespannt darauf wartet, wie die jeweiligen Personen in bestimmten Situationen reagieren. Job und Privatleben werden vermischt. Liebe, Intrigen, Verrat und sonstige Umstände sind Zündstoff für charakterliche Bewährungsproben.
Das Drehbuch ist sicherlich nicht besonders anspruchsvoll, was auch nicht anders zu erwarten war. Es vermittelt aber Professionalität von einem Mann, der weiß, was er tut. Das Ganze hat Stil, im gleichen Maße wie die gezeigten, optischen Finessen. Seit „Collateral“ weiß man, welchen Weg Michael Mann geht. Der Regisseur bleibt seiner Stilistik treu und präsentiert keine pastellfarbene Hochglanzoptik. Es sind Bilder einer Digitalkamera, die als verwaschen grobkörnige Momentaufnahmen ein optisches Moloch erzeugen, dem man sich völlig überwältig hingibt. Dokumentarisch, teils dreckig wirkend und mit einem leichten Blaustich untermalt. Besonders imposant verwischt die Farbpracht im nächtlichen Großstadtsumpf Miamis.
Bild und Ton verschmelzen in vollkommene Harmonie. Fans der Serienvorlage dürfen den bekannten 80er Jahre-Synthesizer-Score vergessen, stattdessen bleibt Mann konsequent in modernen Gebieten und unterlegt seine Digitalaufnahmen mit einer vielfältigen Mischung aus Hip-Hop, Rock (Numb/Encore - Linkin Park Feat. Jay-Z bzw. Audioslave) und melancholischen Klavierklängen. Das Ergebnis ist berauschend, ein fesselnder Verbund aus Optik und Ton.
Mit Stilsicherheit nähert man sich auch dem dritten, neben Thrill und Dramaturgie, großen Bereich - der Action. Mann neigt nicht zum Overkill - Gewalt entsteht glaubhaft aus bestimmten Situationen heraus. Forcierte Anlässe sucht man in „Miami Vice“ vergeblich, alles wirkt platziert, fernab von überkonstruierten Sequenzen. Qualität statt Quantität!
Dementsprechend atemberaubend sind die Shootouts gestaltet. Man spürt förmlich den Druck und die Rückschläge des eingesetzten Waffenarsenals. Glasklare Schüsse dringen tief in das Hörsystem – und ebenso ungeschönt real in die Körperteile der Beteiligten. Kameratechnisch opfert man auf Kosten von Authentizität ein schwindelfreies Vergnügen – verwackelte Bilder bleiben Geschmackssache, auch wenn sich dadurch interessante Perspektiven, nah am Geschehen, ergeben.
„Miami Vice“ ist prinzipiell die Weiterführung einer visionären Idee. Michael Mann nutzt die Serienvorlage, um seine eigenen stilistischen Finessen und inszenatorischen Feinheiten zu übertragen. Das Gemisch aus Cop-Thriller, Drama und gut dosierter Action führt zu purem Entertainment – gespickt mit Schauwerten, die nicht aus Effekthascherei resultieren. Styles makes fights! (8/10)